Hamburg. Bei der Diskussionsrunde „It’s your choice“ zu Olympia hinterfragen die Schüler der Berufsschule St. Pauli den Planungsstand

Neue Runde bei der „It’s your choice“-Tour zum Thema Olympia. Einmal mehr diskutierten Politiker mit Schülern über die Chancen und Risiken der hamburgischen Bewerbung um die Spiele. Und es wird immer spannender, denn der Countdown läuft. Am 29. November – also in knapp sechs Wochen – entscheiden die Bürger per Referendum über die Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele in der Stadt.

In der Beruflichen Schule St. Pauli hatte der Grüne Bürgerschaftabgeordnete Farid Müller am Freitag keinen leichten Stand. Denn nach den krankheitsbedingten Absagen der Teilnehmer von CDU und SPD war er auf dem Podium der einzige Befürworter der Spiele in Hamburg. Neben Müller stellten sich nur noch Martin Dolzer (Linke) und Horst Domnick von der Volksinitiative „Stop Olympia“ den Fragen der Schüler. Die erwiesen sich auch noch am letzten Tag vor den Herbst­ferien als erstaunlich motiviert und aufnahmefähig.

FDP und AfD hätten es vorab gar nicht erst „auf die Reihe gekriegt“, einen Vertreter für die Gesprächsrunde zu benennen, so der selbstbewusste Moderator Bernd Fiedler, der auch Projektleiter von „It’s your choice“ ist.

Müller lief trotz des Ungleich­gewichts zu Hochform auf. Mal pathetisch, mal humorig warb er voller Energie für Hamburg als Austragungsort der Spiele – „ohne Gigantismus“. Der Grünen-Politiker hatte im Laufe des Vormittags die meisten Wortbeiträge – und kassierte laufend den stärksten Applaus. Hatte sich die Gruppe der rund 150 zuhörenden Schüler zunächst noch fast genau zur Hälfte in Olympiabefürworter und -gegner aufgeteilt, gab es nach rund 90-minütiger Diskussion dann auch eine deutliche Mehrheit für die Spiele in der Stadt.

Über weite Strecken der Diskussion ging es vor allem um die Kosten der Spiele für die Stadt (siehe auch Bericht Seite 12). Martin Dolzer begründete die Anti-Olympia-Haltung seiner Fraktion damit, dass die Spiele zu einem rein kommerziellen Unterfangen verkommen seien, bei dem nur das IOC profitiere. Horst Domnick sekundierte: „Da mischen Konzerne mit Erpressungspotenzial mit.“

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Schüler Joel erinnerte daran, dass der Bund bereits signalisiert habe, dass ihm eine Beteiligung von mehr als sechs Milliarden Euro zu viel sei – „Unterstützung für Hamburg sieht ja wohl anders aus.“ Zustimmendes Nicken von Dolzer und Domnick, viel Applaus der Mitschüler. Als es da fast schon wirkte, als sei die finanzielle Unterstützung aus Berlin so gut wie verloren, kam Farid Müller richtig in Fahrt: „Das ist doch nur Poker“, so der Politiker, eine echte Absage aus Berlin käme „politischem Selbstmord“ gleich. Müller: „Aber wenn der Bund nicht will, dann lassen wir’s eben mit der Bewerbung.“ Schüler Elek hakte nach: „Was, wenn es nun alles doch mehr kostet, wer trägt das?“ Darauf Müller: „Der Haushaltsausschuss wacht darüber, dass Hamburg nicht mehr ausgibt als 1,2 Milliarden Euro, Punkt, Ende, Aus.“ Laut Martin Dolzer sehe Berlin die Seriosität der Finanzierung durch Hamburg gar nicht gewährleistet. Konter Müller: „Der Bund hat sich dazu gar nicht dezidiert geäußert. Ich möchte mal wissen, wo das stehen soll.“

Unwidersprochen blieb dagegen eine Anmerkung von Schülerin Susanne, wonach durch die vielen Besucher der Spiele ja auch viele Abgase und viel Müll produziert würden. „Ja genau“, sagte Dolzer, „und gleichzeitig belegen Untersuchungen, dass zum Beispiel in London die Tourismuszahlen während der Spiele deutlich zurückgingen.“

Ob es letztlich nicht sinnvoller sei, das viele Geld für die Flüchtlinge aufzuwenden, wollte Sarah aus Klasse 12 wissen. „Wir sind jetzt gezwungen, für die Flüchtlinge viele Sozialwohnungen zu bauen, und das tun wir auch“, antwortete Farid Müller. Aber zu deren Unterstützung müsse man für Ausbildungs- und Arbeitsplätze auch die Wirtschaft mit ins Boot holen, und die werde durch die Spiele einen enormen Schub erfahren. Müllers Fazit: „Ich bleibe dabei: Hamburg ist eine welt­offene Stadt, und so wird es auch bleiben.“ Das sah Linken-Politiker Martin Dolzer anders, der durch die Spiele auch die Bürgerrechte bedroht sieht. „Es ist zu befürchten, dass Hamburg zu einem riesigen Gefahrengebiet mit rassistischen Kontrollen wird“, so Dolzer.

Skepsis auch bei Horst Domnick, der das zu bauende olympische Dorf mit einer zweiten HafenCity verglich, die sich letztlich „keiner von uns“ leisten könne. Auch in London seien die Mieten nach den Olympischen Spielen massiv gestiegen, kritisierte Dolzer ergänzend, das drohe auch Hamburg.

„Quatsch“, erwiderte Müller. „Wir werden bei allen Neubauten auf den vorgeschriebenen Drittelmix achten, alles andere wäre doch total irre.“