Hamburg . Wer sein Konto überzieht, wird oft kräftig zur Kasse gebeten. Hamburger Banken verlangen weniger als der Durchschnitt.
Das Girokonto zu überziehen kann schnell teuer werden. Denn die Dispozinsen in Deutschland sind immer noch zu hoch, urteilt die Stiftung Warentest in einer aktuellen Untersuchung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Im Schnitt liegen die Zinssätze der 1472 untersuchten Institute im Durchschnitt bei 10,25 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch 10,65 Prozent. „Das ist vor dem Hintergrund, dass sich Banken und Sparkassen Geld bei der Europäischen Zentralbank fast kostenlos leihen können, eindeutig zu hoch“, sagt der Vorstand der Stiftung Warentest, Hubertus Primus.
In der Spitze verlangen noch elf Banken 13 Prozent und mehr für die Überziehung des Kontos. Spitzenreiter ist eine Raiffeisenbank in Bayern mit bis zu 16 Prozent. „Zu viele Banken nutzen den Dispozins, um ihre Kunden zu schröpfen“, sagt Primus. Die günstigsten Zinssätze für die Kontoüberziehung liegen zwischen 4,5 und sieben Prozent, zum Beispiel bei der Deutschen Skatbank mit 4,48 Prozent.
In Hamburg und dem Umland profitieren die Kunden von einem starken Wettbewerb der Geldinstitute. Denn hier liegen die Dispozinsen unter dem bundesweiten Schnitt. Bis auf die Hamburger Volksbank haben alle Hamburger Anbieter seit August vergangenen Jahres die Dispozinsen weiter abgesenkt. Den günstigsten Zinssatz von den in Hamburg ansässigen Instituten hat die Edeka Bank mit 7,39 Prozent. Auch im Umland gibt es günstige Angebote: So kostet die Kontoüberziehung je nach Bonität des Kunden bei der Sparkasse Holstein zwischen 5,71 und 12,71 Prozent. „Über ein Drittel der Kunden können unseren günstigsten Zinssatz nutzen“, sagt ein Sprecher der Sparkasse. Bei der Volksbank Stade-Cuxhaven werden für den Dispo zwischen 7,85 und 8,35 Prozent verlangt.
Die jährlichen Kosten für die Nutzung des Dispos in der Tabelle ergeben sich aus dem Umstand, dass das Konto an 20 Tagen im Monat mit 1043 Euro im Minus ist, also insgesamt an 240 Tagen im Jahr. Der eingeräumte Disporahmen wird dabei niemals überzogen. Der Annahme liegt eine Untersuchung der FMH-Finanzberatung und des Finanzexperten Udo Keßler zugrunde, die dazu 30 Institute, darunter namhafte Geschäfts- und Direktbanken, nach der Disponutzung ihrer Kunden befragt haben. Fast jeder Fünfte ist auf die flexible Überziehung seines Kontos angewiesen.
Bei der Entwicklung der Dispozinsen zeichnen sich folgende Entwicklungen ab: Die Zahl der Institute, die nicht mehr alle Kunden gleich behandeln, nimmt zu. Je nach Bonität des Kunden werden unterschiedlich hohe Zinssätze verlangt. Bei der Deutschen Bank sind es 7,95 bis 10,95 Prozent. "Doch die Kunden, die auf den Dispo häufig angewiesen sind, haben meist nicht die beste Bonität", sagt Hjördis Christiansen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Gleichzeitig werden mehrere Kontomodelle eingeführt. Bei der Haspa ist der Zinssatz aber nicht von der Bonität, sondern nur vom gewählten Kontomodell abhängig. So reicht die Spanne bei Deutschlands größter Sparkasse von 8,65 bis 10,65 Prozent.
So ist der günstigste Disposatz bei der Haspa an das Joker-Premium-Konto gebunden, das 15,30 Euro im Monat kostet und zu den üblichen Bankdienstleistungen aber noch Rabatte und Serviceleistungen beinhaltet. „Für Kunden, die ihren Dispo regelmäßig nutzen, sind solche Konten nicht immer die bessere Wahl“, sagt Pallasch.
Die meisten Banken haben inzwischen den besonders hohen Zinssatz für geduldete Überziehungen, die über den eingeräumten Dispo hinausgehen, abgeschafft. Auf diesen Strafzins verzichtet jetzt rund die Hälfte der Geldinstitute in Deutschland, ergab die Untersuchung.
Stiftungsvorstand Primus nannte die Gesamtsituation „nach wie vor unbefriedigend“. Jeder Prozentpunkt mehr spüle den Instituten grob gerechnet 345 Millionen Euro in die Kassen. „Ein fairer Zins müsste nach unserer Einschätzung deutlich unter zehn Prozent liegen.“
Bei den Dispozinsen komme es auf die Transparenz an. Daran hapere es in vielen Fällen nach wie vor. Gut zwei Drittel der Kreditinstitute hätten die Anfrage der Stiftung Warentest nicht beantwortet. Bei einem Drittel habe man Tester in die Filialen schicken müssen, um die Dispo-Zinssätze herauszufinden. Deshalb sei es zu begrüßen, dass Banken demnächst gesetzlich verpflichtet werden, den Sollzinssatz für Überziehungen „klar, eindeutig und in auffallender Weise“ anzugeben.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) verlangte eine Deckelung des Dispozinses. „Transparente Angaben für Kosten bei einer Kontoüberziehung sind wichtig, aber nicht ausreichend“, sagte VZBV-Finanzexperte Frank-Christian Pauli.
Die Stiftung Warentest sieht das anders. Wenn man einen Höchstwert festlegte, verlöre der Dispozins seine Funktion „als einfacher und sofort erfassbarer Vergleichsmaßstab“. Die Banken würden dann voraussichtlich den noch zulässigen Zinssatz kassieren.
Die Deutsche Kreditwirtschaft reagierte mit einem von der Bundesbank erhobenen durchschnittlichen Dispozinssatz auf die Untersuchung. Dieser Wert liege bei 8,83 Prozent und sei der tiefste Wert seit mindestens zehn Jahren. „Da werden Äpfel mit Birnen verglichen“, sagt Pallasch. „Denn in diesen Wert fließen noch andere Kreditarten ein, die nichts mit einem Dispo für Privatkunden zu tun haben.“