Neustadt. Polizisten stoppten den Lkw wegen der offenen Laderampe. Dann strömte ihnen Marihuana-Geruch entgegen. Der Fahrer hatte eine Erklärung.
Eigentlich wäre es ein Routinehandgriff gewesen. Und vielleicht gerade deshalb geriet die Sache in Vergessenheit, und die Laderampe des Lkw blieb auch während der Fahrt auf einer Hauptverkehrsstraße offen. Unübersehbar für die Polizeibeamten, die hinter dem Wagen herfuhren – und schließlich auch nicht mehr zu ignorieren für den Fahrer selber. Denn die Nachlässigkeit hat ihm gehörig Ärger eingehandelt: ein Strafverfahren und den drohenden Verlust seines Führerscheins.
Denn nicht nur die offene Laderampe stieß bei den Polizisten auf wenig Verständnis, vor allem war es der durchdringende Geruch, der ihnen sehr verdächtig aus dem Fahrgastraum entgegenwaberte. Eindeutig Marihuana, und das nicht zu knapp.
„Und aus dem Auto roch es erheblich nach Marihuana“
Im Prozess vor dem Amtsgericht, wo Thorsten T. (Name geändert) sich für die Tour vom Dezember vergangenen Jahres wegen Fahrens unter Drogeneinfluss verantworten muss, sitzt der 35-Jährige jetzt sehr gerade auf seinem Stuhl. Wahrscheinlich ist die aufrechte Haltung seinen Rückenbeschwerden geschuldet. Mehrere Bandscheibenvorfälle hat der schmal gebaute Mann mit dem zum Zopf gebändigten Haar bislang erlitten, und den Schmerzen war offenbar mit herkömmlichen Medikamenten schlecht beizukommen.
Also verschrieb ihm sein Arzt Cannabis als Schmerzmittel. „Und das hat funktioniert“, sagt der Mann, der daraufhin für ein halbwegs beschwerdefreies Leben regelmäßig zum Joint griff, vor allem, um schlafen zu können. Auch vor der fatalen Autofahrt „habe ich konsumiert“, räumt er unumwunden ein. Folglich hatte er rund zehn Nanogramm THC pro Milliliter Blut intus – und damit in etwa das Zehnfache dessen, was laut der aktuellen Rechtsprechung üblicherweise toleriert wird, um ein Fahrzeug noch sicher zu führen und den Führerschein zu behalten. Sicher am Steuer? Das geht wohl kaum mit einer offen stehenden Laderampe. Die habe er auch nicht kontrolliert, sagt der Angeklagte. Darum hätten sich eigentlich seine Kollegen kümmern sollen.
Gegenüber den Polizeibeamten hatte Thorsten T. damals bekundet, er habe das Verschließen der Rampe „völlig vergessen“. Etwa 250 Meter, nachdem der ungewöhnliche Wagen in ihr Sichtfeld kam, hatten sie den Lkw angehalten. „Und aus dem Auto roch es erheblich nach Marihuana“, erzählt ein Polizist als Zeuge. „Wir haben sonst Leute, die vielleicht am Abend vorher etwas geraucht haben, aber dieser Geruch war außergewöhnlich.“ Kein Wunder, der Mann am Steuer präsentierte den Beamten ein Marmeladenglas, das er beim Beifahrersitz platziert hatte und in dem er üblicherweise Cannabis aufbewahrte. Der 35-Jährige habe auch „glasige Augen“ gehabt, fahrig und nervös gewirkt, ergänzt der Zeuge.
Strafe - auch bei Verständnis - zwingend geboten
Viele Konsumenten haben selbst das Gefühl, auch ein bisschen bekifft ihr Auto noch wunderbar lenken zu können. Doch als sicher gilt: Autofahrer, die Cannabis konsumiert haben, sind manchmal enthemmt, reagieren unter Umständen verzögert und werden öfter müde und träge. Entsprechend fiel bei Thorsten T. auch ein Test durch Mediziner aus. Sie notierten, dass er zwar „orientierungsklar“ wirkte, seine Pupillen aber „eng“ waren, er beim Gehtest von der Linie abwich und „merkbar intoxikiert“ erschien, in der Reaktionsfähigkeit eingeschränkt.
Insoweit ist für die Staatsanwältin der Fall eindeutig. Zwar sei es nachvollziehbar, dass der 35-Jährige Cannabis als Schmerzmittel benutze. „Aber man darf dann auf keinen Fall Auto fahren. Die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit ist eingeschränkt.“ Sie beantragt 600 Euro Geldstrafe und eine zehnmonatige Führerscheinsperre. Die Amtsrichterin verhängt 500 Euro Geldstrafe wegen Fahrens unter Drogeneinfluss sowie einen Entzug der Fahrerlaubnis für acht Monate. Die heruntergelassene Laderampe sei ein „auffälliger Fahrfehler“ und eindeutig „rauschbedingt“, argumentiert sie, der Verlust des Führerscheins daher zwingend geboten.