Hamburg. Mehr als 400 Gäste auf Abendblatt-Wirtschaftsgipfel. Daimler-Vorstandschef: Automobilindustrie steht vor dramatischer Veränderung.

EU-Kommissar Günther Oettinger hat auf dem Abendblatt-Wirtschaftsgipfel eine europäische Digitalstrategie gefordert.

Bislang habe man im Großen und Ganzen den Wettbewerb im Rahmen der digitalen Revolution verloren, sagte Oettinger am Mittwoch bei der Veranstaltung im Atlantic-Hotel. Amerikaner und Koreaner seien bislang stärker. Jetzt ergreife die digitale Revolution die Realwirtschaft. „Jeder Sektor der Wirtschaft wird in den nächsten Jahren erfasst werden“, sagte der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft.

Nach den Worten von Oettinger wird am Ende dieses Jahrzehnts entschieden sein, wer Gewinner und wer Verlierer der digitalen Revolution sein werde. „Die Amerikaner wollen aus ihrer digitalen Überlegenheit wirtschaftliche Überlegenheit machen.“ Das ziele auf die europäische Industrie. Europa mit seinen mehr als 500 Millionen Einwohnern sei nach wie vor für die Wirtschaft anderer Kontinente hoch interessant.

„Europäisierung des Datenschutzrechts ist notwendig“

Das Hamburger Abendblatt hatte am Mittwoch zum Wirtschaftsgipfel 2015 geladen. Mehr als 400 Manager und Unternehmer von Unternehmen waren der Einladung gefolgt. Auf der Veranstaltung ging es um eine zentrale Zukunftsfrage für die deutsche Wirtschaft: Wie wird die Digitalisierung sich auf Unternehmen und Branchen auswirken?

Abendblatt-Geschäftsführer Frank Mahlberg erklärte zur Eröffnung, im digitalen Zeitalter müssten Unternehmen schneller auf die sich verändernden Anforderungen des Marktes reagieren und sich bedingungslos an den Wünschen der Kunden orientieren. Allerdings wäre es ebenso falsch, „alles ganz anders zu machen, wenn man noch nicht weiß, wohin man will“. Mahlberg warnte vor Selbstzufriedenheit und plädierte für eine Veränderungskultur, in der eher die Chance als das Risiko gesehen werde.

Oettinger mahnte ein europäisches Datenschutzgesetz an, dass den Datenschutz auf wesentliche, wichtige Regeln reduziere, aber die Chancen der Digitalisierung nutze. Landesdatenschutzgesetze spielten für international agierende digitale Unternehmen kaum eine Rolle. Die Firmen suchten sich die Länder aus, in denen die für sie günstigsten Regeln herrschten. „Die Europäisierung des Datenschutzrechts ist notwendig, wenn man Handlungsfähigkeit zurückgewinnen will.“

„Wer aber die Daten hat, hat die Macht“

Ebenso führe kein Weg am massiven Ausbau der digitalen Infrastruktur vorbei, sagte Oettinger weiter. Der Bedarf an Datentransportmöglichkeiten werde explodieren. Notwendig seien mehr Ehrgeiz und Mittel von privaten Investoren und der öffentlichen Hand. Der EU-Kommissar verglich den Bedarf mit einer „zwölfspurigen Autobahn“, die entstehen müsse. Allerdings sei auch hier paneuropäisches Wirken vonnöten. Nationale Strategien griffen in einem mobilen europäischen Binnenmarkt zu kurz.

Wirtschaftsgipfel – Das Treffen der Entscheider

 Der ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan unterhielt sich im Hotel Atlantic mit Sigrid Kahrs (l.) und Ute Middelmann, der Senior-Beraterin und der Inhaberin der PR-Agentur UMPR
Der ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan unterhielt sich im Hotel Atlantic mit Sigrid Kahrs (l.) und Ute Middelmann, der Senior-Beraterin und der Inhaberin der PR-Agentur UMPR © Michael Rauhe
Beim Vorempfang im Restaurant Le Canard trafen sich Asklepios-Gründer Bernard große Broermann (l.) und NDR-Intendant Lutz Marmor
Beim Vorempfang im Restaurant Le Canard trafen sich Asklepios-Gründer Bernard große Broermann (l.) und NDR-Intendant Lutz Marmor © Michael Rauhe
Kaffeeunternehmer Albert Darboven (l.) und der Geschäftsführer seines Unternehmens Wilfried Peters
Kaffeeunternehmer Albert Darboven (l.) und der Geschäftsführer seines Unternehmens Wilfried Peters © Andreas Laible
Dr. Reiner Brüggestrat (l.), Vorstandssprecher Hamburger Volksbank, und Christoph Wöhlke, Geschäftsführer Budnikowsky
Dr. Reiner Brüggestrat (l.), Vorstandssprecher Hamburger Volksbank, und Christoph Wöhlke, Geschäftsführer Budnikowsky © Andreas Laible
Hans-Walter Peters, Gesellschafter Berenberg, beim Vorempfang des Wirtschaftsgipfels im Le Canard
Hans-Walter Peters, Gesellschafter Berenberg, beim Vorempfang des Wirtschaftsgipfels im Le Canard © Michael Rauhe
Volker Tschirch (l.), Hauptgeschäftsführer AGA, mit Kristina Tröger, Geschäftsführerin Tröger & Partner, und Ralf Wittenberg, Chef BAT Deutschland
Volker Tschirch (l.), Hauptgeschäftsführer AGA, mit Kristina Tröger, Geschäftsführerin Tröger & Partner, und Ralf Wittenberg, Chef BAT Deutschland © Andreas Laible
Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt und der Bezirksamtsleiter von Eimsbüttel Torsten Sevecke
Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt und der Bezirksamtsleiter von Eimsbüttel Torsten Sevecke © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Jürgen Hunke (l.), Geschäftsführer Mikado, und der Aurubis-Vorstandsvorsitzende Bernd Drouven
Jürgen Hunke (l.), Geschäftsführer Mikado, und der Aurubis-Vorstandsvorsitzende Bernd Drouven © Andreas Laible
Klaus Ebert (l.), Präsident Allgemeiner Hamburger Presseclub, Björn Dahler, Geschäftsführer Dahler & Company
Klaus Ebert (l.), Präsident Allgemeiner Hamburger Presseclub, Björn Dahler, Geschäftsführer Dahler & Company © Andreas Laible
Julia Heymann (l.), Director Cohn & Wolfe, und Corinna Schubert, Director Hering Schuppener Healthcare
Julia Heymann (l.), Director Cohn & Wolfe, und Corinna Schubert, Director Hering Schuppener Healthcare © Andreas Laible
Dr. Floria Fassihi, Journalistin und Dozentin, und Volker Ernst, Geschäftsführer Ernst Factoring
Dr. Floria Fassihi, Journalistin und Dozentin, und Volker Ernst, Geschäftsführer Ernst Factoring © Andreas Laible
 Joachim und Barbara Henkel hatten die Karten für den Wirtschaftsgipfel des Abendblatts gewonnen
Joachim und Barbara Henkel hatten die Karten für den Wirtschaftsgipfel des Abendblatts gewonnen © Michael Rauhe
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Oettinger mahnte die anwesenden Unternehmer, mehr in die Datensicherheit zu investieren. Hierzulande fehle es an der notwendigen Sensibilität und Verantwortung. Deutsche Firmen gingen aus seiner Sicht fahrlässig mit Unternehmensdaten um. „Wer aber die Daten hat, hat die Macht.“ Deshalb sei ihre Sicherung eine so wichtige Aufgabe.

Automobilindustrie vor dramatischen Veränderungen

Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, geht davon aus, dass die Automobilindustrie in den kommenden Jahren sich dramatischer verändern wird als jemals zuvor. Die Digitalisierung revolutioniere die Arbeit von Autoherstellern über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Allerdings biete sie auch große Chancen. Deshalb laute die Frage: „Wie schaffen wir es, Treiber und nicht Getriebene zu sein“, sagte Zetsche.

Dieter Zetsche beim Abendblatt-Wirtschaftsgipfel
Dieter Zetsche beim Abendblatt-Wirtschaftsgipfel © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Der Daimler-Chef riet in seiner Keynote die anwesenden Unternehmer, aktiv die digitale Revolution anzugehen. „Machen Sie Ihrem Kerngeschäft selbst Konkurrenz, bevor es andere tun.“ Als Beispiel nannte Zetsche die Entwicklung des Car-Sharing-Angebots „Car2go“. Inzwischen sei das Start up von Daimler der weltweit größte Anbieter im Bereich Car-Sharing und verfüge über 13.000 Fahrzeuge. Künftig werde es im Kern auch um die intelligente Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel gehen. Zetsche stellte dazu das neue Angebot „Moovel“ vor.

Kundenorientierung zentrales Thema

Zetsche betonte - wie zuvor Mahlberg - die Notwendigkeit, von Kundenorientierung. „Konzentrieren Sie sich auf die Kundenbedürfnisse von morgen und nicht auf die Bedenkenträger von gestern.“ Von großer Bedeutung werden in den kommenden Jahren die Entwicklung autonom fahrender Kraftfahrzeuge sein. Bereits heute gebe es viele kleine Helfer an Bord, die den Autofahrer unterstützten. Autonomes Fahren werden aber ein großer Sprung bei der Verkehrssicherheit und der Wirtschaftlichkeit bedeuten.

Zetsche riet den Unternehmern, bei der Digitalisierung schnell zu sein und zugleich einen langen Atem zu haben. Der Innovationsdruck in anderen Teilen der Welt sei enorm. Allerdings rechneten sich viele Start ups über eine Reihe von Jahren nicht. Ähnliches gelte in Fragen der Elektromobilität.

Zetsche äußerte sich dennoch zuversichtlich, dass dem Elektromotor die Zukunft gehört. Er gehe von einem längeren Übergangsweg mit Zwischenschritten aus. „Heute müssen wir mit dem Verbrennungsmotor das Geld für die Entwicklung des Elektromotor verdienen.“ Notwendig sei es, die Reichweite von Elektroautos zu vergrößern.