Hamburg. Das Hamburger Unternehmen TigerBooks entwickelt eine elektronische Leseplattform - mit Kinderprofilen.
Auf dem Couchtisch liegt ein E-Reader. Johannes greift sich den Kindle und fängt an zu lesen. Dummerweise hat der Siebenjährige den Erotikroman „Fifty Shades of Grey“ erwischt. Als seine Mutter ins Wohnzimmer zurückkehrt, nimmt sie ihm das elektronische Lesegerät sofort ab. Dass Kinder neugierig sind, ist klar. Dass sie gern die Lesegewohnheiten der Eltern annehmen und etwa Bücher online auf dem iPad lesen, ist auch nichts Neues. Doch wie können Eltern erreichen, dass nur altersgerechte Literatur vom Nachwuchs gelesen werden kann?
Ein junges Hamburger Unternehmen mit dem Namen TigerBooks hat jetzt offenbar die Lösung mit einer App gefunden, bei der die Eltern unter anderem bestimmen können, was ihr Kind liest. Das funktioniert zum Beispiel über Kinderprofile, die in der App angelegt werden können – so lassen sich bestimmte Buchtitel einem oder mehreren Kindern zuweisen. Die App ist übrigens mehrsprachig. Wer Bücher zum Beispiel auf Englisch lesen oder hören will, kann diese Sprache bereits bei einigen Titeln einstellen.
Mehr als 20 Verlage und Entertainmentgesellschaften hat das Start-up bereits überzeugen können, dass sie ihre Kinderbücher und weitere Medien für Kids von zwei bis zwölf Jahren über die TigerBooks-App vermarkten. Dabei sind unter anderem große Verlage wie Carlsen, Ravensburger und Oetinger, sodass TigerBooks inzwischen mehr als 3500 Titel mit den beliebtesten Buch- und Filmhelden auf einer Plattform anbieten kann.
„Wollen Kindermedienbranche revolutionieren“
Aktuelle Kinderlieblinge wie Conni, der Drache Kokosnuss, die Olchis oder Findus und Pettersson sind dort ebenso vertreten wie die Klassiker von Janosch. „Wir wollen die erste Anlaufstelle für Kindermedien sein und die Kindermedienbranche ein Stück revolutionieren“, sagt TigerBooks-Chef Daniel Kinat. „Mit unserer Kindermedien-App sorgen wir für neue, qualitativ hochwertige Geschichten zum Lesen, Schauen und Staunen.“
Die Hamburger bieten zudem dank ihrer hauseigenen Entwicklung TigerCreate einen Mehrwert, indem sie die Bücher interaktiv zu den sogenannten TigerBooks gestalten. Zum Beispiel Bilderbücher für Zwei- bis Dreijährige. „Wenn die Kleinen in dem Bilderbuch ein Feuerwehrauto sehen, können sie ihren Finger draufhalten, dann fängt es an zu hupen“, sagt Kinat, der unter anderem bereits bei Google und Apple in mehreren Funktionen gearbeitet hat. „Dort haben ich beim Aufbau des iTunes-Shops mitgewirkt“, sagt er.
Neben dem Leseerlebnis bietet die TigerBooks-App den Kindern also auch Spielspaß: Ein Traktor braust per Fingerdruck los, und eine Maus fliegt, wenn ein Kind sie im Buch berührt. Darüber hinaus sind in den Büchern oft kleine Spiele integriert. So können Kinder beispielsweise die Figuren der Geschichte anmalen. Auch der Tiger, nach dem der Onlinedienst benannt ist, lässt sich per Fingerdruck dazu bringen, dass er Banjo spielt oder mit dem Schwanz wedelt.
Zu den Gründern des Start-ups zählt der Kinderbuchverlag Oetinger. „Er ist bereits früh in digitale Projekte für Kinder eingestiegen. Jetzt wollen wir aber weitere Investoren ins Boot holen“, sagt Kinat. Obwohl das Unternehmen erst 2013 mit dem aufwendigen Programmieren der App angefangen hat, die erst im November 2014 gestartet ist, nehmen bereits mehr als hunderttausend Nutzer den Service an. „Seit Anfang April haben wir ein Abomodell gestartet. Damit können alle gewünschten Bücher für 9,99 Euro pro Monat heruntergeladen werden.“
Eltern sollen begeistert werden
„Künftig wollen wir auch eine Funktion etablieren, die es erlaubt, Bücher zu tauschen. Wenn zum Beispiel Björn seinem Freund Max Literatur ausleihen will, klickt er auf das virtuelle Regal und überreicht ihm das Buch“, sagt Kinat. „Kinder, die ein Buch bis zum Ende durchgelesen haben, bekommen von uns zudem Pluspunkte.“ Zudem gebe es Lesestoff für jene, die sich ein Buch vorlesen lassen wollen. Mit einem Fingertipp hört man die Stimme des Vorlesers.
TigerBooks ist nach eigenen Angaben der erste Anbieter in dem Segment, der in der genannten Medienbandbreite und Titelfülle hochwertige, ausgesuchte Geschichten ausschließlich für Kinder anbietet. „Wir versuchen sinnstiftend Eltern zu begeistern“, sagt Kinat, der selbst zwei Kinder hat. Ähnlich der Zusammenarbeit mit den Verlagen bei Büchern will Kinat nun künftig auch Filme für Kinder und auch Musik anbieten.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die Plattformen YouTube und Netflix arbeiten an ähnlichen Angeboten. Auch Amazon dürfte großes Interesse haben, zumal die Amerikaner schon jetzt eine monopolartige Stellung im Buchmarkt einnehmen. Das weiß auch Kinat. „Wir wollen aus Elternsicht der beste Anbieter im digitalen Kindersegment in Deutschland werden“, sagt der Manager selbstbewusst.