Hamburg. Das erste soziale Netzwerk für die Luftfahrtbranche – „Made in Hamburg“. App soll 400.000 Nutzer in aller Welt in Kontakt bringen.
Während einer Luftfahrtmesse wohnte der Hamburger Max Evers in einem Londoner Hotel und fragte sich, wie er abends noch auf neue Kollegen aus der Branche treffen könnte, ohne aufs Geratewohl Unbekannte ansprechen zu müssen. Da sah der Geschäftsführer der Hanse-Aerospace Wirtschaftsdienst GmbH an der Hotelbar, wie jemand auf dem Smartphone in einer Flirt-App nach kontaktwilligen Damen in der Umgebung suchte. „Könnte man das gleiche Prinzip nicht auch verwenden, um sich die Profile anderer Messebesucher, die sich gerade in der Nähe aufhalten, anzeigen zu lassen?“, fragte sich Evers.
Sobald er nach Hamburg zurückgekehrt war, begann er damit, an der Idee zu feilen. Das Resultat: Seit wenigen Wochen gibt es das erste soziale Netzwerk für die Luftfahrtbranche – „Made in Hamburg“.
Kern der wohltuend einfach und übersichtlich gestalteten App mit dem Namen Avipeo („Aviation people“, sinngemäß: Menschen aus der Luftfahrt) ist eine Umgebungskarte, die den aktuellen Standort registrierter Nutzer anzeigt. Tippt man auf eines der Porträtfotos, sieht man das berufliche Profil des Mitglieds und kann gegebenenfalls eine Verbindung zu ihm aufnehmen.
„Networking wird in unserem Arbeitsleben immer wichtiger“, sagt Evers, der die Dienstleistungsgesellschaft des Zuliefererverbands Hanse-Aerospace leitet. „Eine aktive Suche nach Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Personen aus der Luftfahrtbranche gehört zu unserem Tagesgeschäft.“ Von dem Konzept waren offensichtlich auch andere überzeugt: Die Stadt Hamburg und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fördern Avipeo, sie tragen 65 Prozent der Projektkosten für die nächsten zweieinhalb Jahre.
Unter der Leitung von Evers betreut ein Kernteam von vier Personen, teils mit Erfahrungen beim Hamburger Online-Karrierenetzwerk Xing, die App. Doch dabei soll es nicht bleiben. Für Ende 2017 werden zwölf Beschäftigte und ein Umsatz von gut zwei Millionen Euro angepeilt.
Bis dahin soll die Zahl der Nutzer von derzeit erst rund 500 auf 100.000 geklettert sein. Das internationale Reichweitenpotenzial veranschlagt Evers auf 400.000 Personen. Zwar nimmt sich selbst die Gesamtzahl der weltweit in Luftfahrtfirmen beschäftigten Arbeitnehmer von 8,7 Millionen im Vergleich zu den Nutzerzahlen von Facebook (1,4 Milliarden) oder dem Karrierenetzwerk LinkedIn (360 Millionen) gering aus. „Aber die spezielle Ausrichtung auf eine Branche ermöglicht uns in Avipeo einen aktiven Austausch statt lediglich einer passiven Darstellung von Lebensläufen.“
Mit Blick auf die großen Luftfahrtmessen sei die Heimat des neuen Netzwerks auch keineswegs ein Nachteil: „Europa hat die meisten Fachbesucher und Aussteller und ist aus diesem Grund der attraktivste Kernmarkt.“ Als Zielgruppe sieht Evers primär die Mitarbeiter von Firmen aus dem Umfeld des Flugzeugbaus, aber auch Beschäftigte von Flughäfen sowie fliegendes und technisches Personal.
Weil die Registrierung in Avipeo kostenlos ist, soll sich das Netzwerk unter anderem durch zielgerichtete Werbung für den Luftfahrtsektor finanzieren. Hinzu kommt eine Erlösquelle, für die ein weiteres Softwareprodukt des Hanse-Aerospace Wirtschaftsdienstes eine wichtige Rolle spielt: In der vor vier Jahren eingerichteten Firmendatenbank Scan sind inzwischen 15.000 Profile von Luftfahrtzulieferern hinterlegt – „eine Art Gelbe Seiten der Luftfahrt“, wie Evers sagt. Gibt ein Avipeo-Mitglied seinen Arbeitgeber an, werden in der App die Informationen aus Scan verwendet.
Zwar ist auch die Registrierung in dieser Datenbank kostenlos, aber für eine „Premium-Mitgliedschaft“ mit erweiterten Präsentationsmöglichkeiten müssen 600 Euro im Jahr gezahlt werden. Für diese Option, die bisher erst rund 100 Firmen gewählt haben, will Evers nun verstärkt werben; seit Anfang Juni kümmert sich ein neu eingestellter Vertriebsmitarbeiter speziell darum. Letztlich diene die App Avipeo wie auch die Firmendatenbank Scan dem Ziel, die Luftfahrtzulieferer bei der Suche nach Abnehmern und Kooperationspartnern in aller Welt zu unterstützen, sagt Evers: „Die Herausforderung für die Mittelständler besteht darin, die Brücke zu neuen Märkten zu schlagen.“
Norddeutsche Zulieferer wollen die Abhängigkeit von Airbus verringern
Denn gerade für die norddeutschen Betriebe werde es in Zukunft immer stärker darum gehen, wie sie die Abhängigkeit vom mächtigen Kunden Airbus verringern können. Chancen dafür böten zum Beispiel die Flugzeugbauer in Kanada, Brasilien, China, Japan und Russland, die alle mit neuen Jet-Typen auf den Markt gekommen sind oder kurz davor stehen. „Aber Unternehmer können sich ja nicht klonen, sie können eben nicht überall gleichzeitig sein“, sagt Evers.
Obwohl Avipeo gerade erst gestartet ist, überlegt der Projektleiter schon, ob das Prinzip der App nicht auf andere Branchen übertragbar wäre: „Im Schiffbau und im Automobilsektor geht es doch auch zunehmend um internationale Vernetzung.“