Hamburg. Nachwuchsdesigner vom Campus Armgartstraße zeigen in der Handelskammer ihre Kreationen – inspiriert von Trachten der Vierlande.

„Seid ihr bereit!“, jubelte wenige Stunden vor der Modenschau eine Facebook-Nutzerin. „Schönster Laufsteg!#soon#amazing#fashionshow“, schwärmte sie in dem Eintrag, der die Leser zum Eintrittspreis von 20 Euro in den Börsensaal der Handelskammer locken sollte.

Wo sonst Wirtschaftslenker im schwarzen Business-Anzug auf Bilanzen gucken, zogen am vergangenen Sonnabend 70 Models die Blicke von 1700 Zuschauern auf sich. Bereits zum sechsten Mal präsentierten in dem alt-ehrwürdigen Gebäude 150 Studierende vom Modecampus Armgartstraße ihre Arbeiten einem großen Publikum.

Die jungen Modeschöpfer vom Department Design der Hochschule für Angewandte Wissenschaften bezauberten mit textilen Reminiszenzen an die Vierländer Trachten und seinen Maler Hermann Haase (1862–1934) ebenso wie mit steilen Strickentwürfen. Modedesign-Professor Jürgen Frisch und seine Kollegen waren begeistert: „Die Kollektionen der Studierenden sind heller und freundlicher geworden. Sie sind nicht mehr so melancholisch wie noch vor fünf Jahren.“

Die Bachelor-Absolventin Nora Pauline Schütz zum Beispiel drückte mit dem „Brautpaar“ ihre Liebe für die Vierländer Kultur aus. Inspiriert hatte sie der Vierländer Dokumentar und Maler Hermann Haase, der als Meister der Aquarelltechnik alte Katen, das bäuerliche Leben sowie Männer- und Frauentrachten detailgetreu malte. „Ich war tief von seinen Aquarellzeichnungen der Häuser, Trachten und Alltagsgegenstände berührt“, sagt die Bachelor-Absolventin. „Haases perfektionistisch umgesetzter Anspruch, die Menschen der Vierlande und ihre Kunst erkennbar zu machen, weckte in mir den Wunsch, mich ebenfalls mit dieser Kultur auseinanderzusetzen.“

So entwickelte die Studentin ihre mit viel Beifall bedachte Kollektion. Als Material kamen Kartoffelsäcke, grobes Leinen, Jeans und beschichtete Seide zum Einsatz – ein Vierländer Traum in Weiß. Von ganz anderem Kaliber sind die Entwürfe von Katharina Rumpf, Absolventin des Masterstudiengangs. Die Models durften auf dem Laufsteg richtigen Schrott zeigen. Zum Beispiel Kotflügel, die sanft die Hüften umspielen. In der Designer-Werkstatt kamen neben Nadel und Faden auch Hammer, Flex und Schweißbrenner zum Einsatz. Und zwar so filigran, „dass es auch Seidenatlas hätte sein können“, sagt Professor Frisch. Erst vor Kurzem erhielt die junge Modedesignerin Katharina Rumpf den Dortex Design-Award in der Rubrik „Street-Couture“.

Derweil widmete sich Master-Absolventin Karina Kröger der Kunst des Handstrickens. Sie begeisterte das Publikum mit einer Collage von spinnenartigen Strickelementen. „Strick als Bildhauerei und trotzdem fließend“, kommentierten Experten die Kollektion. Neben den Abschlusskollektionen waren auf dem Laufsteg im Börsensaal auch Erstsemesterarbeiten zu sehen.

Insgesamt konnten die Zuschauer 250 Outfits bewundern. Und auf Wunsch bei den Absolventen bestellen. Perfekt bis ins Detail waren die Models von den Kreativen der Face Art Academy geschminkt. Als absolute Profis überließen die HAW-Studierenden nichts dem Zufall.

Die 70 Models hatten sie vorher in einem Casting ausgewählt. „Das Beste an Design, Konzept, Stil und Technik kam an diesen Abend zusammen“, freut sich Professor Frisch. Das Modeevent sei inzwischen zu einer die Stadt bereichernden Plattform für Studierende und Absolventen geworden – für die Designer von morgen.

Regelmäßig gewinnen HAW-Modeabsolventen internationale Preise. Wie jüngst Annelie Schubert beim 30. Festival International de Mode et de Photographie im südfranzösischen Hyères. Sie überzeugte die hochrangig besetzte Jury, zu der auch Virginie Viard (Chanel) und Caroline Prinzessin von Hannover geborene Prinzessin von Monaco zählten. Nun darf sich die HAW-Absolventin über einen exklusiven Zugang zu Werkstätten von Chanel freuen.

Die Deutschfranzösin ist nicht die erste Absolventin der HAW, die einen Preis beim Festival International de Mode et de Photographie in Hyères gewann. Nach mehreren erfolgreichen Teilnehmern aus der Armgartstraße wurde auch Ragne Kikas mit dem Hauptpreis Grand Prix du Jury Première Vision und dem Prix du Public de la ville d’Hyères ausgezeichnet.