Hamburg. Hamburger Fußballverband bestätigt Tätlichkeiten. Mehrere Fälle vor dem Sportgericht. Kommt es künftig zu Spielausfällen?
Fußball brutal – Hamburgs Schiedsrichter wenden sich in großer Not mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit, um auf die ausufernde Gewalt gegenüber den Unparteiischen auf Hamburgs Fußballplätzen hinzuweisen. Immer wieder kommt es in den Amateurligen der Hansestadt zu Gewalt und Beschimpfungen.
Der Hamburger Fußballverband stellte sich auf Abendblatt-Nachfrage hinter die Hamburger Schiedsrichter. "Nur eine einzige Tätlichkeit gegenüber einem Schiedsrichter ist schon zu viel", sagte der stellvertretende Geschäftsführer Carsten Byernetzki.
Hier lesen Sie den offenen Brief im Wortlaut
Übergriffe und Beleidigungen häufen sich. Am vergangenen Wochenende konnte das Schiedsrichtergespann um Stephan Prado Munoz nur mit Polizeischutz vom Sportplatz geführt werden. Der Vorfall könnte der Auslöser für den nun veröffentlichten offenen Brief sein. Nur wenige Tage zuvor war ein Schiedsrichter auf dem Fußballplatz angegriffen und krankenhausreif geschlagen worden.
„Vielfach werden wir ehrenamtlichen Schiedsrichter respektlos behandelt. In einigen Fällen werden wir beleidigt, bedroht oder gar körperlich attackiert“, schreiben die Sprecher des Verbands.
Zwei Vereine stehen am Donnerstag vor dem Hamburger Sportgericht
Zwei Fälle werden am Donnerstag dieser Woche vor dem Hamburger Sportgericht verhandelt. Der Verein Dersimspor (Harburg), der auf seiner Internetseite mit "Fairplay und Respekt statt Gewalt und Diskriminierung" wirbt, muss sich für einen Vorfall am 4. September verantworten. Bei der Landesligapartie gegen den Bramfelder SV kam es zur körperlichen Gewalt gegen den Schiedsrichter Mike Franke. Nach dem Schlusspfiff wurde der Unparteiische von einem Dersimspor-Fan angegriffen. Der Täter soll laut dem Schiedsrichter-Brief auf den am Boden liegenden Spielleiter eingetreten haben. Mike Franke wurde ins Krankenhaus gebracht, der Täter gefasst. Der Liga-Manager von Dersimspor, Serdar Gümüs, war zu einer Stellungnahme nicht bereit und verwies auf die laufende Verhandlung. Am Donnerstag werde der Verein sich zu dem Fall äußern.
In der ersten September-Hälfte kam zu mindestens zwei weiteren Fällen. „Über die Vorkommnisse im Rahmen der Landesliga-Spiele zwischen Elazig Spor gegen SC Schwarzenbek und FC Bergedorf 85 gegen SV Altengamme sind wir schockiert“, heißt es deshalb in dem Brief weiter. Beide Partien wurden von den Schiedsrichtern abgebrochen, weil das Schiedsrichtergespann bedroht und bedrängt worden war. Hinzu kommt die fehlende Kooperation einiger Vereine. So wird dem FC Elazig Spor (Hamburg-Mitte) laut Byernetzki vorgeworfen, Namen von mutmaßlichen Tätern nicht herauszuegben. Auch dieser Fall wird am Donnerstag vor dem Sportgericht verhandelt.
Die fehlende Kooperation in den Vorstandsetagen der Vereine kritisiert auch der Schiedsrichterverband. So würden die Verantwortlichen in den Clubs den Übergriffen oftmals nicht nachgehen, teilweise sogar die Aufklärung torpedieren. Als weiteres Beispiel wird in dem Brief auf einen Vorfall im März verwiesen, bei dem nach dem Abpfiff eines Bezirksliga-Spiels zwischen dem ASV Hamburg (Hamburg-Mitte) und Este 06/70. Nach dem Abpfiff sei der Schiedsrichter von einem ASV-Anhänger attackiert worden. Obwohl der Name des Täters bekannt sei, werde er auch nach drei Verhandlungen vor dem Sportgericht nicht genannt. Das sei ein "skandalöser Vorgang".
Die Sportgerichtsbarkeit hat jedoch auch hier ihre Grenzen. "Verhandlungen werden schwierig, sobald Fans oder Zuschauer beteiligt sind. Diese Personen sind eventuell nicht mal Mitglied des jeweiligen Vereins", erklärt Carsten Byernetzki vom Hamburger Fußballverband.
Kommentar: Schiedsrichter als Opfer
Laut Verband sinke die Zahl der ehrenamtlichen Schiedsrichter stetig, "weil viele nach negativen Erlebnissen (Beschimpfungen, Bedrohungen, etc.) die 'Pfeife wieder an den Nagel hängen' und ihre Freizeit stress- und auch angstfrei gestalten möchten". Insgesamt gibt es laut Verband zurzeit gut 3000 ehrenamtliche Schiedsrichter. Etwa 300 Unparteiische werden jedes Jahr neu ausgebildet. Allerdings hören viele junge Schiedsrichter innerhalb des ersten Jahres wieder auf, da sie "sich nicht bepöbeln lassen wollen", so Byernetzki.
Es fehle an Respekt. Das kritisiert auch der Verband in seinem Brief: „Es gilt hier festzustellen, dass einige Vereinsoffizielle ein Werteproblem haben!" Der Respekt ist vollkommen verloren gegangen". Der Hamburger Fußballverband nimmt zusätzlich die Heim-Mannschaften in die Pflicht: "Die Vereine sollten sich darauf zurückbesinnen, dass die Heimvereine verantwortlich sind für den Schutz der Schiedsrichter", appelliert Byernetzki.
Kein Anpfiff: Wie weit gehen die Unparteiischen?
Wie weit die Hamburger Schiedsrichter gehen werden, ist noch nicht bekannt. Der Verband warnt allerdings in seinem Brief eindringlich vor der aktuellen Situation. Sollte das Anliegen keine Unterstützung und Verbesserung hervorbringen, behalten sich die Schiedsrichter vor, auch andere Maßnahme zu ergreifen. Ausfälle sind laut Hamburger Fußballverband vorstellbar.