Hamburg. Unsicherheit bei Flüchtlingen auf dem Weg nach Schweden wächst, aber Chaos bleibt noch aus. Kirchen schaffen neue Schlafplätze.
Nachdem Schweden am Donnerstagmittag mit Passkontrollen an seinen Grenzen begonnen hat, wächst am Hamburger Hauptbahnhof die Unsicherheit vieler Flüchtlinge. „Es ist etwas chaotischer als in den Vortagen“, sagt ein ehrenamtlicher Helfer. „Die Leute wollen wissen, wie weit sie kommen – mit und ohne Pass.“ Ein zunächst erwarteter Rückstau abgewiesener Flüchtlinge blieb bis zum Abend aber aus. Laut Innenbehörde hatten die schwedischen Grenzkontrollen „keine akuten Auswirkungen“. Noch werde von Extramaßnahmen abgesehen, Hamburg sei nicht direkt betroffen.
Anders schätzte man die Lage in Schleswig-Holstein ein. Seit Donnerstag werden aus Bayern überstellte Flüchtlinge vorerst nicht mehr aufgenommen. Innenminister Stefan Studt (SPD) sagte, die Maßnahme sei mit der Bund-Länder-Koordinierungsstelle abgesprochen. Das Land habe zuletzt mehr Asylbewerber beherbergt als nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen.
Aus Sorge vor einem Rückstau von Transitflüchtlingen wurden in Lübeck Turnhallen mit zunächst 250 Betten als Notquartiere vorbereitet. Am Morgen waren nach Angaben des Lübecker Flüchtlingsforums aber noch 120 Flüchtlinge ohne Passkontrollen mit der Fähre gestartet. Nach Abendblatt-Informationen verwehrten die schwedischen Behörden etwa 100 Flüchtlingen die Einreise, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Rund 1000 Flüchtlinge täglich hatten im Oktober Schleswig-Holstein über die Fährhäfen Kiel, Lübeck und Puttgarden auf dem Weg nach Skandinavien passiert.
Kirche weitet Engagement in Hamburg aus
Am Hamburger Hauptbahnhof drängten sich Männer, Frauen und Kinder um einen Infotisch. Dass man nur mit gültigen Papieren nach Schweden komme, nahmen die meisten gelassen. Einige entscheiden sich dennoch sicherheitshalber für den Landweg über Flensburg.
Für Entlastung am Hauptbahnhof dürfte die „Neue Burg“ am Hopfenmarkt sorgen. Hier wurden am Donnerstag erstmals 200 Transitflüchtlinge untergebracht. Das Hochhaus am Mahnmal St. Nikolai gehört dem Kirchenkreis Hamburg-Ost, der mit dem Erzbistum Hamburg, dem Caritasverband und der Stadtmission ein Bündnis gebildet hat, um bis zu 280 am Hauptbahnhof Gestrandeten nachts ein Dach über dem Kopf bieten zu können.
Gleichzeitig wird das Übernachtungsangebot in den Räumen der Caritas an der Danziger Straße in St. Georg verlängert. Im Haus der kirchlichen Dienste konnten durchreisende Flüchtlinge seit September im Festsaal übernachten. Die „Neue Burg“ soll zunächst bis Ende März bereitstehen. Für diese Zeit hat das Kirchenbündnis fünf Jugendliche aus der Unterstützerszene vom Hauptbahnhof fest angestellt. Sie sollen dafür sorgen, dass der Betrieb abends und morgens möglichst reibungslos funktioniert. Dazu gehört, die Sicherheitsdienste einzuweisen, Spenden zu verwalten oder darauf zu achten, dass die Duschzeiten (maximal fünf Minuten) eingehalten werden.
Unterstützung von Hotels und Unternehmen
Das seit eineinhalb Jahren leer stehende Gebäude sei der Stadt schon vor langer Zeit für die Flüchtlingsunterbringung angeboten worden, so Isa Lübbers, Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost. „Weil sie darauf nicht formal eingegangen ist, haben wir uns entschieden, bei der Flüchtlingsversorgung einzuspringen.“
Das Haus wurde innerhalb von zwei Wochen revitalisiert. Es wurden vier Duschen eingebaut, ein Behandlungszimmer, eine Brandschutzwand und ein zweiter Fluchtweg. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Bauabteilung des Kirchenkreises Hamburg-Ost, der auch die hauptamtlichen Mitarbeiter für den Betrieb der beiden Standorte stellt. Bis März rechnet das Kirchenbündnis mit Gesamtausgaben im sechsstelligen Bereich.
„In der Vorbereitungszeit wurden wir grandios unterstützt“, sagt Wolfgang Främke vom Kirchenkreis. Die 280 Matratzen stammen aus einer großen Sammelspende, die der Besitzer des Pyjama Park Hotels an der Reeperbahn initiiert hatte. Das Hotel Lindner brachte Bettdecken vorbei. Und der Getränkehersteller Lemonaid stiftet Sitzgelegenheiten. An den Standorten „Neue Burg“ und Danziger Straße sind täglich 30 Freiwillige mit der Versorgung der Flüchtlinge beschäftigt – außerdem Dolmetscher und Ärzte.