Hamburg. Seit einem Jahr nimmt Hamburgs jüngster Gastro-Trend so richtig Fahrt auf. Jeden Monat gehen etwa zwei rollende Küchen an den Start.

Dennis von Malottke fährt mit seinem Food-Truck Kiezküche an der Rindermarkthalle vor. Sofort bildet sich eine lange Schlange von Kunden. Das schwarze, kastenförmige Fahrzeug mit seinen Aufschriften wie Geschmacksträger oder Banh Mi weckt Neugier. „Die Menschen stellen sich manchmal eine halbe Stunde an, um unser Banh Mi zu essen“, sagt von Ma­lottke, Chef des Unternehmens Kiezküche. Das vietnamesische Sandwich ist beliebt und kann mit Huhn, Rind- oder Schweinefleisch kombiniert werden.

Die Food-Trucks haben ein unverwechselbares Profil – von der Optik und dem gastronomischen Angebot. Mexikanische Küche mit Tacos und Burritos und hausgemachte Limonaden bietet der Truck Los Tacos. Mit italienischem Charme lockt Massimo Perria seine Kunden, um ihnen Pizzen aus dem Steinbackofen zu verkaufen. Hamburgs kleinster Food-Truck SuppKultour tischt Suppen auf. Auch Claudio Pekrun setzt mit seinem schwarzen Truck auf mobiles Essen: Wenn bei The Big Balmy die Klappe fällt, gibt es Burger in verschiedenen Varianten. Jeder zweite mobile Imbiss verkauft dieses Lieblingsgericht der Hamburger – zum Beispiel die Trucks Hackbaron, Meatwagen oder Goldburger.

Seit einem Jahr nimmt Hamburgs jüngster Gastro-Trend so richtig Fahrt auf. Kulinarische Vielfalt und wechselnde Standorte sind die neue Konkurrenz für Imbissbuden und preiswerte Mittags-Gastronomen. Mindestens 40 Food-Trucks touren inzwischen durch Hamburg, schätzt Branchenkenner Jochen Manske. „Jeden Monat kommen zwei neue Anbieter hinzu.“ Gemeinsam ist den Küchen auf Rädern die Konzentration auf wenige Speisen, die unter Verwendung regionaler Zutaten frisch zubereitet werden. „Das kommt an, ist aber auch auf bestimmte Standorte mit hoher Kundenfrequenz beschränkt“, sagt Gregor Maihöfer, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Dehoga.

Die klassische Imbissbude habe weiter ihre Berechtigung. „Im Vergleich dazu sind die Food-Trucks ein Nischenmarkt“, sagt Gretel Weiß, Herausgeberin der Zeitschrift „Food-Service“. Nicht einmal ein Prozent des gesamten Imbiss-Umsatzes in Deutschland entfalle auf dieses Segment. 31.000 Imbisse erwirtschaften 2013 einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro.

„Manche probieren mit den Food-Trucks ein gastronomisches Konzept aus, bevor sie ein Restaurant mieten“, sagt Manske. Denn die Einstiegskosten sind deutlich günstiger als bei der Neueröffnung eines festen Lokals. Andere erweitern ihr Geschäft: Von Malottke plante zunächst, in einer Küche an der Großen Elbstraße die Produkte für den Truck vorzuproduzieren. „Als wir gemerkt haben, dass viele Leute dort auch essen wollten, haben wir die Küche zu einem kleinen Imbiss umfunktioniert und Futterküche genannt“, sagt von Malottke.

Ganz neu in der Szene ist Sina Luikenga, die mit ihrer Schwester den Food-Truck Beet in the Box betreibt. Zwei Seiteneinsteiger, die vorher in der Branche der erneuerbaren Energien gearbeitet haben. Um schnellen Energiegewinn geht es auch bei ihren Gerichten. Etwa ein Smoothie Bowls. Anders als üblich kann das Mixgetränk aus Obst wegen seiner festeren Konsistenz gelöffelt statt getrunken werden. Zum zusätzlichen Energiegewinn werden Früchte, Nüsse und Goji-Beeren beigemischt. „Wir sind beide sehr sportbegeistert und haben unser Konzept darauf ausgerichtet, bei Sportveranstaltungen Station zu machen“, sagt Luikenga. Dazu passen auch energiereiches Bananenbrot und Salate – alles ganz vegetarisch.

Lunch-Karawane versorgt täglich Büroangestellte mit Mittagstisch

Mittags läuft in Hamburg das große Geschäft der Food-Trucks. Mit seinem Pizzamobil tourt Massimo Perria fast die ganze Woche durch Hamburg. Dienstags bedient er die Büroangestellten in der Wendenstraße in der City Süd, mittwochs versorgt er die Studenten der TU Harburg in der Schwarzenbergstraße. Branchenexperte Manske hat die Lunch-Karawane auf die Räder gebracht. An acht verschiedenen Food-Truck-Haltestellen, wie den Bürozen­tren am Alten Teichweg oder dem Normannenweg (Hanse 90) halten die rollenden Kantinen täglich immer wechselnd. „Öffentliche Stellflächen sind knapp, deshalb stehen wir häufig auf dem Firmengelände“, sagt Manske. Zum Beispiel bei Philips in der Röntgenstraße. Dort wird die Kantine renoviert, und es gibt nur eine eingeschränkte Versorgung. „Die täglich wechselnden Food-Trucks sind deshalb eine gute Ergänzung“, sagt Werksleiter Diedrich Dirks. „Ich bin erstaunt, wie gut das Angebot angenommen wird, obwohl es im Gegensatz zum Kantinenessen nicht subventioniert wird.“

Einige der mobilen Profiküchen, die über Hamburgs Straßen rollen, wie Hackbaron oder The Big Balmy kommen von der Esselmann Fahrzeugtechnik aus Lengenbostel (Samtgemeinde Sittensen). „Unser Geschäft in diesem Bereich hat seit einem Jahr so richtig angezogen“, sagt Geschäftsführer Nils Boerner. Die Food-Trucks werden auf einem Fiat Ducato aufgebaut und nach individuellen Wünschen ausgestattet. Eine fest eingebaute Gasanlage und ein Stromgenerator gehören zum Standard. „Wichtig für die Kunden ist eine niedrige Ausgabehöhe der Speisen“, sagt Boerner. Auch wenn ein Fiat Ducato nicht so hipp daherkommt wie ein US-Paketlaster rät Esselmann zur Standardvariante. „Mit dem Fiat Ducato kann man überall die Innenstädte befahren, und das Personal benötigt nur einen normalen Pkw-Führerschein“, sagt Boerner. Auch die Unterhaltungskosten seien günstiger. Doch auch ein ausgebauter Fiat-Ducato hat seinen Preis: 60.000 bis 100.000 Euro.

Neue Gerichte und Standorte verbreiten sich schnell über die sozialen Netze

Die Food Trucks kommen ursprünglich aus den USA. Über Nürnberg und Berlin etablierten sie sich in Hamburg. „Jetzt geht es überall in Deutschland richtig los“, sagt Branchenkennerin Weiß. Sie sieht die Entwicklung eher als ein soziales als ein kulinarisches Phänomen. „Vielfach sind das Aussteiger, die aus gut bezahlten Berufen kommen und etwas Neues wagen, obwohl die Verdienstchancen eher bescheiden sind“, sagt Weiß. Dennoch werde der Trend nicht schnell verebben. „Betreiber und Kunden sehen sich als eine Community“, sagt Weiß. Standorte, neue Gerichte und Trends verbreiten sich schnell über soziale Netzwerke.

Zwar sind die meisten Betreiber der mobilen Gourmet-Stationen Einzelkämpfer. So hat auch The Big Balmy klein angefangen. Inzwischen hat das Unternehmen vier Trucks und 25 Beschäftigte. „Das Ziel ist, in andere Städte zu expandieren und insgesamt 15 Trucks auf Deutschlands Straßen zu schicken“, sagt Unternehmenschef Claudio Pekrun, der im Rücken einen Finanzinvestor hat. Im nächsten Jahr will Pekrun sein Konzept mit Franchisenehmern in München und Frankfurt testen. Die Marke Balmy möchte er breiter aufstellen: „Möglich wäre, noch andere Geschäftsbereiche einzubringen wie den Verkauf unserer Soßen im Einzelhandel“, sagt Pekrun.

Ob mit Karawane oder als Einzelkämpfer: „Man braucht Ausdauer, Leidenschaft, ein stimmiges Konzept und gute Standorte, die knapp sind“, sagt Manske. Denn wer denkt, in wenigen Stunden über Mittag das Geschäft des Tages machen zu können, der irrt. „Die Betreiber benötigen schon mehrere Standbeine“, sagt Manske. Am Wochenende fährt die Kiezküche häufig zu Events. Sie war schon in Nürnberg oder München. „Wir werden oft für Firmenfeiern und private Veranstaltungen gebucht“, sagt von Malottke. Derzeit denkt er über einen zweiten Truck nach, denn der Umsatz wächst und das Unternehmen schreibt bereits schwarze Zahlen. Von Konkurrenz untereinander will er in der schnell wachsenden Szene noch nichts wissen: „Wir sind eine tolle Gemeinschaft, in der man sich untereinander hilft.“

Jeden Donnerstag von 17.00 bis 23.00 Uhr macht die Lunch-Karawane mit 15 bis 20 Food-Trucks auf dem Spielbudenplatz Station. www.street-food-session.deHamburgs Büroroute: www.lunch-karawane.de