Hamburg. Runder Tisch der Initiative „Feuer und Flamme“ diskutiert Chancen und Risiken für Hamburg. Oberbaudirektor nennt neue Einzelheiten.
Gerade hatte Yvonne Frank ihren leidenschaftlichen Appell zu den Olympischen Spielen gehalten. Über die wundersame, einzigartige Verbindung von Athleten und Zuschauern, über die Magie, die während der Spiele in einer Stadt entsteht und die man nie mehr vergisst. Gerade hatte die deutsche Hockey-Nationaltorhüterin von den Spielen in London 2012 geschwärmt und über die einmalige Chance der Spiele 2024 für Hamburg gesprochen, da tutet ein auslaufendes Kreuzfahrtschiff – die „Costa neoRomantica“ – viermal hintereinander und ohrenbetäubend direkt gegenüber der HafenCity-Universität. Geht’s noch symbolischer?
Die private Olympiainitiative „Feuer und Flamme“ hatte in Partnerschaft mit dem Hamburger Abendblatt und dem TV-Sender Hamburg 1 am Donnerstag zum ersten runden Tisch über die Chancen, die Risiken, die Möglichkeiten und Gefahren von Olympischen Spielen in Hamburg geladen. Im Holcim-Saal der Hochschule „für Baukunst und Metropolenentwicklung“ wurde diskutiert, wurden Gedanken ausgetauscht.
Der Moderator, Abendblatt-Redakteur Oliver Schirg, streute immer wieder die Fragen der Leser ein. „Stadtentwicklung“ war das Thema des ersten Nachmittags, auch deshalb passte der Austragungsort. Und natürlich wegen des wunderbaren Ausblicks auf das potenzielle Olympiagelände gegenüber auf dem Kleinen Grasbrook.
„Halt!“, intervenierte der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Wolfgang Maennig etwa zur Hälfte der sehr disziplinierten Gesprächsrunde mit ihren 16 Teilnehmern: „Es ist nicht die erste Aufgabe von Olympischen Spielen, Stadtentwicklung zu betreiben. Es geht darum, die besten Sportler zu begrüßen und Gäste aus aller Welt“, sagte der Achter-Olympiasieger von 1988 in einem leidenschaftlichen Redebeitrag. „Aber spätestens seit den Spielen von 1992 gibt es ein Barcelona-Syndrom. Seit der sehr gelungenen Entwicklung dort glaubt jede Stadt, sie müsse bei ihren Bürgern damit werben, dass nun auch die Zentralregierung Geld für Infrastrukturmaßnahmen ausgibt.“
Auch das 50-Meter-Becken im Olympiabad soll erhalten bleiben
Denn das Thema dieses Treffens war doch genau das. Oberbaudirektor Jörn Walter referierte zu Beginn über die geplante Entwicklung nach Süden und Osten, „wie ein Scharnier“ liege das Olympiagelände zwischen den weiteren Entwicklungsmaßnahmen. 6000 Wohnungen würden dort entstehen, Walter redete sich in Begeisterung und führte Details in den Planungen zu den Sportstätten aus. „23 Sportstätten haben wir schon, nur fünf müssen neu gebaut werden, drei auf dem Olympiagelände.“ Das Stadion für 70.000 Zuschauer, die Schwimmhalle, die Olympiahalle für 15.000 – alles längst bekannt.
Einige Details verriet Walter dann aber doch: Das 50-Meter-Becken im Olympiabad soll erhalten bleiben und Tribünen für 2000 Zuschauer, um eine Nachnutzung als Sportstätte zu ermöglichen. Dazu kommt ein Freizeitbereich mit Rutschen und Wasserspaß für alle. Die Olympiahalle wird zum Kreuzfahrtterminal. Und im Leichtathletikstadion sollen nach den Spielen die Oberränge zu Wohnraum umgestaltet werden. „Wir wollen keine weißen Elefanten, wir wollen eine sinnvolle Nachnutzung“, sagte Walter.
Und was soll das alles kosten? Weiß man natürlich noch nicht. „Gründliche Planung“, forderte der Bauunternehmer Dieter Becken, „das müssen wir aus der Elbphilharmonie lernen.“ Aber konkrete Zahlen? Schwer. Und zum Zeitpunkt des Referendums am 29. November unmöglich. „Das heißt für mich ein Freifahrtschein zum Geldausgeben“, sagte Benedikt Schroeter. Das Mitglied im AStA der HafenCity Universität, ein angehender Bauingenieur, hatte die Rolle des Kritikers und Gegners.
Eine relativ einsame Rolle an diesem Nachmittag, was aber auch daran lag, dass Vertreter der Initiative NOlympia auf die Einladung zu diesem runden Tisch nicht einmal reagiert hatten. Schroeter aber hielt sich tapfer, formulierte seine Bedenken, fragte sich und andere, ob Olympia angesichts der Flüchtlingsproblematik wirklich angebracht ist, ob nicht das Olympische Dorf zur „HafenCity 2.0“ werde, in der abends gar nichts los ist – „wir müssen dann immer auf die Schanze gehen“.
Beantworten aber lassen sich solche Fragen allgemeingültig natürlich nicht. Katja Kraus, Olympiateilnehmerin 1996 in Atlanta, ehemals HSV-Vorstand und jetzt in der Geschäftsführung der Werbeagentur Jung von Matt für den Sport verantwortlich, fand für viele Kritiker die richtige Antwort: „Die Einwände der Kritiker haben ja gerade dazu geführt, dass wir hier in Hamburg intensiv das Für und Wider diskutieren. Wir müssen die Menschen einbinden, ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie ein einmaliges Ereignis erleben können“, sagte Kraus, und fügte hinzu: „Außerdem wird mir bei der Diskussion zu oft der Aspekt Spaß vergessen.“
Das Leben sei nicht nur Arbeit und Essen, „sondern auch der Austausch mit anderen Kulturen, mit Gästen, das Miteinander – und die Freude an sportlicher Höchstleistung“. Und das genau kann einer Gesellschaft etwas wert sein, sagte auch Maennig: „Die Frage sollte nicht sein, wie teuer Olympia wird, sondern was wollen wir dafür bezahlen.“ Diese Frage wird sicher auf einem der nächsten runden Tische diskutiert.
Zunächst wird die Veranstaltungsserie am 27. August mit dem Thema Nachhaltigkeit fortgesetzt. Weitere Schwerpunkte werden dann der Hafen, Verkehr/Mobilität, Kultur, ein Bürgertisch, Inklusion und Sport in Hamburg sein