Hamburg. Apple will mit dem eigenen Streamingdienst den Musikmarkt erneut Mal umkrempeln. Damit wächst die Konkurrenz in einem umkämpften Markt.

Das letzte Mal, als die CD totgesagt wurde, waren die Umsatzrekorde mit Musik gerade in historischer Weise eingebrochen. Die neuen Möglichkeiten von Computern und dem Internet – insbesondere von aufkeimenden illegalen Tauschbörsen wie Napster – hatten dafür gesorgt, dass die Plattenlabel innerhalb weniger Jahre Einbußen von fast 50 Prozent hinnehmen mussten. Und Apple hatte 2003 seinen digitalen Plattenladen iTunes auf den Markt gebracht.

Vor fünf Jahren gab der Konzern aus Cupertino bekannt, man sei zum größten Musikhändler weltweit geworden. Nicht ganz im Alleingang, aber doch an vorderster Front eines sich wandelnden Geschäfts hatte iTunes dafür gesorgt, dass der freie Fall, in dem sich das Musikgeschäft befand, gebremst wurde.

Da hatte der nächste Umschwung, auf den sich eine Industrie einstellen musste, die heute noch zum großen Teil so funktioniert wie vor fünfzig Jahren, bereits begonnen. Streamingdienste begannen sich zu verbreiten. Der grundlegende Unterschied zum Downloadgeschäft: Man bezahlt nicht für Musik, für Alben oder einzelne Songs. Sondern für den Zugang zu ganzen Bibliotheken großer und kleiner Plattenlabel. Mehr als 30 Millionen Songs können bei Spotify, Google und Co. jederzeit abgerufen werden, die Angebote der Wettbewerber unterscheiden sich inzwischen nur noch im Detail.

Apple kann auf einen Kundenstamm von 800 Millionen Menschen zurückgreifen

Und wieder beginnen sich die Stimmen zu mehren, die einen Untergang der CD voraussagen. Spätestens, seit auch Apple auf dem neuen Wachstumsmarkt mitspielt. Seit gut einer Woche ist Apple Music in 100 Ländern verfügbar. Mit einem dreimonatigen, kostenlosen Testzugang wirbt das Unternehmen mit Macht um Kunden. Der wichtige Unterschied: Anders als vor zwölf Jahren ist Apple nicht Vorreiter, sondern Mitbewerber. Allein Branchenprimus Spotify hat weltweit 75 Millionen Kunden, davon 20 Millionen zahlende Abonnenten.

Trotzdem sagt Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) Apple einiges Potenzial voraus. Der Konzern habe es immerhin schon einmal geschafft, den Musikmarkt umzukrempeln. Und auch, wenn noch nicht abzusehen sei, wie groß der Einfluss der neuen Konkurrenz genau sein wird, „ist aber schon jetzt festzustellen, dass allein der Markteintritt das Thema Musik-Streaming in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich verstärkt hat“.

Zudem hat Apple Music den großen Vorteil, auf einen weltweiten Kundenstamm von 800 Millionen Menschen mit iTunes-Konten zugreifen zu können. Diese müssen keine neuen Zahlungsdaten hinterlegen, sondern nur dazu gebracht werden, sich für den neuen Dienst zu registrieren. Ist das jetzt also das Ende der CD, teilen sich Spotify, Apple, Google und Co. schon in Kürze den gesamten Musikmarkt?

Umsatzanteil vom Streaming erst bei acht Prozent

Weltweit hat das digitale Geschäft die physischen Verkäufe inzwischen eingeholt. Anders hierzulande, sagt Drücke: „2014 hatte die CD in Deutschland einen Umsatzanteil von 66 Prozent und ist damit derzeit klar die Leitwährung des Marktes. Allerdings werden wir hier in den kommenden Jahren ganz sicher weitere Verschiebungen sehen, da der Angebotsmix im Markt durch das Streaming ja noch einmal um eine weitere sehr dynamische Facette ergänzt worden ist.“

Drücke ist sicher, dass diese Angebote den deutschen Markt „entscheidend mitprägen werden“, das zeigten schon die Zahlen der vergangenen Jahre: 80 Prozent Zuwachs im vergangenen, sogar 90 im Jahr davor. Allerdings liegt „der Umsatzanteil von Streaming am Gesamtmarkt erst bei acht Prozent“, wie er einschränkend zu bedenken gibt.

Noch ist also ein Aus für die CD nicht abzusehen, nicht auf dem globalen und erst recht nicht auf dem deutschen Markt. Aber der Trend geht zumindest mittelfristig gesehen weg vom physikalischen Tonträger. Dazu trägt besonders der mobile Markt bei: Die Verbreitung von Smartphones – allein in Deutschland nutzen mehr als 45 Millionen Menschen die internetfähigen Handys – und schnellen Netzzugänge auch unterwegs ermöglichen eine Flexibilität, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre. Das Abspielgerät für die Musik, man hat es immer bei sich. Das lässt den Wunsch nach Allverfügbarkeit nicht nur von Information und Kommunikation, sondern auch nach Musik stärker werden.

Jeder Nutzer eines Streamingdienstes gibt im Jahr gut 120 Euro für Musik aus

Das digitale Geschäft erhöht auch die Hoffnung einer in den vergangenen Jahren in Schieflage geratenen Branche auf wirtschaftlich bessere Zeiten. Nicht ganz zu Unrecht: Weniger als 20 Euro hat jeder erwachsene Deutsche im vergangenen Jahr für Musik ausgegeben.

Als Abonnent eines Streamingdienstes – ganz gleich von welchem Anbieter – gibt man für seinen Zugang pro Jahr gut 120 Euro aus. Diese verteilen sich jedoch nicht über verschiedene Plattformen, sondern gehen in zunächst eine Hand. Noch sei eine Marktkonzentration auf wenige Anbieter allerdings kein Problem, so Drücke. Man müsse in dieser Hinsicht zwar „wach bleiben“. Aber gerade das Streaming-Umfeld sei momentan „sehr wettbewerbsintensiv“.