Waffenschmuggel, ertrunkene Affen, Übermut von Matrosen: Untergegangene Schiffe vor Hamburg haben spannende Geschichten zu erzählen.
Ein Fass voller Gewehre hört sich nach einer seltsamen Ladung an. Im 17. Jahrhundert aber hatten Fässer dieselbe Bedeutung wie heute Container. In ihnen konnte man jede empfindliche Ladung seefest verpacken und verschicken. Historiker mit maritimer Erfahrung rätselten also nicht lange, als zwischen 1978 und 1981 bei Baggerarbeiten zwischen allem möglichen Baggergut auch Planken eines hölzernen Schiffes und ein Fass voller Musketen auftauchten. Die Forschungsarbeiten führten auf die Spur eines Waffenschmuggels. Er sollte Spanien mit Musketen versorgen, das zu jener Zeit im Krieg mit den Niederlanden lag.
Die Geschichte begann am 2. Juli 1622, als der Hamburger Schiffer Peter Janssen nach Cadiz und Malaga auslaufen wollte. Er hatte abends zwischen 6 und 7 Uhr, nachdem man an Land „vorzüglich gespeiset“ und einiges getrunken hatte, den Reeder und seine Freunde zu einem weiteren Umtrunk an Bord eingeladen. Man war fröhlich, da ging der Übermut mit der Mannschaft durch. Sie feuerte zur Unterhaltung und als Ehre für die Gäste die Kanonen ab.
„Als die erste Salve erfolgte, haben sich die Frauen und Jungfern aus angeborener Zaghaftigkeit des weiblichen Geschlechtes gewaltig verschrocken“, notierte ein Chronist. „Nach der zweiten Salve haben sie’s bittlich von ihren Männern erlangt, dass solch überlautes Schießen, welches ihnen gänzlich ungewohnt und zuwider, möchte eingestellt werden. Jedennoch hat das Schiffsvolk gegen die Order noch eine dritte Salve gelöst.“ Vermutlich war die Mannschaft betrunken, jedenfalls geriet ein Funken in das Pulverfass. „Mit erschrecklichem Donnerskrachen und feuriger Lohe“ ist das Schiff dann in die Luft geflogen. Das brennende Wrack riss sich los, trieb elbabwärts und ist vor Wittenbergen endgültig gesunken.
In allen schaurigen Details hielten Zeitgenossen fest, was von der „Schiffsauffliegung“ erzählt wurde. So soll einer der Reeder gerade auf dem Schiffskastell seinen Becher gehoben und vor Lust gejauchzt haben, als „der Schlag geschah und er im Nu in die Luft fuhr, von dannen er in Stücken niederfiel.“ 45 Menschen fanden damals bei der „Schiffsauffliegung“ den Tod. Das Hamburg Museum dokumentiert das Unglück mittlerweile in einer Ausstellung.
Athabaskakai hat seinen Namen von einem historischen Wrack
Als auf den großen Containerterminals an der Südseite der Elbe noch nicht Tag und Nacht die Umschlagbrücken liefen, gab es in Hamburg kaum einen stilleren Ort als Neumühlen. Vor mehr als 100 Jahren wohnten dort nur wenige Lotsen und Fischer.
Am 7. Oktober 1891 wurde diese Beschaulichkeit jäh unterbrochen: Ein metallisches Krachen, danach hallten schrille Todesschreie aus vielen Kehlen durch die trübe Oktobernacht. Die Menschen schreckten aus dem Schlaf, rannten vor die Türen, sahen aber nur wenig von dem Unglück auf der Elbe. Denn es war zu dieser Stunde bereits dunkel, und dichter Nebel lag über dem Fluss.
Bei so schlechter Sicht war der britische Dampfer „Athabasca“ aus Rangun zurückgekehrt. Wie so oft hatte er Reis in seinen Laderäumen, bei dieser Fahrt aber auch zusätzlich eine größere Anzahl Affen an Bord. Sie waren für den Bürgerlichen Zoologischen Garten vor dem Dammtor bestimmt.
Aus welchem Grund das Schiff auf eine Untiefe geriet, obgleich ein Lotse mit an Bord war, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Aber es war auch kein Drama. Noch nicht. Die Tide lief auf, in weniger als einer Stunde würde der Reisdampfer wieder von selbst freikommen. Das auflaufende Wasser hatte aber einen Nachteil: Es drückte das 91 Meter lange Schiff herum, bis es quer zum Fahrwasser lag. In diesem Augenblick näherte sich der Dampfer „Procida“, der aus New York kam.
Auf der „Procida“ nahm man die „Athabasca“ zunächst nur als Schatten wahr. Kapitän und Lotse auf dem Sloman-Dampfer konnten die drohende Gefahr kaum ausmachen. Erst als sie das Hindernis als ein schräg im Wasser liegendes Schiff erkannten, kam das Kommando „volle Fahrt zurück“. Aber fast schon im selben Augenblick bohrte sich der Steven der „Procida“ mittschiffs in die „Athabasca“. Der Steven der „Procida“ brach, ihr gesamter Bug wurde aufgerissen. Mit Horn- und Lichtsignalen machten beide Schiffe auf das Unglück aufmerksam.
Die „Athabasca“ sank langsam. Die Affen ertranken qualvoll, ihre Todesschreie gellten durch die Nacht und ließen die Bewohner von Övelgönne erschaudern. Glücklicherweise waren Menschenleben nicht zu beklagen, die Besatzung war gerettet worden, kurz bevor das Schiff auseinanderbrach.
Am nächsten Tag gingen Bergungsschiffe längsseits. Sie nahmen die Rumpfteile zwischen sich, brachten sie auf die Südseite der Elbe und setzten sie dort ab. Der Vorfall war bald vergessen. Nur Jugendliche segelten zu dem Wrack, hangelten sich hinauf und übten bei Hochwasser Kopfsprünge. Sie erzählten, das Wrack sei ein Schiff mit dem Namen „Athabasca“.
Bei einer Hafenerweiterung 1912 setzte man vor das rostige Wrack der „Athabasca“ eine Kaimauer. Dahinter spülte man Sand auf, bis vom Wrack nichts mehr zu sehen war. So entstand eine künstliche Landzunge, die den Namen Athabaskahöft bekam, inzwischen hatte man den Namen mit einem „k“ eingedeutscht. Darauf stand lange Zeit eine Wache der Hamburger Wasserschutzpolizei. In der Wache hing ein Ruderrad und davor lagerte ein Anker – beides war von der „Athabasca“. Heute ist an der Stelle eine Umschlaganlage für Container, die 1976 den Namen Athabaskakai erhielt.
Hilfe für die ausgekühlten Seeleute kam aus dem Altersheim mit heißer Suppe
Dichter Nebel war auch Ursache einer anderen Kollision auf der Elbe. Die Sicht reichte am 19. Dezember 1975 teilweise nur 50 Meter weit. Das Radargerät auf dem Frachter „Wiedau“ lief, auf seinem Bildschirm war ein Signal des Binnenschiffs „Uwe“ zu erkennen. Plötzlich kam ein weiteres Echo auf dem Radarschirm unvermittelt auf sie zu. Es war der polnische Frachter „Mieczyslaw Kalinowski“. Er traf die „Wiedau“ am Vorschiff. Sie erhielt einen starken Stoß nach Steuerbord. Als Folge drehte sie sich in den Kurs des Binnenschiffes und trennte es glatt durch. Der Schiffsführer der „Uwe“ hatte die Gefahr noch kommen sehen, konnte sich nur knapp aus dem Ruderhaus seines sinkenden Schiffes befreien und trieb nun im eiskalten Wasser. Wenig später zog er sich auf die „Wiedau“.
Als auch dieses Schiff kenterte, sprangen 16 Männer in das eiskalte Wasser und schwammen zum Schiffsanleger Wittenbergen. Dort standen bereits Menschen, die der Lärm aufgeschreckt hatte. Sie waren aus einem nahegelegenen Altersheim gekommen, weil sie das Dröhnen der doppelten Kollision gehört hatten. Nun führten sie die ausgekühlten Seeleute in ihr Haus und versorgten sie erst einmal mit heißen Getränken und einer Suppe.
Die Bergung von Wracks als Teil einer Unterhaltungsschau am Wochenende
Die Steven halten die Schiffsplanken längst nicht mehr zusammen, jede Flut spült über den zerfallenen Rumpf am Falkensteiner Ufer vor Blankenese. Er erinnert an die Zeit, als an dieser Stelle um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Bergung von Schiffen Teil einer Unterhaltungsschau war.
Auf dem Gelände von Friedrich Matthias Harmstorf gab es immer etwas zu sehen, was die Sensationslust befriedigte. Schon neben dem Landesteg, der zum Ausflugslokal und Hotel mit dem Namen „Hotel zum Falkenstein“ führte, lagen meist einige Schiffswracks.
Der Firmeninhaber begnügte sich schon bald nicht mehr damit, Schiffe zu bergen. Wenn seine Taucher nicht gerade Wracks beseitigten, stiegen sie in ihre wasserdichten Monturen, um Zuschauern die Abenteuer ihres Berufes vorzuführen. Da Sensationen sich auch damals schon schnell abnutzten, waren ständige Steigerungen und neue Ideen gefragt. Schließlich malte ein Maler unter Wasser sogar regelmäßig Bilder. Der Erste Weltkrieg machte Schluss mit dem Showrummel, 1918 wandten sich die Harmstorfs wieder ganz dem Tauch- und Bergungsgeschäft zu. Die letzte Blütezeit erlebte das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg, als es die zerbombten Wracks des Krieges aus dem Hafen beseitigte.
Aber zurück zu dem halb zerfallenen hölzernen Rumpf am Falkensteiner Ufer: Er gehört zu dem finnischen Dreimastschoner „Polstjernan“, der im Oktober 1926 mit einer Ladung Holz auf dem Weg nach England den Nord-Ostsee-Kanal passierte. Dabei setzte der Motor die Holzladung in Brand. Im Kanal wäre das brennende Schiff ein Hindernis, deshalb spannte ein Schlepper vor, taute den brennenden Segler durch die Schleusen von Brunsbüttel, setzte ihn vor Grimmershörn auf Sand und überließ ihn zunächst seinem Schicksal.
Erst eine Woche später erteilte die Versicherung einem Hamburger Schlepper den Auftrag, das Schiff zu bergen. Gemeinsam mit Fachleuten von Harmstorf zog man das Wrack ans Falkensteiner Ufer. Aber es war nicht mehr zu retten. So wurde der Rumpf der „Polstjernan“ mit Steinen gefüllt und dient seitdem als Wellenbrecher.
Vom Autor des Textes stammt das Buch: Legendäre Schiffswracks, Von der Arche Noah bis zur Titanic, Theiss Verlag 2015, 24,95 Euro