Hamburg. Die Kühne Logistics University hat Ideen, wie Hamburg als Ausrichter von Olympischen Spielen Verkehrsengpässe umgehen könnte.

Ob Hamburg ein erfolgreicher Ausrichter Olympischer Spiele werden kann, entscheidet sich daran, ob die erheblichen logistischen Herausforderungen eines solchen Großereignisses gut bewältigt werden können. Davon ist Thomas Strothotte, Präsident der Hamburger Kühne Logistics University (KLU), überzeugt.

Dabei könne man nicht darauf setzen, die bestehende Infrastruktur an Straßen und Schienenwegen deutlich auszubauen: „Die neun Jahre bis 2024 sind keine lange Zeit, außerdem wird man den CO2-Ausstoß im Blick haben müssen.“ Strothotte, ein Kanadier mit deutschen Wurzeln, hat in seiner früheren Heimat erlebt, wie lang der Vorlauf bis zur Ausrichtung Olympischer Spiele sein kann: „Schon als ich in den 1970er-Jahren in Vancouver zur Schule ging, hat man dort davon gesprochen, die Spiele in die Stadt zu holen.“

Im Jahr 2010 fanden dort schließlich die Winterspiele statt – nachdem Vancouver jahrzehntelang gezielt in die Infrastruktur investiert hatte, um die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen. „Das hat mich gelehrt, dass es auch heute noch Generationenaufgaben gibt“, sagt Strothotte.

So lange will Hamburg nicht warten, aber auch für diesen Fall gibt es Konzepte: „Logistik kann dazu beitragen, eine vorhandene Infrastruktur wesentlich besser zu nutzen.“ Ein Ansatzpunkt dafür sei Kooperation zwischen Speditionen, etwa in Form sogenannter „Crowdlieferungen“, die die Anzahl von Lieferdienst-Fahrzeugen auf der Straße spürbar reduzieren können: Päckchen werden den Kunden von dem Kurierdienst gebracht, der wegen anderer Aufträge ohnehin in diese Gegend gefahren wäre. In der verkehrsreichen Zeit während Olympischer Spiele könnten „weiße Lieferwagen“ – also ohne die Aufdrucke der bekannten Anbieter wie UPS, DHL oder TNT – dafür eingesetzt werden.

„Darüber hinaus kann man prüfen, ob nicht auch die U-Bahn für den Warenverkehr genutzt werden kann“, so Strothotte. Dazu würden spezielle Frachtwaggons eingesetzt. So könnten etwa Güter, die von Verbrauchern in der Innenstadt gekauft wurden, von ihnen an einer mit dem Auto gut erreichbaren U-Bahn-Station außerhalb des Zentrums abgeholt werden – auch dies verringere den Verkehr im Stadtkern.

Welche Herausforderungen an das Transportwesen ein Großereignis wie Olympia mit sich bringt, zeigt das Beispiel der Sommerspiele 2012 in London: U-Bahnen und Busse mussten Hunderttausende zusätzliche Fahrgäste täglich befördern, am Flughafen Heathrow kamen am Tag vor der Eröffnung rund 45 Prozent mehr Passagiere an als üblich. Eine weitere potenzielle Optimierung, die sich Strothotte vorstellen kann, betrifft den Schwerlastsektor: Wenn ein Schiff, das im Hamburger Hafen entladen werden soll, mit Verspätung einläuft, muss ein Lkw etwa aus dem Ruhrgebiet bei guter Koordination nicht untätig in Hamburg warten. Er kann, wenn das Schiff erst mit der nächsten Tideflutwelle zwölf Stunden später hereinkommt, vorher noch eine andere kurze Tour fahren.

Bisher sei die KLU in die Planungen des Senats für die Olympia-Bewerbung nicht eingebunden, sagt Strothotte: „Wir würden uns da aber gern einbringen.“ Der Schlüssel für viele künftige Verbesserungen in der Logistik liegt aus seiner Sicht in der Informationstechnologie (IT). Ein Beispiel: Bei Staus sollte das Navigationssystem nicht allen Fahrern die gleiche Umleitungsempfehlung geben.

Zahl der Studierenden an der KLU soll sich bis 2018 verdoppeln

Strothotte hat vor, im Jahr 2017 einen neuen Bachelor-Studiengang „IT/Logistik“ einzuführen, sechs neue Professorenstellen sollen dafür hinzukommen: „Das gibt uns einen weiteren Entwicklungsschub.“ Doch auch ohne dieses neue Standbein hat er ehrgeizige Ziele: Die Zahl der Studierenden in den bisherigen Fachrichtungen (Management sowie Global Logistics) von aktuell rund 200 soll sich bis 2018 verdoppeln, bei den Professoren ist eine Expansion von 20 auf 28 vorgesehen.

Zwar kostet ein dreijähriges Bachelor-Studium an der Privatuni mindestens 27.000 Euro. „Aber wir legen großen Wert auf die Laufbahnplanung und können dreimonatige Praktika in sehr attraktiven Unternehmen vermitteln“, sagt Strothotte. „Unser großer Vorteil ist außerdem die internationale Vernetzung, die wir von Anfang an ermöglichen, denn etwa die Hälfte unserer Studierenden kommt aus dem Ausland.“ Die Unterrichtssprache ist Englisch. Die KLU finanziert sich zu weniger als 20 Prozent aus den Studiengebühren. Hauptsächlich getragen wird die Hochschule von Zuwendungen der Kühne-Stiftung, die vom Unternehmer Klaus-Michael Kühne und dessen Eltern gegründet wurde, sowie von Forschungsaufträgen.

Auch die Stadt Hamburg profitiere von der KLU, argumentiert Strothotte: „Etliche der ausländischen Studierenden bleiben nach dem Abschluss hier – und ihre Beziehungen in die Heimat sind ein Wert, der nicht zu vernachlässigen ist.“ Mitbewerber auf dem Gebiet der Logistik-Hochschulausbildung seien die Universitäten in Rotterdam und Cranfield (England), in den USA seien das Georgia Institute of Technology in Atlanta sowie die University of Tennessee in Knoxville, die über 25 Professoren dieser Fachrichtung verfüge, zu nennen – „aber mit Knoxville und der Tongji University in Shanghai haben wir gerade ein interkontinentales Kooperationsprogramm vereinbart.“