Hamburg. Wirtschaftsprofessor sucht nach Alternativen für die Gestaltung des geplanten Olympiageländes auf dem Kleinen Grasbrook.
Die Planungen für das mögliche Hamburger Olympiazentrum auf dem Kleinen Grasbrook sind weit fortgeschritten. Die Standorte für Olympiastadion (70.000 Sitzplätze), olympisches Dorf (18.000 Bewohner), Olympiahalle (15.000 Plätze) und Schwimmarena (12.500) sind auf den rund 130 Hektar der Elbinsel fürs Erste verteilt, selbst für die Nachnutzung existieren inzwischen klare Vorstellungen. Schon in einem Monat könnten Fakten geschaffen werden.
„Wenn die Stadt die Teilhabe der Bevölkerung wirklich ernst meint, sollte die Diskussion aber weiter gehen, auch über den 29. November hinaus, den Tag des Referendums“, sagt Wolfgang Maennig, 55.
Der gebürtige Berliner ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg. 1988 gewann er mit dem Deutschland-Achter Gold bei den Sommerspielen in Seoul (Südkorea). Weil er sich als Wissenschaftler seit zwei Jahrzehnten mit Olympia und dessen ökonomischen Weiterungen befasst, hat Maennig auch einen professionellen Blick auf die hiesige Bewerbung geworfen.
Sie gefällt ihm, in den Details stecke jedoch Potenzial für Verbesserungen. Maennig glaubt, die Akzeptanz der Hamburger für die Pläne steigern zu können, wenn kleine Änderungen an dem vorläufigen Grundkonzept vorgenommen würden. Ziel müsse es zudem sein, die Gesamtkosten für die öffentlichen Haushalte möglichst gering zu halten. Das heißt zum Beispiel für ihn: „Keine Steuergelder für das olympische Dorf. Die Häuser sollten Hamburger Bürger oder kleine Baugemeinschaften nach ihren Vorstellungen gestalten, um später selbst darin zu wohnen, nachdem die Sportler der Welt bei ihnen im Haus zu Gast waren.“
Das hätte neben wünschenswerter Vielfalt – „statt wieder nur monotoner Investoren-Architektur“ – den zusätzlichen Effekt, dass die neuen Bewohner aus anderen Teilen der Stadt wegzögen, dort Wohnungen frei würden und den Markt insgesamt entlasteten. Das könnte auch das befürchtete Steigen der Mieten in Hamburg verhindern.
Maennig analysiert Stadtentwicklung aus ökonomischer Sicht. Er hat mit Kollegen erforscht, wann und warum sich Menschen wo aufhalten und nach welchen Kriterien sie ihren Wohnort aussuchen. Verkehrsanbindungen und Lärm spielen neben Lage und Kosten eine große Rolle. Die nächste U- oder S-Bahn-Haltestelle sollte idealerweise zwischen 250 und 750 Meter entfernt liegen. Die erst in der Nachnutzung geplante U 4-Station auf dem Grasbrook entspräche dieser Anforderung. Die Linie sollte jedoch nicht – wie von Hochbahnchef Günter Elste vorgesehen – ober-, sondern geräuschlos unterirdisch verlaufen.
Unter dem Aspekt Lärm wäre auch die bisher vorgesehene Anordnung des olympischen Dorfes und des Olympiastadions auf dem Gelände zu tauschen. Die Arena – zurzeit neben der Olympiahalle vorgesehen – könnte im östlichen Teil des Kleinen Grasbrooks als Schallschutz dienen zu den dahinter liegenden, viel befahrenen Elbbrücken (siehe Grafik rechts). Frei- und Grünflächen wiederum sollten an der Wasserkante entstehen. Das sind die attraktivsten Areale. Sie laden nachweislich stärker zum Verweilen ein als Parks inmitten der Häuserfluchten.
Maennig würde sich für den Bau des olympischen Dorfes weniger schematisch lineare Reißbrett-Planung wünschen, „weg von den angedachten achsialen Anordnungen, hin zu humaner Stadtentwicklung. Die Straßenzüge sollten so aussehen, wie sie anderweitig in Hamburg gewachsen sind, zum Beispiel in Ottensen, nicht geradlinig, eher verwinkelt. Das hat Charme, das versprüht Stadtleben, da fühlt man sich gleich wohl.“ Ein modernes, großzügiges Studentenwohnheim für 500 Bewohner, und das ganz in der Nähe zur HafenCity-Universität am Magdeburger Hafen, könnte den Standort ebenfalls vitalisieren helfen. Auch diese Einrichtung würde wahrscheinlich den Hamburger Wohnungsmarkt entlasten. Maennig: „Weil in den alten, engen, angestaubten, dezentral liegenden Wohnheimen der 60er-Jahre heute die meisten Studenten nicht mehr leben wollen, belasten die Studierenden den angespannten Wohnungsmarkt zusätzlich.“
Olympiastadion soll später in einenGebäudekomplex integriert werden
Das Olympiastadion, das nach den Spielen von 70.000 auf 20.000 Plätze zurückgebaut werden soll, würde Maennig später in ein Ensemble von Wohn- und Gewerbebauten „intelligent integrieren“, damit die Flächen effektiver genutzt werden. Architektonische Vorbilder gibt es dafür. Dies könnte helfen, auch das Stadion und damit Olympia überwiegend privat zu finanzieren. Diese Art der Geldbeschaffung hält Maennig für den besten Weg, um in pluralistischen Gesellschaften wieder eine breitere Akzeptanz für Olympische Spiele herzustellen.