Hamburg. Bei der Aktion „Jugend testet“ nehmen junge Hamburger Konsumgüter unter die Lupe. Den Wettbewerb gibt es bereits seit 1979.

Tiefkühlpizza ist der absolute Oberrenner. Kennt jeder, kann jeder, mag jeder. Im Namen der Wissenschaft ist kein Produkt häufiger von jugendlichen Endverbrauchern aufgetaut und abgenommen worden. Folglich haben Generationen von Heranwachsenden mögliche Oberflächenstrukturen, Bräunungsgrade und Randhärteskalen beschrieben. Die Vermessung der Tiefkühlpizza gilt als weitgehend abgeschlossen, sie ist das beliebteste Testobjekt deutscher Jugendlicher. Hinreichend überprüft sind auch die Qualitätsversprechen sämtlicher Nagellack- und Buntstiftanbieter.

Deutlich origineller geht es aber auch beim gerade gestarteten Bundeswettbewerb „Jugend testet“, einer Aktion der Stiftung Warentest. Drei Hamburger Jugendliche sind jedenfalls zuversichtlich, geeignete Testobjekte gefunden zu haben. In diesem Jahr bewertet etwa der Iserbrooker Samuel Dalke vom Sofa aus die Nutzerfreundlichkeit von Spiele-Apps. Karina Ernst und Kausar Nakdali aus Billstedt testen in 36 Schattierungen erhältliche Haarkreide – ein Produkt für Leute, die ihre Endfrisur noch nicht gefunden haben. „Wir haben auch schon bei Jugend forscht mitgemacht“, sagt Kausar. „In diesem Jahr haben wir aber eine neue Herausforderung gesucht.“ Und Jugend testet gefunden.

Den Wettbewerb gibt es bereits seit 1979. „Ziel ist es, Jugendliche zu kritischen Verbrauchern zu erziehen“, sagt Cindy Böhme, Sprecherin der Stiftung Warentest. „Sie sollen ihr Konsumverhalten hinterfragen, statt blind den Lippenstift zu kaufen, den ein Blogger empfiehlt.“ Schirmherr der Aktion ist Heiko Maas (SPD), Bundesminister für Verbraucherschutz. Im vergangenen Jahr haben 2000 Jugendliche etwa 500 Testberichte eingereicht. Gewonnen haben zwei Mädchen mit einer Qualitätsübersicht zum Thema Fahrradklingeln. Aber auch Schimmel-Reiniger, Knallerbsen oder Übersetzungsprogramme wurden schon getestet. Das Thema ist frei wählbar.

„Meine Lehrerin hat das Projekt vorgestellt“, sagt Samuel. „Und ich fand das interessant.“ Er besucht die achte Klasse der Stadtteilschule Blankenese, seit einigen Tagen verwendet er „ungefähr eine Stunde pro Tag“ Apps für Testzwecke. Dann setzt er sich aufs Sofa, startet das Smartphone oder das Tablet und nimmt zehn Apps in Augenschein. „Ich achte auf die Qualität der Grafik, auf die Nutzungseigenschaften, die Auflösung und den Spielspaß.“ Spätestens im Februar will er einen zehnseitigen Testbericht an die Stiftung schicken, in dem er Fragestellung, Untersuchungsmethode und Ergebnisse auflistet. Später selbst in die Spieleentwicklung will er aber nicht. „Ich bin nicht so der Master in Mathe.“

Das Ziel eines anständigen Testberichts verfolgen auch Karina und ­Kausar vom Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek. Ihr Ansatz beim Thema Haarkreide war, dass es sich um ein relativ unbekanntes Produkt handelt. „Dabei wollen wir herausfinden, ob diese Haarfärbemittel etwas taugen“, sagt Karina. Die Preisunterschiede sind schon mal enorm. Zehn Euro kostet etwa die 36-Farben-Variante, bei einem anderen Unternehmen gibt es dafür nur eine Farbe. Ein bis zwei Haarwäschen sollen genügen, um die Kolorationen wieder herauszubekommen. „Das ist für Leute interessant, die keine Tönung oder echte Farbe benutzen wollen“, sagt Kausar. Waschbeständigkeit, Farbeffekt, Festigkeit und Anleitung stehen in ihrem Testkatalog. Zweimal pro Woche haben die Zehntklässlerinnen das Fach Experiment. In der Schule sollen die Produkte auch in ihre Einzelteile zerlegt werden.

Während Samuel seine eigene Testperson ist und keiner Kontrollinstanz in der Schule Rechenschaft schuldig ist, behandeln Kausar und Karina ihr Thema auch im Unterricht und reiben anderen Leuten ihre Kreide auf den Kopf. „Jungs dafür zu gewinnen, ist natürlich schwierig“, sagt Karina. Aber es sei notwendig, um ihre Tests möglichst breit aufzustellen. Spaß mache es den Mädchen natürlich auch, die Produkte auszuprobieren.

Laut Stiftung Warentest soll das der Hauptantrieb sein, der „Spaß am gemeinsamen Testen“. Am Ende stehe die Jury wie jedes Jahr vor der schwierigen Aufgabe, Gewinner in den Bereichen „Produkte“ und „Dienstleistungen“ zu küren. Nutzen, Systematik und Verständlichkeit der Arbeiten fließen dabei genauso in die Bewertung ein wie Erkenntniswert oder Originalität. Mit umfangreichen Tiefkühlpizza-Tests hat man da schlechte Karten.

Mitmachen bei „Jugend testet“

Wer?
Am Jugendwettbewerb der Stiftung Warentest können alle Zwölf-bis 19-Jährigen teilnehmen
Wie?
Bis zum 30. November meldet man sich unter www.test.de/jugendtestet an und schlägt ein Thema vor
Was?
Getestet werden können Produkte oder Dienstleistungen nach Wahl – je origineller, desto besser
Wieso? Weshalb? Warum?
Jugendliche sollen ihr Konsumverhalten hinterfragen und bis zum 15. Februar 2016 einen Testbericht schreiben. Die Kosten für die Produkte tragen sie selbst, Gewinner erhalten ein Gesamtpreisgeld in Höhe von 12.000 Euro