Hamburg. 160.000 Hamburger können ihre Rechnungen nicht begleichen. Die Schuldner sind sehr unterschiedlich auf die Stadt verteilt.

Die Lage für Hamburgs Schuldner hat sich nur leicht entspannt. So sind immer noch rund zehn Prozent der Haushalte überschuldet, denn seit dem Jahr 2013 ist die Quote kaum zurückgegangen, wie aus dem Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Die Quote sank minimal von 10,92 Prozent auf aktuell 10,57 Prozent. Damit liegt die Hansestadt sogar über dem bundesdeutschen Durchschnittswert von 9,92 Prozent. Als überschuldet gilt, wer seinen Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht mehr nachkommen kann.

In Hamburg haben 160.000 Personen massive Zahlungsprobleme. Im Schnitt haben sie 34.000 Euro an Verbindlichkeiten angehäuft, die sie nicht mehr begleichen können. Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der überschuldeten Haushalte an der Elbe um rund 2000 reduziert.

Mit diesem Trend koppelt sich die Hansestadt von der bundesweiten Entwicklung ein wenig ab. „Die Überschuldungssituation der Verbraucher in Deutschland hat sich in den letzten zwölf Monaten nochmals verschlechtert“, sagt Michael Bretz von Creditreform. Denn bundesweit nimmt die Überschuldung zu, 43.000 neue Fälle werden gezählt.

„Über die Verhältnisse leben, ist nicht das typische Bild der Schuldner“

Im Vergleich der Bundesländer liegt Hamburg mit seiner Schuldnerquote auf dem zehnten Rang. Die nördlichen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein weisen ähnliche Schuldnerquoten auf. Nur Bremen fällt ab. Es hat seit Jahren mit 14,08 Prozent die höchste Schuldnerquote in Deutschland. Die geringsten Quoten haben Bayern (7,12 Prozent) und Baden-Württemberg 8,09 Prozent.

„Wir spüren in der Schuldnerberatung eine leichte Entspannung“, sagt Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Wartezeit, bis es zu einer Erstberatung kommen kann, habe sich innerhalb von einigen Jahren von sechs auf zwei Monate reduziert. „Aber die Verbraucher kommen immer noch zu spät in die Beratung. Die Schulden haben dann schon ein zu großes Ausmaß erreicht“, sagt Föller. Männer sind von der Entwicklung stärker betroffen als Frauen. Denn Männer haben im Schnitt 42 Prozent höhere Schulden als Frauen.

Arbeitslosigkeit, Scheidung und Krankheit sind die Hauptursachen für eine Überschuldung, geht aus dem Schuldneratlas hervor. Erst an vierter Stelle steht eine unwirtschaftliche Haushaltsführung, also ein höherer Konsum als man sich ihn leisten kann.

„Über die Verhältnisse leben, ist nicht das typische Bild der Schuldner“, sagt Föller. 70 Prozent geraten mehr oder weniger unverschuldet in die Überschuldung, so die Verbraucherschützerin. Zwar werden Konsumgüter wie Auto, Fernseher oder Sofa auf Kredit gekauft. „Zu einem Problem wird das aber erst, wenn andere Ereignisse wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Trennung hinzukommen“, sagt Föller. Ein kleiner Teil der Überschuldeten hat sich mit Immobilien übernommen, weiß die Expertin. Sie haben entweder eine Schrottimmobilie erworben oder sind mit einer anderen Immobilie in Zahlungsschwierigkeiten geraten, weil sich ihre Lebensumstände dramatisch verändert haben.

Immer mehr Senioren tappen in Schuldenfalle

Etwa jeder zweite der Ratsuchenden bezieht nach Föllers Einschätzung Hartz IV. Damit sei auch eine teilweise Begleichung der Schulden nicht möglich. Der Ausweg für die Schuldner ist das private Insolvenzverfahren. Ein Vergleich mit den Schuldnern kommt eher selten zustande. Nach einer sechsjährigen „Wohlverhaltensphase“ werden in der Privatinsolvenz die Schulden erlassen.

Zwar ist seit Mitte 2014 ein dreijähriges Insolvenzverfahren möglich. „Aber die Auswirkungen werden überbewertet“, so Föller. Kaum einer sei in der Lage die Bedingungen zu erfüllen. Schuldner müssen in den ersten drei Jahren 35 Prozent der Forderungen der Gläubiger und die Kosten des Verfahrens begleichen.

Die Schuldner mit Zahlungsschwierigkeiten sind in Hamburg sehr unterschiedlich verteilt, wie die Auswertung nach Postleitzahlen zeigt, die nicht ganz mit den Stadtteilen identisch sind. In Harvestehude, Eppendorf und Hoheluft-Ost liegt der Anteil der überschuldeten Haushalte nur zwischen fünf und sechs Prozent. Dagegen ist auf St. Pauli (20,94 Prozent), in Ro­thenburgsort (20,46) und Wilhelmsburg rund jeder fünfte Haushalt überschuldet. Die höchste Überschuldungsquote hat Wilhelmsburg mit 22,92 Prozent.

Neu in der bundesweiten Entwicklung ist, dass immer mehr Senioren in die Schuldenfalle tappen. So stieg die Zahl der über 60-Jährigen mit Schulden, die sie nicht mehr vollständig bedienen können, in den vergangenen zwei Jahren drastisch an. Bei den 60- bis 69-Jährigen um 12,4 Prozent, bei Senioren ab 70 sogar um 35,4 Prozent. Eine Ursache ist, dass immer mehr Rentner auf die sogenannte Grundsicherung angewiesen sind, weil die Rente zu gering ist. Seit 2005 stieg der Anteil der Betroffenen um 49 Prozent.