Hamburg/Essen. Hamburger Filialen freuen sich über schwarze Zahlen. Norderstedt schreibt nach größeren Investitionen noch Verluste.
Noch vor wenigen Monaten sah die Welt bei Karstadt ziemlich düster aus. Im Frühjahr hatte der Konzern die gebeutelten Beschäftigten mit der Aussage geschockt, dass fünf weitere Warenhäuser schließen müssen. Im Norden war davon das Haus in Neumünster betroffen, auch in Billstedt ist Karstadt mittlerweile Geschichte und hinterlässt eine große Lücke in der Fußgängerzone.
Dass jetzt von schwarzen Zahlen gesprochen wird, markiert nach der langen Leidenszeit eine entscheidende Wende im Konzern. Eine Nachricht, die Mut für die Zukunft macht. „Wir verdienen an der Ladenkasse wieder Geld. Das war viele Jahre nicht der Fall“, sagte jetzt der seit einem Jahr amtierende Konzernchef Stephan Fanderl. Operativ habe Karstadt im zurückliegenden Geschäftsjahr 2014/15 (30. September) ein positives zweistelliges Millionenergebnis erzielt.
In der Vergangenheit galt das Gegenteil: 2009 hatte der Konzern Insolvenz angemeldet, war von Milliardär Nicolas Berggruen gekauft, aber dann von diesem vermeintlichen Retter an den Investor René Benko weitergereicht worden. In der Zwischenzeit jagte eine schlechte Nachricht die nächste: Tausende Beschäftigte mussten gehen, die verbliebenen Mitarbeiter hatten immer wieder Einschnitte bei den Gehältern zu verkraften, der Online-Handel machte den Geschäften in den Fußgängerzonen das Leben zunehmend schwerer.
„Unterm Strich sind wir noch nicht ausgeglichen“, räumte Fanderl am Donnerstag ein, „und unser Umsatz ist moderat zurückgegangen“. Aber: Den Konzern drückten keine Bankschulden, der Bargeldbestand habe sich erheblich verbessert und liege jetzt bei deutlich über 200 Millionen Euro.
Als Gründe für die verbesserte Lage nannte er Umstrukturierungen und eine effizientere Logistik: Vom Wareneingang bis zur Kasse funktioniere heute alles anders. Das Unternehmen komme mit 20 Prozent weniger Lagerbestand aus. „Damit erzielen wir bessere Margen, unsere Umsätze sind gesünder“, zählt er die Vorteile der neuen Organisation auf. „Wir haben nicht nur erheblich Hierarchie und Verwaltung abgebaut, sondern mit unserer neuen Vertriebsstruktur jetzt wesentlich mehr PS dort, wo die Verkäufer sind.“
In Zukunft sollen die Häuser besser auf regionale Kundenwünsche reagieren. „Für jedes Haus wollen wir aus unseren 16 Millionen Artikeln ein eigenes Sortiment entwickeln“, sagte Fanderl. Dabei solle der Schwerpunkt weniger auf Mode liegen – anders als bei Kaufhof, die verstärkt mit Fashion-Abteilungen Kunden locken wollen.
Das alte Management unter dem früheren Besitzer hatte den Modeanteil bei Karstadt erheblich ausgebaut – und zwar vor allem mit sehr jungen und trendigen Marken. Diese Strategie sei jedoch nicht aufgegangen, gab Fanderl zu. Heute müsse der Konzern vielmehr in der Lage sein, bei den einzelnen Häusern von Schreibwaren bis zu Elektrogeräten das richtige Angebot zu bieten. „Wenn im Umkreis zum Beispiel kein starker Schreibwarenhändler sitzt, dann müssen wir diese Kategorie verstärken. Die zentrale Frage lautet: Womit gewinnen wir in Mönchengladbach, in Norderstedt oder in Wiesbaden?“, beschreibt Fanderl die Herausforderungen der nächsten Monate.
Apropos Norderstedt. Dieses Haus schreibt nach wie vor Verluste. Während die Standorte Mönckebergstraße, Eimsbüttel, Harburg, Wandsbek und Bergedorf (Classic und Spezial) sich über Gewinne freuen, bereitet Norderstadt dem Management noch Kopfzerbrechen. „Norderstedt schreibt noch keine schwarzen Zahlen, weil diese Filiale in den vergangenen Jahren mit großem Aufwand renoviert wurde“, sagte Karstadt-Verbundleiterin Eleonore Jennes. „Die Kollegen dort arbeiten sehr hart und machen einen tollen Job, müssen aber sozusagen gegen dieses Investment anverdienen. Ich mache mir aber um Norderstedt keine Sorgen, denn dieser Standort ist sehr attraktiv, und viele Menschen, die unter der Woche nach Hamburg pendeln, kaufen dort am Wochenende gerne ein – sozusagen vor ihrer Haustüre.“ Das Alsterhaus indes zählt im engeren Sinne nicht mehr zu Karstadt, da es mit anderen Luxusanbietern in München separat geführt wird, es ist ausgegliedert wie auch die Sportfilialen.
Karstadt-Chef Fanderl versprach auch weitere Verbesserungen in den Häusern: Im neuen Geschäftsjahr sei ein zweistelliger Millionenbetrag für Investitionen in zunächst sechs Filialen eingeplant. Das seien 30 Prozent mehr als im Vorjahr. „Wir entscheiden Investments Haus für Haus“, sagte Fanderl, der sich zu den betroffenen Geschäften nicht äußern wollte. Es werde dort investiert, wo der Kunde es sehe und wo es schnell zu Verbesserungen im Umsatz führe. Investitionen in rückwärtige Bereiche, Böden oder Decken seien jetzt nicht entscheidend.
Nicht nur für das Aussehen der Abteilungen, sondern auch für das Personal will Fanderl Geld ausgeben. In diesem Jahr bekommen die Angestellten ein Weihnachtsgeld, eine überraschende Ankündigung für die 14.000 Mitarbeiter, die bisher anderes gewohnt waren als gute Nachrichten.