Hamburg. Das große Engagement der Hamburger wird zur Herausforderung für Behörden und Hilfsorganisationen. Es fehlt an Koordination

Die Hilfsbereitschaft der Hamburger für die rund 30.000 Flüchtlinge in der Stadt ist beein­druckend. Kaum ist bekannt, dass irgendwo eine neue Unterkunft entsteht, schon gründet sich ein Freundeskreis oder eine Flüchtlingshilfe. Bei Behörden und Wohlfahrtsverbänden melden sich täglich Dutzende Hamburger, die helfen wollen. Und wenn zum Beispiel das Hamburger Abendblatt zum Spenden aufruft, wie im Juli, dann stehen Tausende Menschen Schlange und liefern tonnenweise Hilfsgüter ab.

Mittlerweile wird jedoch die Hilfsbereitschaft selbst zur Herausforderung. Ob Behörden, Wohlfahrtsverbände oder private Initiativen – fast alle werden geradezu überrannt und schaffen es kaum noch, die Hilfe an die richtige Stelle zu leiten, geschweige denn sie sinnvoll zu koordinieren – was nicht selten zu Frust bei den Helfern führt. „Wir gehen unter in Sachspenden“, heißt es beim Roten Kreuz. Und „Fördern & Wohnen“, der städtische Betreiber von Flüchtlingsunterkünften, meldet, dass an einigen Standorten mehr Freiwillige aktiv sind, als es Flüchtlinge gibt. „Das ist gut, weil eine intensive Einzelbegleitung möglich wird“, sagte eine Sprecherin. „Andererseits kann es zu einer Unzufriedenheit kommen, wenn Überangebote nicht angenommen werden.“

Frust bei Ehrenamtlichen will die Politik unter allen Umständen verhindern

Dabei soll genau das verhindert werden. „Dieses unverzichtbare zivilgesellschaftliche Engagement gilt es zu würdigen, zu erhalten, zu bündeln und weiter zu fördern“, heißt es in einem Antrag von SPD und Grünen, den die Bürgerschaft erst kürzlich mit großer Mehrheit beschlossen hat. Konkretes Ziel des Antrags ist es, ein „Forum Flüchtlingshilfe“ aufzubauen, das alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Hilfen vernetzt und unterstützt – auch mit Geld. Doch noch ist dieses Forum im Aufbau, und so lange läuft die Flüchtlingshilfe in Hamburg mitunter chaotisch ab.

Da ist zum Beispiel die Geschichte von Bürgern, die mit dem Auto an Flüchtlingsunterkünften vorfahren und aus dem Kofferraum heraus Hilfsgüter verteilen. Das klingt zunächst ehrenwert, sorgt aber für Ärger. Denn die örtlichen Kleiderkammern bemühen sich um feste Ausgabezeiten und überwachen die Qualität und gerechte Verteilung der Hilfsgüter – auch um einen Handel damit zu verhindern. Hilfsaktionen auf eigene Faust würden nur „Unfrieden stiften“, heißt es.

Ein anderes Beispiel: Das Deutsche Rote Kreuz in Harburg betreibt Einrichtungen für Asylsuchende in Neuland und Wilhelmsburg und bekommt daher viele Sachspenden. „Die Hilfs­bereitschaft ist beeindruckend“, sagte DRK-Geschäftsführer Harald Krüger. „Sie stellt aber auch alle Hilfsorganisationen vor enorme Herausforderungen.“ Denn mittlerweile werde man derart überhäuft mit Hilfsgütern, dass das DRK eigens einen Laden anmieten musste, um die Sachen lagern und sortieren zu können – das bindet Geld und Personal, das an anderer Stelle fehlt.

Hinzu kommt, dass die Spenden mitunter in einem schlechten Zustand sind oder nicht zur Nachfrage passen – wie der riesige Müllsack, der kürzlich abgegeben wurde, so Krüger: „Der war voller Dessous.“ Wie alle Hilfsorganisationen appelliert daher auch das DRK an Spender: Bitte nur saubere und heile Artikel abgeben und solche, die wirklich gebraucht werden.

799 Hilfsangebote ließen das Postfach der Sozialbehörde überquellen

Auch der Sozialbehörde, die für den Aufbau der Folgeunterkünfte zuständig ist, macht die eigentlich willkommene Hilfsbereitschaft mitunter zu schaffen. So fand Pressesprecher Marcel Schweitzer in dem entsprechenden Mail-Postfach kürzlich 799 Hilfsangebote vor. Mehr als 200 davon hat er am Wochenende beantwortet, aber auch er sagt: „Wir bitten die Bürger um Verständnis, dass wir nicht immer sofort reagieren können.“

Und dann sind da natürlich Tausende Bürger, die helfen wollen, aber nicht so recht wissen, wie. Viele haben sich an das Abendblatt gewandt. „Können wir einfach irgendwo hingehen und werden dann eingeteilt?“, fragte eine junge Frau, die mit ihrem Partner im „Raum Flottbek, Bahrenfeld“ helfen wollte. Wolfgang R. wandte sich geradezu verzweifelt an das Abendblatt: Er nehme ein „Helfer-Chaos“ wahr und frage sich, wie er sinnvoll helfen könne: „Gibt es eine seriöse Anlaufstelle?“

Die gibt es natürlich, und dabei gilt: Hilfe ist angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen weiterhin sehr willkommen. Aber Behörden, Verbände und Initiativen freuen sich, wenn potenzielle Helfer im Vorfeld klären, wo gerade welche Hilfe benötigt wird. Hier eine Auswahl von Anlaufstellen:

Die Sozialbehörde informiert rund um das Thema Flüchtlinge

Auf ihrer Homepage hamburg.de/fluechtlinge informiert die Sozialbehörde ausführlich über die Lage. Unter anderem gibt es eine Liste mit allen Unterkünften, Tipps, welche Spenden benötigt werden (zum Beispiel Schuhe, Ober- und Kinderkleidung, Gesellschaftsspiele und Bastelmaterialien), und wie man helfen kann. Die Behörde rät, sich direkt an die ehrenamtlichen Helfer vor Ort zu wenden. Wer die nicht kennt, findet auf der Homepage auch ein E-Mail-Kontaktformular, in dem man angeben kann, in welchem Stadtteil man sich engagieren möchte, wie oft und auf welche Art. Die Behörde vermittelt das Angebot dann weiter – allerdings ist dieser Kanal derzeit stark überlastet. Zudem betreibt die Behörde den Twitter-Account „#HHhilft“ mit vielen Infos über Hilfsmöglichkeiten.

„Fördern & Wohnen“ hat innerhalb eines Jahres 1000 Helfer hinzugewonnen

Bei dem städtischen Unternehmen, das viele der fast 100 Flüchtlingsunterkünfte betreibt, sind allein drei Mitarbeiterinnen mit der Koordination der Hilfsangebote beschäftigt. Das ist auch nötig, denn die Zahl der Helfer ist seit 2014 um 1000 auf 1400 gestiegen – allerdings sind darunter auch Menschen, die sich für Obdachlose, Senioren oder Menschen mit Behinderung einsetzen. „Fördern & Wohnen“ bittet darum, diese Hilfsbedürftigen angesichts des extremen Fokus auf Flüchtlinge nicht zu vergessen. Wer helfen möchte, geht am besten auf die Internetseite foerdernundwohnen.de, unter den Stichwörtern „Unternehmen“ und „Freiwilliges Engagement“ findet man einen Fragebogen, in dem man eintragen kann, wie, wo und wem man helfen möchte. Diesen schickt man an freiwil ligenkoordination@foerdernundwoh nen.de – und geduldet sich etwas. Da jede Anfrage mit den vorhandenen Bedarfen abgeglichen werde, dauere die Bearbeitung „leider etwas länger, als wir es uns selbst wünschen“, heißt es.

Die Diakonie bietet eine vorbildliche Internetseite für Flüchtlingshelfer an

Das Diakonische Werk koordiniert die „Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit“, in der mehr als 3000 Freiwillige in mehr als 50 Ini­tiativen und Organisationen aktiv sind. Vorbildlich ist z. B. die Internetseite hamburgasyl.de: Sie informiert mittels einer interaktiven Karte darüber, wo die Initiativen aktiv sind und welche Hilfe an welchem Standort gebraucht wird – vom Deutschkursus über Kinderbetreuung und Hausaufgabenhilfe bis zur Fahrradwerkstatt.

Die Qualifizierungsangebote der Diakonie für haupt- und ehrenamtliche Helfer sind zwar momentan ausgebucht. Dennoch sagt Sprecher Steffen Becker: „Wir haben nicht zu viele Hilfsangebote. Aber manchmal nicht die passenden.“ Inzwischen brauche man weniger Helfer direkt vor Ort in den Unterkünften, aber mehr Menschen, die die Hilfe koordinieren können. Auch Becker sieht die größte Herausforderung in der Abstimmung von Behörden, Wohlfahrtsverbänden und privaten Initiativen. „Wenn wir nicht besser zusammenarbeiten, könnte sich das rächen. Dann hinterlassen wir möglicherweise viele frustrierte Ehrenamtliche.“ Vor allem der Senat stehe in der Pflicht, diese Koordinierung zu leisten.

Das Rote Kreuz betreibt selbst zwei Flüchtlingscamps im Süden der Stadt

Betreiber von zwei Flüchtlingseinrichtungen ist im DRK derzeit nur der Kreisverband Harburg. Er freut sich über Hilfe und Spenden und bittet, sich nicht direkt an die Camps in Neuland und Wilhelmsburg zu wenden, sondern zentral an die Geschäftsstelle in der Maretstraße 73. Gebraucht würden außer Kinderkleidung, Windeln und Babyflaschen auch Koffer und Reisetaschen zum Transport der Spenden. Nördlich der Elbe ist das DRK ebenfalls in mehreren Unterkünften aktiv, aber nicht als Betreiber. Näheres erfragen Hilfswillige am besten im nächsten DRK-Kreisverband.