Hamburg . Mehr als 200 freie Lehrstellen in Hamburg. Kammer möchte Asylbewerber für Ausbildung begeistern und Prüfungen in deren Landessprache.

Die Hamburger Handwerkskammer will Asylbewerber für eine Ausbildung gewinnen und erwägt dafür weitgehende Zugeständnisse bei den Abschlussprüfungen. Nach Informationen des Abendblatts soll den Flüchtlingen die schriftliche Abschlussprüfung in ihrer Landessprache ermöglicht werden.

Offiziell äußern wollte sich die Kammer nicht dazu, da die Bereitstellung von Lehrstellen und die Erleichterungen bei der Prüfung offenbar Teil eines umfangreichen Integrationspaketes werden sollen, das Bürgermeister Olaf Scholz selbst verkünden will.

Die Überlegungen zu einer Prüfung in Landessprache im Handwerk sollen jetzt mit großer Kraftanstrengung vorangetrieben werden, weil es bereits Sprachprobleme gibt. „Wir haben jetzt schon das Problem, dass Auszubildende zwar gute praktische Arbeit leisten, auch in der Berufsschule gut mitkommen, aber in der schriftlichen Abschlussprüfung durchfallen“, sagt der Präsident der Hamburger Handwerkskammer, Josef Katzer.

Nach Ansicht der Kammer sollen die Fragen in die jeweilige Landessprache übersetzt werden und danach ebenso die Antworten der Lehrlinge, bevor sie vom Prüfer ausgewertet werden. Offenbar gibt es aber auch noch Widerstände, denn dazu müssten die Prüfungsordnungen geändert und die Ausschüsse überzeugt werden.

Jedes Jahr bleiben im Hamburger Handwerk viele Lehrstellen unbesetzt. Gegenwärtig könnten zum 1. September noch 224 Ausbildungsverträge vergeben werden. „Insbesondere in den Ausbildungsberufen Anlagenmechaniker, Elektroniker, Fachverkäuferin (Bäckerei), Friseur, Gebäudereiniger, Maler, Lackierer und Maurer haben wir noch eine ganze Reihe von freien Lehrstellen“, sagte eine Sprecherin der Handwerkskammer. Gleichzeitig meldet die Arbeitsagentur Hamburg noch 1300 Lehrstellensuchende. „Wir haben im vergangenen Jahr 800 unversorgte Bewerber eingeladen, die Hälfte ist gekommen und am Ende wurden weniger als fünf Lehrverträge geschlossen“, sagt Katzer. Das sei zwar die Bilanz für das vergangene Jahr, aber in diesem Herbst werde das nicht anders sein, ist sich Katzer sicher.

„Wir brauchen die jungen Flüchtlinge, denn wir haben großen Bedarf in allen Gewerken und wir haben bereits viele Erfahrungen mit Lehrlingen mit Migrationshintergrund“, sagt Katzer. Jeder Dritte, der im Hamburger Handwerk eine Ausbildung macht, hat einen Migrationshintergrund. Allerdings müssten auch die Asylbewerber die Ausbildungsreife mitbringen. „Das Handwerk sorgt für die Ausbildung, mehr können die Betriebe aber nicht leisten“, sagt Katzer. Ein zusätzliches fachspezifisches Sprachtraining müsse von anderen geleistet werden. „Es bedarf einer gemeinsamen großen Anstrengung“, sagt Katzer.

Beim Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) steht man den Überlegungen aus Hamburg zu den Abschlussprüfungen skeptisch gegenüber. „Ein Gesellenbrief muss in deutscher Sprache abgelegt werden und das haben bisher auch schon viele Russlanddeutsche, Polen, Türken und andere Nationalitäten geschafft“, sagt ein ZDH-Sprecher. Auch müssten für einen solchen Vorstoß Bundesgesetze geändert werden.

Wer einen Asylantrag gestellt hat, kann nach drei Monaten eine betriebliche Ausbildung aufnehmen. Lediglich die Ausländerbehörde muss dem zustimmen. Diese Regelung gilt auch für bestimmte Praktika. Doch damit ist es nicht getan. Nach drei Monaten dürfte kaum die Sprachkompetenz vorhanden sein, um eine Ausbildung zu beginnen. „Die Betriebe brauchen auch Sicherheit, dass die Ausbildung beendet werden kann und nicht durch eine Abschiebung verhindert wird“, sagt Katzer. Zwar kann die Ausbildung auf alle Fälle beendet werden, wenn sie vor dem 21. Lebensjahr begonnen wird. Aber diese Reglung reicht dem Handwerk nicht.

„Viele Flüchtlinge sind schon älter“, sagt Katzer. Außerdem wollten die Betriebe auch danach noch von der Ausbildung profitieren. „Das ist schließlich eine Investition“, sagt Katzer. Bisher fehlt auch jede Grundlage, potenzielle Lehrlinge unter den Flüchtlingen statistisch zu erfassen. „Der Senat muss mit der Agentur für Arbeit ein Konzept zur Erfassung der beruflichen Qualifikationen in den Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen umsetzen“, sagt die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien (CDU). Vorbild ist ein Pilotprojekt in Trier. Ein entsprechender Antrag wurde am Donnerstag in den Sozialausschuss der Bürgerschaft eingebracht.