Altstadt. Janina Otto, Tochter des Konzern-Chefs, ist Entwicklungshelferin und meidet die Öffentlichkeit – außer für den guten Zweck.
Unendlich glücklich und zufrieden war Janina Otto erst in Kenia. Im tiefsten Busch, in einer Blockhütte. Oder in den Dörfern einheimischer Freunde. Um sie herum nur die gewaltige Natur, Giraffen, Zebraherden. Erfüllt von ihrem Handeln als Entwicklungshelferin. Sehr frei und tief in sich ruhend, so habe sie sich dort gefühlt. Ein bisschen wehmütig, dabei glücklich sieht die 42-Jährige aus. Mädchenhaft gerötet sind ihre Wangen, schließlich sei es ihr erstes Interview. Was man getrost als ungewöhnlich bewerten darf. Jedenfalls, wenn man um die Herkunft Ottos weiß: Janina Otto ist die Tochter von Christl und Michael Otto. Genau, der Otto-Versand. Spross aus einer der bekanntesten Familien Deutschlands. Tochter eines erfolgreichen Unternehmers und Stifters. Interviews und öffentliche Auftritte hätte sie reichlich absolvieren können, auf allen roten Teppichen wäre sie willkommen gewesen.
Doch Janina Otto zog Afrika vor. Tauchte einfach irgendwann ab. Dorthin, wo ihr Familienname keine Bedeutung hatte. Lange bereiste sie Namibia, Botswana, Südafrika und Simbabwe, blieb in Kenia „hängen“, wie sie enthusiastisch erzählt: „Ich bin dort mit dem Leben und den Menschen verschmolzen, habe alles in mich aufgesogen. Ich wollte eins werden mit der Natur und Kultur.“
Afrika-Safari gab den Ausschlag
Die Liebe zu Afrika entdeckte sie als Zwölfjährige auf einer Safari mit ihren Eltern und Bruder Benjamin. „Schon damals habe ich die Menschen dort ganz anders wahrgenommen als in den Medien dargestellt. Ich bewunderte die Menschen, die im Moment leben und tanzen, die eins mit der Natur waren“, sagt sie.
Diese Anziehung ist so stark, dass sie die junge Frau nicht mehr loslässt. Afrika blieb immer ein Thema für sie. Doch erst einmal versuchte sie, das Leben zu leben, das zu ihrer Biografie zu passen schien: Praktikum beim Otto-Versand, inkognito. „Ich habe dort Pakete gepackt und Rechnungen geschrieben, weil ich diese Welt auch gern kennenlernen wollte“, sagt sie. „Mein Vater hat es sich sehr lange gewünscht, dass ich ins Unternehmen einsteige. ’Du hast doch alle Fähigkeiten dazu’, hat er gesagt“, erzählt sie offen. „Und das stimmt auch. Vielleicht hätte ich das auch machen können, aber ich spürte, dass ich in Afrika mit eben diesen Fähigkeiten wie Durchsetzungskraft, starkem Willen und Ehrgeiz viel mehr bewegen kann.“ Dennoch, bevor sie sich dem „african virus“ hingab, machte sie eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau.
Es sah so aus, als würde sie den Weg ins Familienunternehmen einschlagen. Janina Otto studierte Wirtschaftswissenschaften obendrauf. Allerdings in Witten/Herdecke, einer antroposophisch geprägten Universität. „Besonders geliebt habe ich dort Fächer wie Philosophie“, sagt sie, „aber die betriebswirtschaftlichen Fertigkeiten kamen und kommen mir später als Stiftungs-Managerin sehr zugute.“ Nicht jedoch in der Otto-Unternehmenszentrale in Bramfeld. Sondern in Nairobi.
Denn hier baute sie eine Stiftung auf, „ana kwa ana“, „Hand in Hand“, so die Übersetzung. Dort leistete sie Hilfe zur Selbsthilfe. Schafft es, Großmüttern von HIV- und Aids-Waisen durch Vermittlung von Jobs wie Korbflechten oder Seifenherstellung ein Auskommen zu verschaffen. „Wir hatten ein Stiftungsbudget von 60.000 Euro pro Jahr, für Deutschland sehr wenig, aber davon konnten wir ein Stück Land erwerben, auf dem die Großeltern Ackerbau betreiben konnten, um Maismehl herzustellen und ihre Enkel weg von der Straße holen konnten“, erklärt sie.
Projekt ist Vorbild für andere Staaten
Das Projekt gilt heute als eines der erfolgreichsten Kenias und ist Vorbild für andere Staaten. „Wichtig war mir dabei, dass die Verantwortung in der Hand der Einheimischen bleibt, sie sollen nicht abhängig sein, sondern für sich selbst sorgen können. Ich wollte den Funken zünden.“ Das hat sie geschafft. Das Feuer lodert weiter. „Das hat mich sehr glücklich gemacht.“ Glücklich bei Menschen, die nichts haben. Sie selbst kam mit „drei Hosen und fünf T-Shirts“ aus. Ein krasser Kontrast zu ihrem früheren Leben in den Elbvororten. Für Janina Otto eine „Befreiung“.
Ganz anders empfanden ihre Eltern das gewählte Leben der Tochter tausende Kilometer weit weg. Allein, auf sich gestellt. Nicht mal Handyempfang gab es zuweilen. „Meine Eltern haben mich zu Beginn gar nicht unterstützt. Es war für sie ganz fremd, sie haben es gar nicht verstanden“, sagt sie. Es gehe dabei viel um Loslassen und Vertrauen. „Natürlich, meine Eltern wollten mich immer behüten“, sagt sie, mittlerweile selbst Mutter zweier Kinder von fünf und sieben Jahren. „Der Weg von mir ist so komplett anders, als sie sich das gedacht haben.“ Wenn Janina Otto über ihren Vater und ihre Mutter spricht, spürt man den Respekt für ihr Lebenswerk und ihre Lebensauffassung. Gleichzeitig fordert sie die Akzeptanz für ihren eigenen Weg. Anders eben, aber sicher nicht weniger wert.
Mit vollster Überzeugung berichtet sie von Projekten wie dem Aufbau einer Öko-Lodge mit einheimischen Stämmen und Farmern, von ihren Kämpfen als weiße, alleinstehende Frau in der schwarzen patriachalischen Gesellschaft. Von Kinderschutzthemen, die sie aktuell als Botschafterin des World Future Councils bearbeitet. „Den starken Willen und Ehrgeiz habe ich von meinem Vater“, sagt sie und lacht ihr herzliches Lachen, „und auch, dass ich mir schlecht Namen merken kann.“ Von der Mutter Christl, die als Malerin bekannt ist, habe sie sicher ihre Kreativität geerbt.
Vor zwei Jahren Rückkehr nach Hamburg
Vor zwei Jahren, als in Afrika alle Projekte liefen, kam sie zurück nach Hamburg. Zur Freude ihrer Eltern, die die Großeltern-Rolle gern ausüben. Ihre Kinder jedoch liebten das afrikanische Leben. Der Unterschied von 30 Grad Wärme zu minus 15 Grad sei immens gewesen.
„Wir saßen dann zu dritt vor dem Kamin und haben uns aus Maismehl einen Brei gemacht und den dort auf dem Boden gegessen“, sagt sie, „und wenn ich meinen Sohn heute suche, dann ist er sicher auf einem Baum im Garten – er ist ein super Kletterer, weil er schon als Kleinkind immer mit den Affen spielen wollte, die in den Bäumen saßen.“
Sie wolle ihren Kindern eine natürliche und unbeschwerte Kindheit ermöglichen, die sie selbst nicht gehabt hatte. „Aufgrund der Bekanntheit meiner Familie konnte ich mich nicht frei entfalten“, sagt sie nur. Näher möchte sie darauf nicht eingehen. Nachname und Wohlstand ziehen eben nicht nur Freunde an, ein Aufwachsen im berühmten „goldenen Käfig“.
Dennoch, Deutschland ist auch Heimat für Janina Otto. Mit dem Umzug nach Hamburg konnte Otto einige Ämter annehmen, so ist sie Kuratoriumsmitglied der Michael-Otto-Stiftung, Mitbegründerin des Projekts „Cotton made in Africa“, das afrikanischen Baumwollbauern Absätze garantiert und deren Baumwolle in der ganzen Welt handelt.
In ihrer Botschafterrolle im Weltzukunftsrat, der seinen Sitz in Hamburg hat, macht sie sich für das Thema Kinderrechte stark, bei der alljährlichen Preisverleihung des „Future Policy Award“ wird sie erstmals über einen roten Teppich gehen. Sie lacht verlegen. „Glücklicherweise habe ich dort mehrere Rollen, als Botschafterin und Initiatorin“, sagt sie. Und dafür wagt sie sich gerne in die Öffentlichkeit.