Hamburg . Umweltsenator Jens Kerstan setzt bei der Mülltrennung weiter auf Freiwilligkeit, obwohl Hamburg Schlusslicht ist. Kritik vom BUND.
Es ist ein Moment, den zumindest die Verantwortlichen am Dienstag als historisch feierten: Zum ersten Mal werde in Deutschland am Monatsende eine Müllverbrennungsanlage abgeschaltet, weil sie schlicht nicht mehr benötigt wird. So jedenfalls ordneten Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Stadtreinigungs-Geschäftsführer Rüdiger Siechau in der Landespressekonferenz die für den 30. Juni vorgesehene Abschaltung der Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor an der Schnackenburgallee an. Und ließen nach ihren Erläuterungen den letzten Müllwagen vor dem Hamburger Rathaus symbolschwer für die Fotografen in Richtung Stellinger Moor abfahren. Man weiß nicht so genau, ob er auch Abfälle aus dem Rathaus transportierte, es soll jedenfalls der letzte Müll sein, der in Stellingen verbrannt wird.
Auch durch die städtische Recycling-Offensive sei es gelungen, das Restmüllaufkommen in den vergangenen zehn Jahren um rund 100.000 Tonnen zu mindern, sagte der erst seit wenigen Monaten amtierende Umweltsenator Kerstan. „Jetzt können wir die Anlage nach 42 Jahren abschalten und konkret prüfen, ob am gleichen Standort ein Zentrum für moderne Recyclingtechnik und umweltfreundliche Energieerzeugung entstehen kann.“
Hamburg könne die vertraglich gebundene Menge des zur Müllverbrennung anstehenden Abfalls mit diesem Schritt und mit dem 2016 auslaufenden Vertrag für die Anlage in Stapelfeld von rund einer Million Tonnen auf etwa 600.000 Tonnen senken. Das biete „neue Spielräume, um bei den Themen Müllvermeidung und Recycling deutliche Fortschritte zu machen – wenn die Hamburgerinnen und Hamburger Abfälle vermeiden und das Angebot der Stadtreinigung zur Wertstofftrennung stärker als bisher nutzen“.
Kerstan betonte allerdings auch, dass die Hamburger im bundesweiten Vergleich des Müllrecyclings „noch eher hinten“ lägen. Die Abschaltung der Müllverbrennungsanlage und der auslaufende Vertrag für die Anlage in Stapelfeld gäben Hamburg jedoch „neuen Spielraum beim Abfallmanagement“, so Kerstan.
Hintergrund: Die seit 1. Januar 2011 bestehende Verpflichtung für alle Hauseigentümer, neben der Restmülltonne auch Behälter für Bioabfall und Papier aufzustellen, wird immer noch von vielen ignoriert. Auch deswegen liegt Hamburg in Sachen Mülltrennung und Wiederverwertung im Ländervergleich an hinterer Stelle. Siegmund Chychla vom Mieterverein betonte bereits im vergangenen Jahr: „Es gab genug Zeit für eine freiwillige Lösung, das hat nicht gefruchtet.“
BUND-Geschäftsführer Braasch lobte am Dienstag zwar die Stilllegung der Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor als „wichtigen Schritt hin zu einer besseren Müllpolitik in der Hansestadt“. Gleichwohl gehöre Hamburg noch immer zu den „Schlusslichtern bei der Recyclingquote“. Städte wie Bremen und München seien deutlich besser aufgestellt. „Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht vor, dass bis zum Jahr 2020 deutschlandweit etwa 65 Prozent des Siedlungsabfalls recycelt werden. Die Quote in der Hansestadt lag 2013 bei nur 34 Prozent. Gerade bei der Getrenntsammlung von Papier, Glas und Leichtverpackungen sind die Zielvorgaben, die sich die Stadtreinigung im Rahmen der Recyclingoffensive gegeben hat, nicht erreicht worden“, so Braasch. Der BUND Hamburg halte es daher „für unabdingbar, dass der Anschlusszwang für Wertstofftonnen konsequent durchgesetzt wird“. Eine unbegründete Weigerung müsse auch mit Bußgeldern geahndet werden.
Umweltsenator Kerstan hat am Dienstag zwar betont, das Thema Recycling „mit Ehrgeiz anpacken“ zu wollen. Von einem härteren Vorgehen gegen Mülltrennmuffel, etwa unter den Vermietern, die sich weigern, Wertstofftonnen für ihre Mieter aufzustellen, sprach er aber noch nicht. „Wir haben uns als Senat das Ziel gesetzt, die Recyclingoffensive fortzusetzen, auch mit der Wohnungswirtschaft“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Wir wollen die Recycling- und Getrenntsammelquoten weiter steigern, und ich habe den Ehrgeiz, dass wir bei diesem Thema wirklich vorankommen. Konzepte dazu werden erarbeitet.“
Stadtreinigungs-Geschäftsführer Siechau kündigte an, dass der Rückbau der Anlage Stellinger Moor voraussichtlich bis 2017 dauern werde. Danach solle dort möglicherweise eine „Sortieranlage für ungetrennten Hausmüll aus Stadtteilen entstehen, in denen die Mülltrennung aufgrund fehlender Stellplätze für Wertstofftonnen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist“. Was nach der Sortierung noch übrig sei, könne dann „zur Erzeugung von Biogas genutzt werden, das in einem Kraftwerk zur Strom- und Fernwärmeerzeugung genutzt wird“.