Hamburg . Angeblich wachsende Staugefahr ergebe sich aus ungenauen Berechnungen. FDP moniert, dass es noch kein exaktes Verkehrsmodell gibt.

Der rot-grüne Senat hat scharfe Kritik an einer kürzlich vorgestellten Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) zur Verkehrsentwicklung bis 2020 geübt. Die Autoren waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es in fünf Jahren im Alltag auf fast allen Autobahnen der Metropolregionen ständig zu Staus kommen werde (das Abendblatt berichtete). Der Senat glaubt das offenbar nicht – und lässt kaum ein gutes Haar an der Arbeit des HWWI. „Die Studie verwendet stark vereinfachte Verkehrsmodelle. Modale und auch räumliche Verlagerungseffekte, wie in verkehrswissenschaftlichen Betrachtungen üblich, werden dabei nicht hinreichend berücksichtigt“, schreibt er in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Verkehrspolitikers Wieland Schinnenburg. „Dies führt im Ergebnis zu verzerrten und übersteigerten Schlussfolgerungen z. B. hinsichtlich der Verstauung sämtlicher Autobahnen im Jahr 2020.“

Der FDP-Abgeordnete Wieland Schinnenburg nennt diese Antwort „eine erschreckende Mischung aus Arroganz und mangelnder eigener Anstrengung“. Das HWWI sei ein anerkanntes Institut, das sorgfältig gearbeitet habe. Es gebe sogar Stimmen, die einen viel stärkeren Anstieg des Verkehrs prognostizierten.

Frank Horch, Verkehrssenator
Frank Horch, Verkehrssenator © A. Laible

Schinnenburg kritisierte auch, dass der Senat ausweislich seiner Antwort erst im April dieses Jahres ein sogenanntes „Verkehrsmodell“ in Auftrag gegeben hat. Mit einem solchen Modell wird anhand der Einspeisung von Daten aus Hunderten Messpunkten die erwartete Verkehrsentwicklung und -verteilung berechnet.

„Der Senat hat seit Jahren bei diesem wichtigen Punkt geschlafen“, so Schinnenburg. „Er hat nicht weniger als vier Jahre gebraucht, um ein Verkehrsmodell nur in Auftrag zu geben. Dabei ist ein solches Verkehrsmodell eine unverzichtbare Grundlage für seriöse Verkehrspolitik.“

Verkehrsbehördensprecherin Susanne Meinecke wies die Kritik zurück. „Bei einem Verkehrsmodell handelt es sich um ein mathematisch äußerst komplexes Rechenmodell, das für eine Millionenstadt wie Hamburg mit allein über 900 innerstädtischen Verkehrszellen nicht wie ein Anzug von der Stange in einem Elektronikfachmarkt auf einer CD als Software erworben werden kann“, so Meinecke. Zudem sei eine europaweite Ausschreibung, die Anfertigung eines Lastenheftes (Leistungsverzeichnis) und eine Veröffentlichung nach dem Transparenzgesetz nötig gewesen. Das Ganze habe in all den Einzelschritten daher natürlich Zeit gebraucht.

Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) sagte: „Verkehrsplanung in Metropolen ist eine große und komplexe Herausforderung. In Hamburg müssen in einem Verkehrsmodell die kleinräumigen Verkehrsverhältnisse der Millionenmetropole abgebildet werden.“ Daran arbeite zurzeit im Auftrag seiner Behörde eine spezialisierte Ingenieurgesellschaft. „Mit dem dann vorliegenden Verkehrsmodell wird Hamburg ein höchst leistungsfähiges Ins­trument zur Verkehrsplanung zur Verfügung stehen“, so Horch.

Das HWWI zeigte sich derweil wenig beeindruckt von der Kritik an seiner Studie. „Es stimmt ja, wir sind keine Verkehrswissenschaftler, sondern Ökonomen, deswegen konnten wir nicht alle Effekte einberechnen“, sagte Alkis Henri Otto, einer der Autoren. „Das haben wir ja auch selbst immer betont.“ Für exakte Berechnungen etwa auch zum Ausweichverhalten der Verkehrsteilnehmer brauche man ein Verkehrsmodell. „Gleichwohl zeigt sich ja schon heute, dass die Staubelastung sehr hoch ist. Ich glaube deswegen, dass wir mit unserer Studie den Kern gut getroffen haben.“