Hamburg. Bei Aufträgen liegen Europäer vor der weltgrößten Luftfahrtmesse vorn. 20 Hamburger sind in Le Bourget. Bombardier mit neuem Jet.
Der Zwischenstand im Zweikampf auf dem Flugzeugmarkt fällt kurz vor der Jahresmitte recht klar aus: Zwar hat Airbus mit 225 Aufträgen in den ersten fünf Monaten den Erzrivalen Boeing, der 136 Bestellungen verbuchte, deutlich hinter sich gelassen. Doch 2015 hat sich bisher nicht als besonders gutes Jahr für die beiden Flugzeugbauer erwiesen. Die Europäer wie auch die Amerikaner verkauften weniger neue Jets, als sie seit Jahresbeginn an die Kunden auslieferten – das Orderbuch ist also leicht geschrumpft.
Allerdings dürfte sich das in dieser Woche zumindest bei Airbus umkehren. Denn am heutigen Montag beginnt die Luftfahrtmesse im Pariser Vorort Le Bourget. „Wir erwarten, dass im Rahmen dieser Messe weitere Aufträge bekannt gegeben werden“, sagte Airbus-Sprecher Florian Seidel, „auch wenn wir die Rekorde früherer Jahre vielleicht nicht übertreffen werden.“ So sammelte das Unternehmen auf der vorletzten Luftfahrtschau in Le Bourget im Jahr 2011 nicht weniger als 730 feste Bestellungen und Vorverträge ein.
„In jedem Fall ist die Messe für uns aber ein Highlight des Jahres“, so Seidel. Ebenso sieht dies der Luftfahrtstandort Hamburg. Das Branchennetzwerk Hamburg Aviation und das Zentrum für Angewandte Luftfahrtfor-schung sind mit einem gemeinsamen Stand von 30 Quadratmetern vertreten. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lädt dort am morgigen Dienstag zu einem Empfang und wird bei einem Gang über die Messe mit hochrangigen Vertretern von Unternehmen und Verbänden sprechen.
Airbus verschifft Großbauteile in die USA
Neu ist, dass mehrere deutsche Luftfahrtregionen in Le Bourget den Schulterschluss üben: Auf insgesamt 265 Quadratmetern stellen am „Hanse-Pavilion“ neben Hamburg Aviation und dem Zuliefererverband Hanse-Aerospace auch das Bremer Branchennetzwerk Aviabelt und das Forum Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg (LRBW) aus. „Wir freuen uns über diese neue Kooperation“, sagte Uwe Gröning, Erster Vorsitzender von Hanse-Aerospace. „Sie zeigt einmal mehr, dass Unternehmertum nicht an Ländergrenzen haltmacht.“
Insgesamt sind auf der Messe mehr als 20 Unternehmen und Institutionen aus der Metropolregion Hamburg vertreten. Die Großveranstaltung bietet Repräsentanten von Hamburg Aviation auch die Chance, schon einmal Kontakte zu ihren Kollegen aus Kanada und Japan zu knüpfen: Deutschlands größter Luftfahrtstandort wird künftig auf diesem Feld eng mit der Region Montreal zusammenarbeiten. Zwölf Millionen Euro sollen in den nächsten fünf Jahren in gemeinsame Projekte fließen, mehr als drei Millionen Euro davon stellt das Bundesforschungsministerium. Auch mit der japanischen Region Nagoya wird Hamburg Aviation anlässlich des Bürgermeisterempfangs von Scholz eine Absichtserklärung für einen zukünftigen Austausch beider Standorte unterzeichnen.
Sowohl in Montreal als auch in Nagoya sind Flugzeugbauer beheimatet. Der japanische Mitsubishi Regional Jet (MRJ) ist nur für bis zu 96 Fluggäste ausgelegt. Das neueste Produkt des kanadischen Konzerns Bombardier, die C-Series für bis zu 160 Passagiere, konkurriert hingegen mit dem kleinsten Airbus-Typ A319.
Mit einer Kampfansage an Airbus und Boeing machte am Sonntag dann auch Bombardier-Chef Fred Cromer auf sich aufmerksam. Er erwartet bis 2034 für Mittelstreckenjets ein Potenzial von 12.700 Maschinen im Verkaufswert von 50 Milliarden Euro. „Wir wollen einen großen Anteil an diesem Markt“, sagte Cromer. Die CS100 und CS300 seien seit Jahrzehnten in Le Borget das erste neue entwickelte Mittelstreckenflugzeug, das leiser und spritsparender als die Konkurrenz sei. Immerhin zwei Jets der C-Series, die ebenso wie der MRJ noch nicht für den Linienbetrieb zugelassen ist, werden nahe Paris zu sehen sein.
Für Airbus ist die Messe aber ein Heimspiel. Neben dem doppelstöckigen Riesen A380 soll auch der neue Langstreckenjet A350 täglich zu Flugvorführungen abheben. Dafür, dass die Messebesucher auch einen Eindruck von repräsentativ ausgestatteten Airbus-Passagierkabinen bekommen können, sorgt allerdings nicht der Flugzeugbauer selbst. „Unser großer Kunde Qatar Airways wird in Le Bourget einen massiven Auftritt haben“, sagte Seidel. Die arabische Fluggesellschaft wird einen A380, einen A350 sowie aus der Familie der Kurz- und Mittelstreckenflieger einen A320 und einen nur mit 40 Business-Klasse-Sitzen ausgestatteten A319 zeigen – daneben aber auch einen Boeing 787 „Dreamliner“. Ein weiterer Jet dieses Typs in den Farben von Vietnam Airlines wird, gesteuert von Boeing-Testpiloten, am Flugprogramm der Messe teilnehmen.
In einem sind sich Boeing und Airbus zu Beginn der Luftfahrtschau einig: Beide haben ihre Prognosen für die weltweite Flugzeugnachfrage in den nächsten 20 Jahren gerade abermals heraufgesetzt. Airbus-Chef Fabrice Brégier rechnet für diesen Zeitraum mit einem Bedarf von insgesamt 32.600 Flugzeugen, sagte er am Freitag. Das übertrifft die in der vorherigen Studie aus dem vergangenen Jahr genannte Zahl um vier Prozent. Brégier zeigte sich auch zuversichtlich, dass der A380 künftig stärker gefragt sein wird. Zuletzt verkaufte sich dieser nur schleppend, der bisher letzte Auftrag stammt aus dem Februar 2014.
Viele Aufträge werden vor allem für den A320neo von Airbus erwartet
Während von dem Megaflieger gleich zwei Exemplare in Le Bourget zu sehen sein werden, glänzt der Airbus-Verkaufsschlager A320neo durch Abwesenheit. Zweifellos werden für den besonders sparsamen Jet aber bedeutende neue Aufträge hereinkommen – und das wären gerade für den Standort Hamburg gute Nachrichten: Die Hälfte aller Flugzeuge der A320-Familie wird in der Hansestadt endmontiert.