Hamburg. Wer darf beim Referendum abstimmen, was sagen Unterstützer, was Gegner? Das Abendblatt hat die wichtigsten Fragen und Antworten.
Der Countdown läuft. Am Abend des 29. November wissen wir, ob Hamburg seine Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 fortsetzen kann. Vom 26. Oktober an werden die (Brief-)Wahlunterlagen für das Referendum verschickt. Das Abendblatt wird Sie bis zum Wahltag auf einer täglichen Sonderseite über das Für und Wider der Kampagne informieren. Olympiabefürworter, -skeptiker und -gegner werden wie immer bei uns ausführlich zu Wort kommen. Dazu stellen wir Ihnen Hamburgs jugendliche Olympiakandidaten für 2024 vor (siehe unten rechts), werfen einen Blick in die Geschichte der Sommerspiele (Spalte rechts) und machen Sie mit den Paralympics bekannt (unten links). Zum Auftakt stellen wir die derzeit wichtigsten Fragen zur Hamburger Olympiabewerbung.
Wer darf beim Referendum abstimmen?
Alle Deutschen im Alter ab 16 Jahren (Stichtag: 29. November), die im Hamburger Stadtgebiet seit mindestens drei Monaten gemeldet sind. Das sind rund 1,3 Millionen Personen. 20 Prozent der Wahlberechtigten und die Mehrheit der Wählenden müssen mit Ja stimmen. Das Quorum wurde auf 259.883 Wähler festgelegt. Votieren 100 Prozent der Wähler mit Ja, aber nur 258.000 nehmen an der Wahl teil, wäre das Olympiareferendum gescheitert.
Ist das Ergebnis für den Senat bindend?
Bei einem Nein hat sich die Bewerbung erledigt. Bei einem Ja könnte die Bürgerschaft mit einfacher Mehrheit das Ergebnis des Referendums aushebeln. Das würde dann geschehen, wenn die Spiele Hamburg finanziell überforderten. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, der Senat würde die Bewerbung stoppen, wenn die Stadt mehr als die veranschlagten 1,2 Milliarden Euro zahlen müsste.
Wie ist die Stimmung in der Stadt?
Die bisher letzten repräsentativen Meinungsumfragen stammen von Anfang September, also in den Wochen vor der Zuspitzung der Flüchtlingskrise. Damals begrüßten zwischen 62 und 64 Prozent der befragten Hamburger 2024 Spiele in ihrer Stadt. Bundesweit wünschten sich 75 Prozent wieder mal Olympische Spiele in Deutschland.
Wie sieht der Zeitplan bis 2017 aus?
Hamburg hat sich für Deutschland am 9. September um die Ausrichtung der Spiele der XXXIII. Olympiade beworben. Bis zur Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im September 2017 in Lima (Peru) über den Ausrichter 2024, kann die Kandidatur jederzeit ohne Konsequenzen zurückgezogen werden. Während der drei Bewerbungsphasen müssen die Kandidatenstädte von Februar 2016 bis Mai 2017 zu drei Terminen Unterlagen einreichen – zum Konzept, den Sportstätten, zu Finanzierung, Visionen, Organisation, Sicherheit. Insgesamt werden 250.000 Dollar Bearbeitungsgebühren fällig, umgerechnet 220.000 Euro.
Wer sind Hamburgs vier Konkurrenten?
Los Angeles (Olympia-Ausrichter 1932 und 1984), Paris (1900 und 1924), Rom (1960) und Budapest.
Wie stehen Hamburgs Chancen?
Hamburgs Konzept entspricht exakt den Anforderungen der IOC-Reformagenda 2020 an Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung und olympischem Erbe. Budapest plant ähnlich, Los Angeles, Paris und Rom setzen auf vorhandene Sportstätten. Favoriten sind Paris und Los Angeles. Hamburg hat nur dann eine Chance, wenn die rund 100 stimmberechtigten IOC-Mitglieder ihre eigenen Vorgaben ernst nehmen.
Wie sagen die Olympiabefürworter?
Die weltweite Bekanntheit Hamburgs stiege immens, eine preiswertere Werbung für die Stadt gibt es nicht. Das könnte zu mehr Tourismus, zur Ansiedlung neuer Betriebe, zum Zuzug von Fachkräften führen. Hamburg würde nachhaltig wachsen, was auch die Integration der Flüchtlinge erleichterte. Positive Effekte auf Beschäftigung und Einkommen wären wahrscheinlich, auf dem Kleinen Grasbrook erstünde der weltweit erste inklusive Stadtteil. Für den Einsatz von 1,2 Milliarden Euro würde Hamburg ein Vielfaches als Gegenwert erhalten. Und: Olympische und Paralympische Spiele sind die größte globale Veranstaltung, mehr als 200 Nationen nehmen teil. Stärkere Impulse für Völkerverständigung entstehen nirgendwo sonst.
Wer sind die Olympiabefürworter?
70 Prozent der Hamburger Unternehmen halten Olympia für einen Gewinn für die Stadt, sehen darin ein Konjunkturprogramm. Die Zustimmung geht aber durch alle Bevölkerungsschichten. Fünf der sechs Rathausparteien begrüßen die Bewerbung.
Wie argumentieren die Olympiagegner?
Das sagt NOlympia: Olympische Spiele sind Geldverbrennungsmaschine. Sie führen zu Turbo-Gentrifizierung und zu nachweislich exorbitanten Miet- und Immobilienpreissteigerungen. Sie sind nicht nachhaltig. Sie schränken in der Zeit der Spiele Freiheitsrechte ein. Der Host City Contract mit dem IOC ist ein Knebelvertrag, der alle Risiken den Gastgebern überlässt. Die Kosten für die Sicherheit sind mit rund 460 Millionen Euro viel zu niedrig angesetzt, in London lagen sie 2012 bei rund 1,2 Milliarden Euro. Der Bund für Umwelt und Naturschutz beklagt durch die Umsiedlung der Hafenbetriebe gravierende ökologische Auswirkungen und dass aus finanzieller und umweltpolitischer Sicht viele Fragen noch unbeantwortet sind. Hochschulprofessoren kritisieren vor allem die manipulative Fragestellung beim Referendum und dass wesentliche Gefahren vom Senat bisher nicht erwähnt worden seien.
Wer sind die Olympiagegner?
Als einzige Rathauspartei positioniert sich Die Linke klar gegen Olympia. Die Gegner kommen – wie die Befürworter – jedoch aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Vor allem ältere Menschen haben Bedenken.
Wie teuer wird Olympia?
Hamburg hat seinen Finanzreport vorgelegt, beziffert die Kosten auf 14,8 Milliarden Euro. 3,6 Milliarden sollen private Investoren tragen, 3,8 Milliarden werden an Einnahmen erwartet, 7,4 Milliarden müsste die öffentliche Hand übernehmen, 6,2 Milliarden davon der Bund, 1,2 Milliarden Hamburg.
Warum will der Bund weniger zahlen?
Hamburg möchte einen neuen Stadtteil bauen, den Hauptanteil der Kosten hätte dafür die Stadt zu tragen.
Was spricht für Hamburgs Position?
Allein mit dem innovativen Konzept, dass auf dem Kleinen Grasbrook dank Olympia ein neuer Stadtteil entstünde, hat Hamburg überhaupt eine Chance auf den Zuschlag des IOC. Will Hamburg von 2020 an die verfassungsrechtliche Schuldenbremse einhalten, kann die Stadt nicht mehr als insgesamt 1,2 Milliarden zahlen, ohne andere (soziale) Projekte zu vernachlässigen. Rechnet man die 3,6 Milliarden Euro im Olympiabudget eingeplanten privaten Investitionen hinzu, würde Hamburg – wie vom Bund ursprünglich verlangt – ein Drittel der Gesamtkosten von 14,8 Milliarden Euro übernehmen.
Wird es zu einer Einigung kommen?
Zurzeit sind die Fronten verhärtet. Dass der Bund eine deutsche Olympiabewerbung an einer oder zwei Milliarden Euro, zu zahlen über sechs oder sieben Jahre, scheitern lässt, scheint wiederum unwahrscheinlich.
Würde Hamburg wirklich aussteigen?
Ja! Bürgermeister Scholz hat sich in diesem Punkt festgelegt.
Wie teuer war die Bewerbung bisher?
Rund sechs Millionen Euro. Das Geld wurde vor allem für Architektenhonorare und Finanzplanungen ausgegeben. Insgesamt könnte die Kampagne bis September 2017 rund 50 Millionen Euro kosten. Die deutsche Wirtschaft will davon die Hälfte zahlen.