Hamburg . Wohlfahrtsverbände beklagen gravierenden Fachkräftemangel – vor allem für die Flüchtlingsarbeit. Beste Jobchancen.

Helfende Hände dringend gesucht: Angesichts steigender Flüchtlingszahlen werden in Hamburg zunehmend Sozialarbeiter und Erzieher gebraucht. Wie eine Abendblatt-Umfrage ergab, fordern jetzt die sozialen Dienstleister Absolventen und Quereinsteiger aus anderen Fachgebieten mit Nachdruck dazu auf, sich zu bewerben.

„In den Organisationen werden händeringend qualifizierte, erfahrene und engagierte Fachkräfte gesucht“, sagt Christian Böhme, Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Hamburg. „Wir brauchen weitere Verstärkung“, sagt auch Susanne Schwendtke, Sprecherin von „Fördern & Wohnen“. Das Unternehmen ist unter anderem in der Flüchtlingshilfe engagiert. „Menschen, die ein Studium der Sozialen Arbeit oder in einem verwandten Fach abgeschlossen haben, sind herzlich eingeladen, sich bei uns zu bewerben“, so Schwendtke.

Die Jobchancen in der Sozialen Arbeit haben sich in den vergangenen Jahren trotz des Kostendrucks auf die einzelnen Einrichtungen deutlich verbessert. Ob Jugendhilfe, Kitas, Ganztagsschulen, Senioren- und Behindertenarbeit – in vielen Bereichen kommen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen zum Einsatz. Sie sind immer dann gefragt, wenn soziale Probleme zu lösen sind – und die finanziellen Mittel dafür bereitstehen.

Die Folge: Die Zahl der Erwerbstätigen mit akademischem Abschluss in der Sozialen Arbeit hat sich seit 2003 in Hamburg und im Bundesdurchschnitt verdoppelt, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit. Derweil geht die Arbeitslosenquote in dieser Berufsgruppe weiter zurück. Bei Erziehern und Kinderpflegern zum Beispiel sank sie von 2008 bis 2014 um mehr als die Hälfte.

Die Nachfrage nach Studienplätzen im Sozialbereich ist stark gestiegen

Um die gewachsenen Aufgaben zu bewältigen, werden neue Stellen in Voll- und Teilzeit geschaffen. Allein beim Caritasverband Hamburg gibt es jetzt „rund 20 Prozent mehr Sozialpädagogen in der Beratung von Migranten, der Jugendarbeit und in der Obdachlosenhilfe als vor zehn Jahren“, sagt Caritas-Sprecher Timo Spiewak.

Bei „Fördern & Wohnen“ stieg die Zahl der Sozialpädagogen und Angestellten mit Betreuungsaufgaben um 147 Prozent im Vergleich zum Juni 2013. „Wir“, sagt Susanne Schwendtke, „bieten einen sicheren, abwechslungsreichen Arbeitsplatz, gute Aufstiegschancen und vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten.“

Bei der Diakonie ist das ähnlich. So setzt die Sozialpsychiatrie und Behindertenhilfe des Rauhen Hauses ab Ende August einen Sozialpädagogen mit einer halben Stelle in der Flüchtlings-Erstaufnahmestelle Schnackenburgallee ein. Er wird dort Migranten mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen betreuen. Mehr noch: Seit Juni ist die Kinder- und Jugendhilfe des Rauhen Hauses in der Flüchtlingsunterkunft Billbrook mit zwei halben Sozialpädagogenstellen vor Ort. „In Abstimmung mit ,Fördern & Wohnen‘ entwickeln wir dort Angebote für die Flüchtlingsfamilien, um ihnen die Eingewöhnung in Hamburg leichter zu machen“, sagt Sylvia Nielsen von der Stabsstelle Kommunikation des Rauhen Hauses.

Das Betreuungsverhältnis in der Sozialen Arbeit liegt in Hamburg ohnehin über dem Bundesdurchschnitt. Kommt zum Beispiel in Düsseldorf auf 200 Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft eine Sozialarbeiterstelle, so liegt das Verhältnis in Hamburg bei 1:80. Bereits im Jahr 2009 waren in der Hansestadt umgerechnet 215 Sozialarbeiter für 100.000 Einwohner zuständig. Damit lag Hamburg 77 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.

Nur Berlin beschäftigt mehr Sozialarbeiter

So gehört die Hansestadt bundesweit zu den Städten, in denen die meisten Sozialarbeiter beschäftigt sind. Nach Berlin rangiert Hamburg mit München auf Platz zwei. „Die Nachfrage steigt zum einen durch wachsende soziale Probleme. Und zum anderen durch den Generationswechsel“, sagt Katharina Jeorgakopulos, Sprecherin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW).

Wer an der HAW Soziale Arbeit studieren will, muss mit vielen Mitbewerbern rechnen – so groß ist gegenwärtig das Interesse. Auf 24 Master-Studienplätze kamen im Jahr 2014 fast 140 Bewerbungen (2012: 76). An der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie sind es im Bachelor-Studiengang sechs Bewerber pro Platz. „Die Chancen, nach dem Studium in Hamburg und im Umland eine entsprechende Stelle zu bekommen, sind sehr gut“, sagt Sylvia Nielsen.

Die Lehrangebote der beiden Hochschulen umfassen längst alle Bereiche der Flüchtlingsarbeit. An der Evangelischen Hochschule sind die Themen Multikulturalität und Interkonfessionalität schon immer Bestandteil der Lehrveranstaltungen. Unlängst gab es dort darüber hinaus einen Fachtag zum Thema „Kein Kind ist illegal“. Wer sich für ein Studium der Sozialen Arbeit entscheidet, interessiere sich ohnehin für die Problematik von Menschen auf der Flucht, sagt Katharina Jeorgakopulos. Die Berufsaussichten für die Absolventen seien ausgesprochen gut. „Denn Soziale Arbeit zählt in einigen Arbeitsfeldern mittlerweile zu einem Mangelberuf.“

Das kostet ein Studium:

Ausgebildete Sozialpädagogen werden zum Beispiel im Rauhen Haus, einer diakonischen Einrichtung, mit der Entgeltgruppe E 9 nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt. Die Stufe 1 (Stand 1. März 2015) ist mit 2536 Euro Brutto ausgewiesen, die Stufe 5 mit 3636 Euro. Wer in Hamburg Soziale Arbeit studieren will, kann sich bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie (Rauhes Haus)bewerben. An der HAW gibt es keine Studiengebühren. Aktuell müssen die Studierenden einen Semesterbeitrag von 313,60 Euro zahlen. Bei der Evangelischen Hochschule fallen bei grundständigen Studiengängen pro Semester 500 Euro als Semesterbeitrag an, bei berufsintegrierenden Studiengängen sind es 250 Euro monatlich.