Hamburg. Das Ärzteteam ist mit dem Verlauf der Behandlung zufrieden. Dennoch bleibt der 96-Jährige zur “genauen Überwachung“ in der Klinik.
Durchatmen nicht nur im Familien- und Freundeskreis von Helmut Schmidt: Am Mittwochnachmittag kam die erleichternde Botschaft, dass der Gefäßverschluss im rechten Bein des früheren Bundeskanzlers beseitigt werden konnte. Damit bleibt dem 96-Jährigen eine stark risikobehaftete Operation erspart. Dennoch wird bleibe er vorerst zur Beobachtung auf der Intensivstation im Krankenhaus St. Georg.
Schmidt sei "eigentlich stabil"
"Er ist eigentlich stabil", sagte ein Sprecher der Asklepios-Klinik am Donnerstag. Schmidt bekomme weiterhin blutverdünnende Medikamente, und das erfordere eine genaue Überwachung. Wahrscheinlich werde Schmidt daher auch am Freitag noch auf der Intensivstation bleiben müssen.
„Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagte ein Vertrauter des Altkanzlers, „denn wir hatten uns große Sorgen um Helmut gemacht.“ Bei einem Mann in seinem hohen Alter, der nach wie vor stark raucht, teilweise verstopfte Arterien hat und seit Jahrzehnten einen Herzschrittmacher trägt, wäre eine komplizierte Operation am offenen Bein lebensgefährlich gewesen.
Chefarzt der Kardiologie aus London eingeflogen
Nachdem Helmut Schmidt am Montag dieser Woche über starke Schmerzen im rechten Bein geklagt hatte, war sein persönlicher „Leibarzt“ und Vertrauter, Professor Heiner Greten, alarmiert worden. Der erfahrene Mediziner und Chairman des Hanseatischen Herzzentrums an der Asklepios Klinik St. Georg ließ seinen Patienten am Dienstag früh in die Klinik nach St. Georg transportieren. Ein erster Versuch, das Blutgerinnsel mittels eines Katheters zu entfernen, war am Nachmittag desselben Tages noch gescheitert. „Wir haben versucht, das Blutgerinnsel medikamentös aufzulösen. Das ist aber nur zum Teil gelungen“, sagte Prof. Sigrid Nikol, Chefärztin der Angiologie.
Um das weitere Vorgehen der Behandlung des namhaften Patienten zu besprechen, setzte sich am Mittwoch vor Ort ein hochkarätiges Team an einen Tisch. Der Kreis musste warten, bis Professor Karl-Heinz Kuck, Chefarzt der Kardiologie in St. Georg, aus London kommend in Fuhlsbüttel gelandet war. Neben Schmidts „Leibarzt“ Greten als Koordinator sowie Kuck gehörten auch die Professoren Nikol und der erst am 1. September vom Münchner Universitätsklinikum nach Hamburg gewechselte Gefäßchirurg Thomas Koeppel dazu.
Chefärzte erläutern Operation
Der Eingriff selbst wurde am Mittwoch um 15 Uhr „nach intensiver Beratung“ von Karl-Heinz Kuck vorgenommen. Kurz nach 16 Uhr machte der geglückte Eingriff im Krankenhaus die Runde: Entwarnung! Fazit eines aufregenden Tages: „Das Ärzteteam zeigte sich mit dem Verlauf der Behandlung zufrieden.“ Der Altkanzler habe die Behandlung „so weit gut überstanden“.
Wegen des starken öffentlichen Interesses an Schmidts Gesundheitszustand entschloss sich die Leitung des Krankenhauses an der Lohmühlenstraße, die Medien kurzfristig zu einem Gespräch mit den Chefärzten einzuladen. Im Haus W erläuterten die Mediziner den Eingriff. „Wir haben uns entschlossen, dieses akut verschlossene Gefäß mithilfe eines Katheters wieder zu öffnen“, sagte Karl-Heinz Kuck. Bei dem Eingriff wurde der Rest des Blutgerinnsels entfernt und anschließend die Arterie mit einem Ballon geweitet. Damit konnte der Verschluss beseitigt werden. Man sei gezielt vorsichtig und keinesfalls aggressiv vorgegangen.
"Er war danach richtig gut drauf"
Jetzt hoffen die Mediziner, dass dieses gute Ergebnis mit einem Medikament, welches die Verklumpung von Blutplättchen hemmt, aufrechterhalten werden kann. Die Chefärzte zeigten sich bei der Pressekonferenz entspannt und gelöst. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt Kuck. Dem Patienten gehe es gut. Er sei eine Viertelstunde nach dem Eingriff, der nicht unter Vollnarkose, sondern nach Verabreichung eines starken Schlafmittels durchgeführt wurde, schon wieder ansprechbar gewesen.
Und wie! Denn um 18.30 Uhr besuchten Karl-Heinz Kuck und Heiner Greten ihren Patienten auf der Intensivstation. „Er war richtig gut drauf, konnte schon wieder scherzen und hat lustige Dinge erzählt“, berichtete Greten. Das Trio sprach fast eine halbe Stunde über vergangene Zeiten, über ehemalige Reden des Kanzlers und die aktuelle Lage – politisch, nicht medizinisch.
Anlass zur Sorge bestehe weiterhin
Trotz der aktuellen Entwarnung besteht allerdings kein Grund zur Euphorie: Helmut Schmidts Gefäßsystem, heißt es intern, sei „in einem sehr schlechten Zustand“. Zwar sei er im Moment vom akuten Problem befreit, sodass der Zustand vor Diagnose des Blutgerinnsels wiederhergestellt werden konnte. Anlass zur Sorge indes bestehe weiterhin.
Wenn alles gut verläuft, wird der betagte Staatsmann in zwei Tagen von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt. Unter Umständen kann er nach zwei oder drei weiteren Tagen sogar schon wieder zurück in sein Langenhorner Doppelhaus. Denn dort möchte Helmut Schmidt am 23. Dezember seinen 97. Geburtstag feiern.