Hamburg. Was tun!? Wie viele Flüchtlinge kommen woher? Wer darf bleiben? Wer muss wieder ausreisen? Die Fakten.
Deutschland erlebt derzeit den größten Flüchtlingsansturm der Nachkriegszeit. Der Bund rechnet für dieses Jahr mit 800.000 Asylbewerbern – doppelt so viele wie im bisherigen Rekordjahr 1992. Seinerzeit waren vor allem infolge des Balkankrieges 438.000 Asylanträge in Deutschland gestellt worden. In Hamburg werden in diesem Jahr weit mehr als 30.000 Flüchtlinge eintreffen. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter solchen Zahlen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie viele Menschen kommen zu uns?
Von Januar bis Ende Juli hatten sich in Hamburg 18.245 Flüchtlinge gemeldet. Im August waren es vermutlich mehr als 6000. Daher ist davon auszugehen, dass es im Gesamtjahr 2015 weit über 30.000 sein werden. Diese Flüchtlinge bleiben keineswegs alle in der Stadt. Unmittelbar nachdem sie sich in der Zentralen Erstaufnahme gemeldet haben, setzt eine Verteilung auf die Bundesländer ein. Nach dem „Königsteiner Schlüssel“ muss Hamburg gut 2,5 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Daher blieben von den 18.245 Menschen, die bis Ende Juli Schutz in Hamburg gesucht hatten, nur 8.168 in der Stadt. Die anderen mussten in andere Bundesländer weiterreisen.
Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 kamen 12.653 Flüchtlinge in die Stadt, von denen 6638 hier blieben – die Zahlen haben sich also mehr als verdoppelt.
Wie viele Asylbewerber gibt es?
Nicht jeder Flüchtling wird auch ein Asylbewerber. So wurden in Hamburg in den ersten sieben Monaten 2015 genau 5988 Asylanträge gestellt – das entspricht nur einem Drittel der Flüchtlinge, die in der Zeit in die Stadt kamen. Die anderen zwei Drittel stellen ihren Asylantrag überwiegend in einem anderen Bundesland oder verlassen Deutschland vorher wieder.
Woher kommen die Flüchtlinge?
Das verschiebt sich permanent. Drei Beispiele: Im Juli 2015 kamen 5709 Flüchtlinge nach Hamburg, von denen 1725 in der Stadt blieben. Innerhalb dieser Gruppe lag bei den Herkunftsländern Albanien (387) an der Spitze – also ein Land, aus dem die Menschen mutmaßlich eher aus wirtschaftlichen Gründen fliehen. Dahinter folgten aber mit Syrien (330), Afghanistan (301), Eritrea (259) und dem Irak (79) ausschließlich Krisenländer, aus denen die Menschen vor Krieg und Verfolgung fliehen. Im Jahr 2014 kamen hingegen von den 6638 in Hamburg verbliebenen Flüchtlingen die mit Abstand größten Gruppen aus Syrien (1513) und Afghanistan (952). Erst danach folgten Balkanstaaten wie Serbien (669), Kosovo (449) und Albanien (408).
1991, während des Balkankriegs, kamen von 13.781 Asylbewerbern in Hamburg die meisten aus Jugoslawien (2499), gefolgt von Afghanistan (1619), Iran (1181) und Türkei (1174).
Wer wird in Hamburg untergebracht?
Per Ende Juli gab es in Hamburg 22.769 Plätze in 87 Flüchtlingsunterkünften. Sie verteilten sich auf 9068 Plätze in den Zentralen Erstaufnahmen (ZEA) – davon 2948 in Zelten – und 13.701 in den komfortableren Folgeunterkünften. Mittlerweile spricht der Senat von insgesamt 25.000 Plätzen in Hamburg, verteilt auf knapp 100 Standorte. Bis Ende des Jahres sollen es mindestens 30.000 sein.
Woran hapert es?
Die ZEA dient eigentlich nur dazu, die neuen Flüchtlinge zu erfassen und ihren Status zu klären, bevor sie dann entweder in eine Folgeunterkunft in Hamburg oder in andere Bundesländer weiterziehen. Letzteres geschieht oft innerhalb weniger Tage – zuletzt wurden bis zu 250 Flüchtlinge pro Tag von Hamburg aus auf andere Länder verteilt. Dass die Erstaufnahmen dennoch hoffnungslos überlastet sind, hat zwei Gründe: Erstens können die Behörden die Flüchtlinge gar nicht so schnell erfassen, wie sie in die Stadt kommen – rund 3000 Menschen tauchen bislang noch in keinem System auf. Und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist, stapeln sich noch 250.000 unerledigte Anträge.
Zweitens kommt Hamburg wie fast alle Kommunen mit dem Bau der Folgeunterkünfte nicht hinterher. Das Ziel, dass Flüchtlinge nach spätestens drei Monaten in so eine Unterkunft umziehen, kann oft nicht eingehalten werden.
Wer muss wieder ausreisen?
2014 gab es 1304 „Rückführungen“ von Flüchtlingen aus Hamburg. Dabei wird unterschieden zwischen 852 „kontrollierten Ausreisen“, 334 Abschiebungen und 118 „Überstellungen in Drittländer“, also in jenes Land, in dem die Menschen zuerst EU-Boden betreten haben und wo daher der Asylantrag zu stellen ist. Nach Herkunftsländern betrachtet, lag bei den laut Amtsdeutsch „zurückgeführten Personen“ Serbien mit 313 Fällen an der Spitze, gefolgt von Mazedonien (210), Bosnien (178) und Russland (174).
Wie hoch sind die Ausgaben?
2014 lagen die Ausgaben der Stadt für Flüchtlinge bei 300 Millionen Euro. Ein Drittel davon waren Investitionen in die Schaffung von Unterkünften, zwei Drittel entfielen auf laufende Kosten wie den Betrieb der Unterkünfte, die Betreuung und Beschulung der Menschen und Geldleistungen. Für die Jahre 2015 und 2016 rechnet der Senat mit einer Verdoppelung der Ausgaben.