Hamburg. Seit einem Jahr sind die ersten P+R-Plätze gebührenpflichtig. Die Folge: Immer mehr Pendler stellen ihr Auto in Wohngebieten ab.

Die einen sprechen von Abzocke und Etikettenschwindel, die anderen von einem gelungenen Beitrag zur Verkehrsplanung: Vor etwa einem Jahr wurden die ersten 15 Park-and-ride (P+R)-Anlagen an Hamburger U- und S-Bahn-Haltestellen gebührenpflichtig. Pendler, die ihr Auto an einer der mittlerweile 18, über die ganze Stadt verteilten Anlagen abstellen, müssen seitdem zwei Euro pro Tag berappen, 20 pro Monat und 200 fürs ganze Jahr. Bis zum Jahr 2017 sollen alle P+R-Anlagen kostenpflichtig sein. Doch die bisherige Bilanz fällt durchwachsen aus.

Eine Anfrage des FDP-Verkehrsexperten in der Bürgerschaft, Wieland Schinnenburg, hat ergeben, dass die Stadt seit Einführung der Entgeltpflicht rund 1,43 Millionen Euro über die Ticketautomaten und 206.000 Euro durch den Verkauf von Jahreskarten eingenommen hat. Allerdings mussten für die Aufstellung der Automaten und für das Personal vor Ort auch 533.000 Euro aufgewendet werden.

Darüber, ob die Anlagen auch nach der Gebühreneinführung gut genutzt werden, gibt es keine vollständig gesicherten Angaben, weil die P+R-Anlagen nur zum Teil über eine sogenannte Frei/Besetzt-Erfassung verfügen. Stichprobenartige Zählungen ergeben ein sehr uneinheitliches Bild und sind nicht wirklich aussagestark. Danach hat beispielsweise die Auslastung in der P+R-Anlage am Berner Heerweg um 15 Prozent auf eine Auslastung von 39 Prozent abgenommen, während die am Langenhorner Markt um neun Prozent anstieg – auf 61 Prozent Auslastung.

„Diese Zahlen offenbaren ein Desaster. Gleichzeitig wollen die Verantwortlichen die Wahrheit nicht wissen“, schimpft Wieland Schinnenburg. „Die Erhebung der Parkgebühren verschlingt zudem Unsummen, das Ganze ist hemmungslos unwirtschaftlich.“

Hinzu kommt ein Problem, das den Anwohnern im Umkreis der gebührenpflichtigen P+R-Anlagen viel Verdruss bereitet: Um die Parkgebühren zu sparen, stellen viele Pendler ihre Autos einfach in den angrenzenden Wohngebieten ab.

Beispiel Elbgaustraße: Obwohl die angrenzenden Straßen durch ein ausgeklügeltes Einbahnstraßennetz vor zu viel Durchgangsverkehr geschützt werden sollen, parken hier auffallend viele Autos mit dem Kennzeichen PI für Pinneberg. „Das ist ganz schlimm geworden“, berichtet Anwohner Horst Jessat aus der Straße Weidplan. „Die wollen das Geld fürs Parkhaus sparen und stellen ihre Autos hier irgendwo ab. Wir mussten schon einige Male die Polizei rufen, weil wir mit unserem Auto gar nicht wegfahren konnten.“

Fairerweise gibt Jessat zu, dass die neue Gebührenpflicht offenbar auch einen positiven Effekt hat: „Ich habe gehört, dass manche in dem Parkhaus jetzt lieber parken als früher, da aufgrund des Personals viel weniger in die Autos eingebrochen wird.“ Nebenan in den Straßen Krögen und Mesterfeld sieht es genauso aus. Überall stehen Pendlerautos, und an vielen Häusern wurden mittlerweile Schilder aufgehängt, man möge die Einfahrt doch bitte unbedingt frei halten. „Ich sehe hier täglich viele Leute parken und dann zur S-Bahn gehen, erzählt Karin Zietow-Walter aus dem Redingskamp. „Aber was soll man machen? Man kann die ja nicht alle rausfiltern und sagen: ,Du gehörst hier nicht her.‘“

Ähnlich ist die Stimmung in Berne und Volksdorf. „Seit die Parkgebühr eingeführt wurde, stehen hier deutlich mehr Autos am Straßenrand“, berichtet Autohändler Konstantin Iseris aus dem Berner Heerweg“, allerdings gibt es hier auch so noch genügend Parkplätze.“

Weniger gelassen sieht Manfred Heinz aus dem Volksdorfer Heinsonweg das Ganze. „Seitdem die Volksdorfer P+R-Anlage gebührenpflichtig ist, wird sie boykottiert“, sagt Heinz, der auch Vorsitzender des Bürgervereins Walddörfer ist. „Die Anlage bietet Platz für rund 400 Autos, meistens stehen dort 60 bis 70.“

Stattdessen seien nun Straßen wie Halenreie, Uppenhof und Claus-Ferck-Straße total zugeparkt – und zwar „von Dauerparkern, die nicht hierhergehören“. Laut Heinz fänden nun vor allem viele ältere Volksdorfer deutlich schwerer einen Parkplatz, beispielsweise auf dem Weg zum Arzt.

Für Heino Vahldieck, Geschäftsführer der P+R Betriebsgesellschaft mbH sind das keine Belege dafür, dass das Projekt „Parkgebühren für Pendler“ gescheitert ist. „Für mich lässt sich der Erfolg oder Misserfolg nicht am Füllungsgrad von Parkhäusern messen“, so Vahldieck gelassen. Denn es würden mittlerweile viele Dauerparker aus angrenzenden Straßen nicht mehr im Parkhaus stehen, sondern wieder dort, „wo sie hingehören“. Das gelte zum Beispiel für die P+R-Anlage Neuwiedenthal, die aktuell häufig gähnend leer ist. „Die Leute aus der Gegend parken ihre Autos wieder auf den Straßen in der Nähe ihrer Wohnungen, und die Pendler finden endlich problemlos Parkplätze“, so Vahldieck, „das ist durchaus gewollt.“

Auch habe er Erkenntnisse, dass beispielsweise Pendler aus Lüneburg bereits ihre örtlichen Parkhäuser nutzen und dann mit der Bahn nach Hamburg hineinfahren, statt eine P+R-Anlage im Hamburger Süden anzusteuern. „Die P+R-Anlagen sind ja von den Nutzern mitfanziert“, so Vahldieck, „insofern ist eine große Platzauswahl für diejenigen, die dafür bezahlen, ja wohl eine Selbstverständlichkeit.“

Ganz anders die Bewertung von Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Die kostenpflichtigen P+R-Plätze sind ein Flop und eine Abzocke“, so Thering. „Anders als vom Senat erwartet, hat sich auch kein Gewöhnungseffekt bei den Nutzern eingestellt. Das einzige Ergebnis sei, dass nun wieder mehr Autos auf den Straßen stünden. Thering fordert, genau wie Schinnenburg, die Gebührenpflicht für P+R-Plätze wieder abzuschaffen.

„Statt ins Parkhaus fahren die Autofahrer so weit wie möglich in die Stadt hinein und stellen den Wagen einfach irgendwohin“, so Wieland Schinnenburg. Im kommenden Frühjahr werden die nächsten vier P+R-Anlagen gebührenpflichtig, darunter am Lattenkamp und in Poppenbüttel.