Die Hansestadt gilt als Hochburg der Getränke-Erfinder. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Das sind die jüngsten Kreationen und ihre Köpfe.
Lokale Marken wie Fritz-Kola, Elbler oder Viva con Agua sind längst über die Stadtgrenzen hinaus etabliert. Aber der Hamburger Ideenreichtum in Sachen Getränke scheint unerschöpflich. Wie etwa das Label Leev zeigt, hinter dem sich sortenreiner Apfelsaft verbirgt. Leev ist Plattdeutsch und bedeutet Liebe. Liebe zum Produkt, zu Hamburg und zu Bienen verbindet die drei Initiatoren Natalie Richter, Christina Nissen und Joachim Holst. Zwei Cent von jeder verkauften Flasche gehen nämlich an regionale Initiativen zum Schutz der Wild- und Honigbienen. Boskop, Elstar oder Holsteiner Cox kommen ohne Konservierungsmittel, Farbstoffe oder Zuckerzusätze in die Flaschen. Boskop gibt es auch als Schorle.
Kalt gepresste Säfte hat Chapeau Juices vom gleichnamigen Restaurant in Winterhude seit Kurzem im Programm. Naturecht und nicht pasteurisiert sind die vier Sorten, die Rote Bete, Gurke, Möhren, Spinat, Fenchel oder Süßkartoffel, auf jeden Fall aber Ingwer, enthalten.
Sirup mit Thymian und Salbei
Als Nina Ruffing wegen ihrer beiden Söhne, heute elf und acht Jahre alt, in ihrem Beruf in der Textilbranche eine Pause einlegte, verbrachte sie viel Zeit in der Küche. „Irgendwann habe ich Sirup für mich entdeckt“, sagt die 41-Jährige. „Mix mich“ fertigt Nina Ruffing mittlerweile in einer gewerblichen Küche in Eppendorf. Die Kräuter kauft sie so regional und bio wie möglich, meistens auf dem Isemarkt. Auf Zitronenbasis gibt es vier Sorten Sirup: Minze-Melisse, Ingwer-Minze, Thymian-Salbei sowie Zitronengras-Ingwer. „Ideal ist das Mischverhältnis 1:4 für Schorle mit Wasser oder als Aperitif mit Prosecco oder Sekt“, sagt Ruffing. Auch dem Salatdressing gibt ein Schuss Sirup den letzten Pfiff. Verkauft wird die Ware aus der kleinen Ein-Frau-Manufaktur auf Märkten für regionale Produkte sowie in Feinkostläden und im Internet.
Peter Jens Hundert und Oliver Hendrik Schaulin haben sich ebenfalls dem Sirup verschrieben. „PHenomenal Drinks“ in den Geschmacksrichtungen Tonic und Ginger eignen sich für Mixgetränke wie Gin Tonic oder Ingwerbier. „Und im Kühlschrank stehen nicht lauter große Flaschen“, sagen die Erfinder, die ihr Geld als Werbefotograf und Stylist für Foto- und Filmproduktionen verdienen.
Vor einem Jahr waren die Brüder Felix und Benjamin Böning im Studienstress und überlegten sich, wie gesund eigentlich Energydrinks sind. „Gar nicht“, sagt Felix, „denn die meisten enthalten viel Chemie.“ Also kamen sie auf die Idee, mit „Seicha“ eine Alternative zu entwickeln und an den Markt zu bringen. Der grüne Premiumtee Matcha aus Japan sowie Grapefruit und Limette sind die Bestandteile ihres Getränks. Der Name setzt sich aus den beiden japanischen Wörtern Sei (Reinheit) und Cha (Tee) zusammen.
Trinkschokolade mit Geschmack
Carl-Clemens Köhler trinkt schon sein Leben lang Kakao. „Mein Vater handelte mit den Bohnen“, sagt der 32-Jährige. Aber was es so an Trinkschokolade auf dem Markt gibt, überzeugte den Hamburger nicht. „Zu wässrig, zu süß, zu wenig Geschmack.“ Also tat sich der Betriebswirt und Marketing-Experte mit seinem Studienkollegen Thomas Bohnenstengel zusammen, und sie entwickelten „CowCow“. Bio-Milch und Bio-Schokolade mit großem Anteil an Kakaobutter sorgen für den besonderen Geschmack.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit der Rezeptur und dem Namen arbeiten die beiden jetzt mit einer hessischen Molkerei zusammen, die nicht nur über alle notwendigen Lizenzen verfügt, sondern auch in der Lage ist, große Mengen der Trinkschokolade abzufüllen. Rund 5000 Liter pro Monat rinnen in die gestylten 0,3-Liter-Packungen. Die drei Varianten mit dunkler und weißer Schokolade sowie Mokka gibt es mittlerweile bei der Drogeriekette Budnikowsky, in diversen Bio- und einigen Edeka-Märkten der Hansestadt. Und Köhler hat schon die nächste Expansion im Blick. „Wir testen gerade den holländischen Markt.“
Ein Bier namens „Mitschnagger“
Auf einem Stellinger Gewerbehof hat sich Simon Siemsglüss etabliert. Hier braut der 39-Jährige Bier der Marke Buddelship. Der Hamburger ist vom Fach: Ausbildung in Berlin, berufliche Stationen in Kanada und London sowie für Paulaner in München und China. „Bier hat auch mit Emotionen und Heimat zu tun“, sagt Siemsglüss. Er begann Ende 2013 mit der Entwicklung seiner Marke in der Hansestadt.
Acht Sorten hat er im Programm: Pils, Weißbier, Schwarzbier und Rotbier namens „Mitschnagger“, „Blanker Hans“, „Kohlentrimmer“ und „Roter Klinker“ nach deutschem Geschmack sowie vier Sorten, die internationalem Bierstil entsprechen. Ein- bis zweimal pro Woche werden 1000 Liter pro Braugang hergestellt, unfiltriert und nicht pasteurisiert. „Mir geht es um Frische und nicht unbedingt um Haltbarkeit“, sagt der Fachmann. So stellt er das Bier nicht nur her, sondern füllt es auch ab und besorgt den Vertrieb.
Das Bier mit den Schiffen auf den maritimen Etiketten gibt es in Norddeutschland in vielen Läden und Kneipen, in zwei Hamburger Bars das Pils sogar vom Fass. Bis Berlin und München hat Buddelship es auch geschafft als frischer Gruß aus Hamburg.
Überhaupt Bier: Neben den großen Brauereien Holsten, Astra, Duckstein und Ratsherrn finden immer mehr handwerkliche ausgefeilte Sorten, so genannte Craft Beers, von kleinen Herstellern ihre Liebhaber. Von Gröninger, der ältesten noch existierenden Braustätte Hamburgs (1722), und Kuddel Bier aus Bahrenfeld bis hin zu ElbPaul aus Eimsbüttel, Wildwuchs aus Neuenfelde, Prototyp aus der Kehrwieder-Brauerei in Harburg und Von Freude aus Eppendorf ist der Markt in Bewegung. Bockbier erfreut sich ebenfalls wieder wachsender Beliebtheit.
Schnaps mit 106 Kräutern
Als Alexander Lüdeking 40 wurde, nahm er sich vor, sich bewusster zu ernähren. Mehr Salat, mehr Gemüse. Der promovierte Biologe entwickelte Ölkapseln mit Pflanzenextrakt. „Aber das war kein Genuss“, sagt der heute 44-Jährige. Lieber wollte er ab und an einen für die Gesundheit förderlichen Schnaps trinken.
Und so tüftelte der Naturwissenschaftler herum, bis er in seinem Getränk die botanische Welt abbilden konnte. Auszüge von 106 Kräutern in Bio-Qualität geben dem Produkt seinen Namen. Enthalten sind Melisse, Salbei, Zwiebeln und Arnika, aber auch Weidenrinde, Algen-Extrakt und Broccoli-Spitzen.
Mittlerweile brennt Lüdeking seinen Kräuter-Cocktail in einer gewerblichen Küche in Hohenfelde. Pro Jahr werden nur 1000 Flaschen à 0,7 Liter hergestellt, „wir wollen handwerklich bleiben“, sagt Lüdeking. Geld verdiene er mit anderen Dingen, der Schnaps sei sein Hobby.
Wie auch die Segelei. Und deshalb macht der Hamburger beim alljährlichen Hafengeburtstag mit seinem Zweimaster „Samyrah“ im Museumshafen Oevelgönne fest und schenkt auf dem Oldtimer 106 Kräuter aus. Wer nicht bis zum nächsten Jahr warten möchte, bekommt das Produkt im Wein- und Feinkostladen.