Hamburg . Rendite für Tagesgeld immer geringer. Hamburger Institute bieten besonders wenig. Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank.

Für Sparerwird es immer komplizierter, eine attraktive Anlage zu finden. Gerade haben große Anbieter von Tagesgeldkonten ihre Konditionen gesenkt. Der Marktführer im Tagesgeldgeschäft mit Einlagen von 90 Milliarden Euro, die ING DiBa, hat ihren Zins für Bestandskunden von 0,80 auf 0,60 Prozent ermäßigt. Neukunden werden noch für vier Monate mit einem Prozent bedient. Noch deutlich rigoroser fällt die Zinssenkung bei Wüstenrot aus: Von 1,25 Prozent für Neukunden geht es auf 0,25 Prozent hin­ab. „Eine ganze Reihe von Banken haben die Zinsen gesenkt“, bestätigt Max Herbst von der FMH Finanzberatung dem Abendblatt. Seit Ende Januar sind die Konditionen für Tagesgeld noch einmal deutlich gesunken. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Durchschnittsverzinsung mehr als halbiert. Der Grund ist vor allem die Nie­drigzinspolitik der Europäischen Zen­tralbank. Banken, die bei ihr Geld parken, müssen einen Strafzins bezahlen.

Doch für viele Banken stellt sich die Frage der Verzinsung beim Tagesgeld nicht mehr. Jede fünfte Bank zahlt mittlerweile überhaupt keine Zinsen auf niedrige Anlagebeträge (2500 Euro), geht aus einer Untersuchung des unabhängigen Verbraucherportals Ve­rivox hervor. Ein Beispiel dafür ist die Sparda-Bank Hamburg. Bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) gibt es je nach Anlagebetrag zwischen 0,05 und 0,10 Prozent auf das Cashkonto. Die höchsten Zinsen von den Hamburger Instituten hat die PSD Bank Nord mit 0,20 Prozent. „Bundesweite Tagesgeldangebote liegen mit durchschnittlich 0,5 Prozent Zinsen deutlich über den Angeboten regionaler Banken, die noch 0,10 Prozent bieten“, sagt Ingo Weber, Geschäftsführer bei Verivox.

Auch Festgeld bei Hamburger Banken ist keine Alternative mehr. Als hätten sich die Institute abgesprochen, zahlen sie für eine Festgeldanlage von 10.000 Euro für zwölf Monate nur noch 0,10 Prozent. Das betrifft Haspa, Sparda-Bank, Hamburger Volksbank und PSD Nord. „Die Regionalbanken können das niedrige Zinsniveau schlechter durch Geldanlagen in anderen Bereichen kompensieren“, sagt Weber.

Doch es wird noch schlimmer kommen: „Wenn große Banken wie die ING DiBa die Zinsen senken, ist das auch immer ein Signal für kleinere Anbieter“, sagt Herbst. Die Zinsen haben nach seiner Einschätzung noch nicht ihren Tiefpunkt erreicht. „Wir rechnen damit, dass sich Tagesgeld noch in diesem Jahr in Richtung null Prozent bewegt“, sagt Herbst. Schon jetzt hätten viele Banken nur noch einen Zins von 0,01 oder 0,05 Prozent. Mit negativen Zinsen rechnet der Experte aber nicht. Dann würde den Sparern für ihre Einlagen ein Prozentsatz abgezogen.

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die Deutschen schon bisher viele Milliarden Euro an entgangenen Zinseinnahmen gekostet. Sie nehmen es aber gelassen hin. Denn mit sinkenden Zinsen ist das Volumen der Tagesgeldkonten noch deutlich gestiegen (s. Grafik). So haben sich die Einlagen auf den Tagesgeldkonten der Privatpersonen seit 2008 mehr als verdoppelt, ermittelte der Finanzexperte Udo Keßler in einer Studie über die Auswirkungen der Finanzkrise. Im gleichen Zeitraum sank der durchschnittliche Tagesgeldzins von mehr als drei auf ein halbes Prozent.


Die Gelder auf Tagesgeldkonten sind in Zeiten der Finanzkrise nicht abgezogen worden, was angesichts der immer geringeren Verzinsung eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Dafür hat Studienautor Keßler zwei Erklärungen: „Zum einen mangelt es an lukrativeren und genauso sicheren Alternativen, und zum anderen lieben die Deutschen einfach das Tagesgeldkonto. Sie bleiben diesem Konto treu – so wie einst dem guten, alten Sparbuch.“

Im untersuchten Zeitraum zwischen September 2008 und dem 30. November 2014 konnte ein Tagesgeldsparer mit 5000 Euro Anlage im Schnitt 437,50 Euro Zinsen (ohne Zinseszinsen) kassieren. „Das waren im Vergleich zu dem gleich langen Vorkrisenzeitraum 281 Euro weniger“, sagt Keßler. Verteilt auf einen Zeitraum von gut sechs Jahren mag das dem Einzelnen nicht viel erscheinen. „Doch im Durchschnitt lagen auf den Tagesgeldkonten 320 Milliarden Euro, und der Zinsverlust für die Tagesgeldsparer durch die Folgen der Finanzkrise beträgt insgesamt 18 Milliarden Euro“, rechnet Keßler aus.

Nicht in gleichem Maße haben die Bankkunden profitiert, die ihr Konto ständig überziehen. Von September 2008 bis Ende November 2014 zahlten Bankkunden auf dem privaten Girokonto für ihren Dispo in Höhe von 5000 Euro im Schnitt 156 Euro weniger als in einem gleich langen Zeitraum zuvor. Zur Erinnerung: Der Zinsverlust der Tagesgeldsparer beträgt 281 Euro. „Angesichts dieses Unterschieds wird deutlich, warum Kontoüberzieher die Zinsvorteile oft kaum wahrnehmen“, sagt Keßler. „Fiel doch der Zinsrückgang zwischen 2008 und 2014 beim Dispo deutlich geringer aus als beim Tagesgeld.“

Zwar sind die Zinsen jetzt niedrig, aber es gibt noch immer eine große Spanne zwischen den Angeboten. „Niemand muss sich mit ganz niedrigen Zinsen abfinden“, sagt Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Es gibt immer noch Angebote, die deutlich über dem Durchschnitt liegen.“ So zahlen die Renault Bank Direkt und die Consorsbank noch 1,10 Prozent auf das Tagesgeldkonto. Bei der Consorsbank wird der Zins sogar für zwölf Monate garantiert. Für eine dreijährige Festgeldanlage (5000 Euro) gibt es bei vereinzelten Anbietern noch knapp zwei Prozent Zinsen, zum Beispiel bei der NIBC Direct 1,80 Prozent. Allerdings müssen sich Anleger dabei auf die niederländische Einlagensicherung verlassen. Wer nur der deutschen Einlagensicherung vertraut, bekommt bei der Ziraat Bank noch 1,50 Prozent für den gleichen Anlagezeitraum.

Aktien, die jährlich eine hohe Dividende ausschütten, sind in der Regel keine wirkliche Alternative zu Zinsanlagen. „Wer ein festes Sparziel in einigen Jahren hat, sollte jetzt nicht in schwankungsanfällige Anlagen gehen“, warnt Kappes. Ein kleiner Trost bleibt den Sparern: Die niedrigen Zinsen werden fast nicht von der Inflationsrate geschmälert. Sie lag zuletzt bundesweit bei nur noch 0,1 Prozent.