Hamburg. Mitarbeiter warten auf Hunderte Ausbildungsverträge. Hermes könnte vom Arbeitskampf profitieren. Was Verbraucher nun beachten müssen.

In der Abteilung Ausbildungsberatung der Handelskammer Hamburg herrscht in diesen Monaten normalerweise Hochbetrieb. Nicht so in diesem Jahr. 200 Verträge senden die Firmen sonst pro Tag im Juni/Juli zur Prüfung an die Kammer. Am Mittwoch gingen 24 Stück ein, am Donnerstag waren es 50 Briefe – das ist dem Arbeitskampf bei der Deutschen Post DHL Group geschuldet. „Das bringt uns in die Bredouille“, sagt Abteilungsleiter Fin Mohaupt. „Wenn der Streik noch lange so weitergeht, führt das zu Engpässen bei der Bearbeitung. Denn dann kommen alle Verträge auf einmal – aber gleichzeitig bearbeiten können wir die nicht.“ Auch die insgesamt 767 Prüflinge in der dualen Berufsausbildung warten noch auf ihre Einladungen. Mohaupt nimmt es bisher mit Humor und rät seinen Mitarbeitern, bei dem derzeit schönen Wetter Überstunden abzubummeln.

Bei der Post steigt unterdessen die Zahl der Streikenden. Am vierten Tag des unbefristeten Streiks legten weitere 1500 Zusteller aus der Paket- und Verbundzustellung – der gemeinsamen Zustellung von Paketen und Briefen – ihre Arbeit nieder, teilte die Gewerkschaft Ver.di mit. Inzwischen seien es bundesweit 16.000 Beschäftigte, die Post sprach von 15.000 in Briefzentren, der Paket- und Briefzustellung. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Tarifstreit.


Wie wirkt sich der Streik aus?
Laut der Post sind die Beeinträchtigungen für die Kunden weiterhin gering. Das liegt auch daran, dass in den Briefverteilzentren, die Ver.di zuerst bestreikte, vieles über Maschinen laufe. „Und Maschinen streiken nicht“, sagt Post-Vorstand Jürgen Gerdes. Zudem setzt der Konzern Beamte und Verwaltungskräfte ein. 87 Prozent der Briefe und 84 Prozent der Pakete würden ihre Empfänger immer noch pünktlich erreichen, so der Konzern. Allerdings ist die Quote bei der Briefzustellung damit deutlich unter dem regulären Wert. Prüfer bescheinigten dem Unternehmen mit einem TÜV-Zertifikat, dass im Normalfall von 100 Briefen 95 einen Tag später beim Adressaten sind.


Profitiert die Post-Konkurrenz?
Laut dem Zusammenschluss der Post-Mitbewerber ja. Walther Otremba, Chef des Bundesverbandes Briefdienste, sprach in der „Bild“ von einer „besseren Auftragslage“. Beispielsweise meldet auch der Hamburger Versender Hermes eine erhöhte Nachfrage nach seiner Dienstleistung. „Wir spüren das im Privatbereich“, sagte ein Unternehmenssprecher dem Abendblatt. Die Tochter der Otto Group verzeichnet bereits ein erhöhtes Aufkommen an Paketen und registriert auch im geschäftlichen Bereich verstärktes Interesse. „Von Versendern, die bisher nur auf DHL gesetzt haben, erhalten wir vermehrt Anfragen“, sagte der Sprecher. So würde nun geprüft, ob die Niederlassungen vor Ort auch ein höheres Aufkommen bewältigen können. Schnell könnten dann 100.000 Pakete pro Tag zusätzlich transportiert werden – ein Plus von zehn Prozent zum normalen Transportvolumen.


Wer haftet für verspätete Sendungen?
Das Risiko trägt der Absender, teilt die Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh) mit. Die Post hat in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Streiks als Haftungsrisiko ausgeschlossen. „Erreichen beispielsweise Kündigungsschreiben die Telefonanbieter oder Energieversorger zu spät, trägt der Verbraucher den finanziellen Schaden“, sagt vzhh-Juristin Julia Rehberg. Gut überlegen sollten sich Kunden auch die Bestellung von verderblichen Produkten wie Lebensmittel über die Post. Denn für vergammeltes Obst, Gemüse oder Käse gibt es keine Entschädigung.


Wie kann man Fristen einhalten?
„Wer eine wichtige Terminsache hat, sollte auf Mitbewerber der Post ausweichen“, sagt Rehberg. Wenn eine Kündigung auch ohne Originalunterschrift akzeptiert wird, kann diese auch per Fax mit Übermittlungsprotokoll versendet werden. Eine E-Mail reiche hingegen nicht, denn viele Gerichte erkennen sie nicht als Beweis an – selbst wenn eine Lese- oder Zugangsbestätigung nachgewiesen wird.


Was passiert bei Retouren?
Wer seine Onlinebestellung zurückgeben will, kann laut Gesetz innerhalb von 14 Tagen den Kaufvertrag widerrufen und die Produkte zurückschicken. Die Widerrufsfrist wird eingehalten, wenn die Retoure innerhalb des Zeitraums abgeschickt wurde – zum Beweis den Einlieferungsbeleg aufbewahren!

Warum wird überhaupt gestreikt?
Ver.di fordert für die 140.000 Beschäftigten eine kürzere Wochenarbeitszeit und 5,5 Prozent mehr Geld. Der eigentliche Streitpunkt sind aber die Sparmaßnahmen des Konzerns mit dem Aufbau von 49 regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung. In ihnen sollen 6000 Paketboten nicht mehr nach dem Haustarif, sondern nach den oft niedrigeren regionalen Tarifverträgen der Logistikbranche bezahlt werden – statt 17,72 Euro liege der Durchschnittsstundenlohn bei 13 Euro.