Hamburg. Unternehmen aus Kanada, China und Russland greifen die bisherigen Marktführer an. Wer sind die aufstrebenden Wettbewerber?

Auch wenn Airbus die Erwartungen an die diesjährige Luftfahrtmesse in Le Bourget im Vorfeld eher dämpfte, verlief der erste Tag des Großereignisses durchaus erfolgreich für den Flugzeugbauer: Aufträge und Kaufabsichtserklärungen über mehr als 140 Jets konnten verbucht werden, darunter gut 90 für Maschinen der A320-Familie, von denen jede zweite in Hamburg endmontiert wird.

In der Fachwelt wird aber auch das Messedebüt der neuen C-Series des kanadischen Herstellers Bombardier mit großem Interesse verfolgt. Obwohl die C-Series noch mitten im Flugtestprogramm steckt, brachte das Unternehmen gleich zwei Exemplare des Typs auf das Messegelände im Pariser Vorort Le Bourget mit.

Dieser Auftritt lenkt den Blick auf die künftigen Wettbewerber von Airbus und Boeing. Denn während sich andere Ziviljetanbieter bisher auf Regionaljets mit weniger als 100 Sitzplätzen beschränkten, kommen in den nächsten Jahren mehrere Flugzeuge mit Passagierkapazitäten oberhalb dieser Marke auf den Markt – und dringen damit in die bisherige Domäne von Airbus und Boeing ein.

Airbus verschifft Großbauteile in die USA

Airbus verschifft die ersten Flugzeug-Großbauteile für die Endmontagelinie der A320-Familie nach Mobile in den USA
Airbus verschifft die ersten Flugzeug-Großbauteile für die Endmontagelinie der A320-Familie nach Mobile in den USA © dpa | Daniel Bockwoldt
Flugzeugrümpfe stehen in Hamburg am Werksgelände von Airbus auf einer Schiffsladefläch
Flugzeugrümpfe stehen in Hamburg am Werksgelände von Airbus auf einer Schiffsladefläch © dpa | Daniel Bockwoldt
Mitarbeiter verladen auf dem Werksgelände von Airbus einen Heckflügel für ein Flugzeug auf ein Schiff
Mitarbeiter verladen auf dem Werksgelände von Airbus einen Heckflügel für ein Flugzeug auf ein Schiff © dpa | Daniel Bockwoldt
Mitarbeiter kontrollieren einen Heckflügel für ein Flugzeug vor der Verladung auf ein Schiff
Mitarbeiter kontrollieren einen Heckflügel für ein Flugzeug vor der Verladung auf ein Schiff © dpa | Daniel Bockwoldt
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„Wenn man zehn Jahre in die Zukunft schaut, dürfte Bombardier von allen neuen Wettbewerbern die besten Chancen haben, sich einen signifikanten Marktanteil zu sichern“, sagt der Hamburger Branchenexperte Heinrich Großbongardt – nicht zuletzt weil die Kanadier jüngst angekündigt haben, eine noch größere Ausführung ihrer C-Series mit mehr als 160 Sitzen zu entwickeln: „Ein solches Flugzeug wäre pro Passagierplatz deutlich leichter und damit effizienter als ein Airbus A319neo“, so Großbongardt.

Immerhin hat Bombardier bereits namhafte Kunden wie die Lufthansa-Tochter Swiss oder auch Korean Air von diesem Produkt überzeugen können. Allerdings gab sich der neue Bombardier-Chef Alain Bellemare alle Mühe, die Erwartungen, auf der Pariser Luftfahrtmesse könnten weitere Aufträge verkündet werden, herunterzuspielen: „Dies sind nur ein paar Tage im Leben eines Flugzeugprogramms von 20 oder 25 Jahren.“

Im Vergleich zu manchen anderen Wettbewerbern können die Kanadier jedoch einen wesentlichen Pluspunkt ins Feld führen: Sie haben bereits Tausende von kleineren Regionaljets gebaut und verfügen daher über ein weltweites Servicenetz. Das trifft zwar auch für das brasilianische Unternehmen Embraer zu. Deren E-Jet überlappt von der Passagierkapazität her aber nur geringfügig mit dem Markt, den Airbus bedient. Eine ähnliche Strategie will – zumindest vorerst – offenbar auch Mitsubishi aus Japan verfolgen.

Das Gleiche gilt für den russischen Sukhoi-Konzern, bisher vor allem als Hersteller von Kampfjets bekannt. „Der Superjet 100 ist sicher ein gutes Flugzeug“, sagt Großbongardt – und immerhin kann Sukhoi auch schon auf Erfahrungen bei einem Kunden in der westlichen Welt verweisen: „Die mexikanische Fluggesellschaft Interjet ist durchaus zufrieden damit“, erklärt der Hamburger Branchenexperte.

Ehrgeizigere Pläne im Hinblick auf die Flugzeuggröße hat Irkut, ebenfalls aus Russland. Schon die kleinste Ausführung der MC-21 ist für 135 Passagiere ausgelegt – eine echte Kampfansage an Airbus und Boeing. Doch ein Anbieter wie Irkut habe eine hohe Hürde zu überwinden, meint Airbus-Chef Fa­brice Brégier: „Es ist nicht einfach, sich einen Ruf als Produzent von zuverlässigen Flugzeugen aufzubauen.“

Aber es kann keinen Zweifel daran geben, dass man im Airbus-Management die Bemühungen aufstrebender Konkurrenten ernst nimmt. Als Airbus die Weiterentwicklung der A320-Familie zur A320neo-Reihe mit deutlich sparsameren Triebwerken ankündigte, wurde dies nicht zuletzt damit begründet, dass man auf diese Weise neu aufkommende Wettbewerber auf Distanz halten können.

Zu diesen will künftig auch der chinesische Staatsbetrieb Comac gehören. Vor drei Jahren bezeichnete der damalige Chef der Boeing-Ziviljetsparte, Jim Albaugh, die Chinesen als „die größte Bedrohung für Boeing und Airbus“. Dabei dürfte aber das derzeit in der Entwicklung befindliche Modell C919 wohl nur der erste Schritt sein. „Es wird ein Flugzeug sein, das einem A320 der bisherigen Generation und nicht einem A320neo entspricht – das sagt eigentlich alles“, findet Großbongardt.

Alles in allem geht Airbus-Chef Brégier davon aus, dass der Markt der Jets für 100 bis 250 Passagiere auch in zehn Jahren noch von den Airbus und Boeing dominiert wird. Es liege aber auch an den beiden großen Anbietern selbst, welchen Anteil dieses Marktes sie abgeben müssen, sagt Branchenkenner Großbongardt: „Immer wenn sie nicht schnell genug liefern können, bekommen die neuen Konkurrenten eben doch ihre Chance.“