Hamburg. Michael Neumann (SPD) über den Start des umstrittenen Projekts am 19. Juni, über Flüchtlinge, Cannabis und die Olympiabewerbung.

Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) hat mit der Inneren Sicherheit und der Olympiabewerbung zwei politische Schwerpunktthemen zu koordinieren. Das Abendblatt sprach mit ihm darüber, wie er beiden Aufgaben gerecht werden will. So wird Neumann künftig aus Termingründen auf Auslandsreisen verzichten. Außerdem kündigt der Senator, der seit 2011 im Amt ist, im Interview die Einführung der umstrittenen „Bodycams“ für den 19. Juni an.

Hamburger Abendblatt: Sie sind fachlich zuständig für die Olympiabewerbung und die Innere Sicherheit. Wie groß ist die Gefahr, sich da zu verzetteln?

Michael Neumann: Der Bürgermeister hat mir mit Christoph Holstein einen starken Olympia- und Sportstaatsrat zur Seite gestellt, der mich hervorragend unterstützt.

Sie wollten Boston und Chicago besuchen.

Neumann: Das ist schlicht terminlich nicht zu machen. Wir haben die Aufgabengebiete aufgeteilt: Um das „Auslandsgeschäft“ kümmern sich Christoph Holstein und der künftige Geschäftsführer der Bewerbungs­­gesell- schaft Nikolas Hill. Ich konzen­triere mich voll auf meine Aufgabe als Innensenator. Und im Bereich Sport steht für mich das Referendum im November im Mittelpunkt.

Angenommen, die Hamburger stimmen beim Referendum im November für Olympia, dann müssten Sie sich doch nur auf die Sommerspiele konzentrieren und das Innere abgeben.

Neumann: Nein.

Es wird dann keine Veränderung im Senat geben?

Neumann: In der Politik ist es wie im Sport: Der Trainer stellt das Team auf.

Aber es müsste dann doch ein klares politisches Signal geben.

Neumann: Da mache ich mir bei unserem Bürgermeister keine Sorgen.

Zur Innenpolitik: Die Polizei will die tägliche Arbeit deutlich modernisieren. Wann beginnen die ersten
Modell­versuche?

Neumann: Wir werden am 19. Juni mit dem Einsatz von Bodycams beginnen. Dazu wurden für etwa 20.000 Euro vier solcher Geräte angeschafft. Das Pilotprojekt läuft zunächst ein Jahr, die Beamten der Davidwache werden die Geräte tragen.

Gegen die Kameras an der Uniform gibt es viel Kritik.

Neumann: Der Datenschutzbeauftragte hatte berechtigte Fragen, die aber alle geklärt sind. Hessen hat positive Erfahrungen mit den Bodycams gemacht. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass ihr Einsatz auch in Hamburg deeskalierend wirken wird.

Das Oberverwaltungsgericht hat Gefahrengebiete für verfassungswidrig erklärt. Eine Niederlage für Polizei und
Innenbehörde. Wollen Sie neue Gefahrengebiete ausweisen?

Neumann: In der Demokratie beschließen Parlamente Gesetze, nicht Polizei oder Innenbehörde. Im Übrigen gilt: Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Einzelfall entschieden, nicht allgemein über die Verfassungsmäßigkeit von Gefahrengebieten. Das Instrument ist wichtig für die polizeiliche Gefahrenabwehr.

Und wie soll das künftig rechtlich geregelt werden?

Neumann: Darüber sind die Koalitionäre im Gespräch.

Das ist sehr allgemein. Wie sollte das Gesetz denn konkret ausgestaltet werden?

Neumann: Diese Diskussion läuft zwischen den Koalitionären.

Wie sehr schmerzt Sie die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte im Koalitionsvertrag?

Neumann: Auch darüber sollen noch Gespräche zwischen den Koalitionären und den Polizeigewerkschaften geführt werden. Diese haben nach meinem Kenntnisstand noch nicht stattgefunden.

Wie ist denn Ihre Meinung dazu?

Neumann: Wir verschaffen uns gerade einen Überblick über die Erfahrungen, die andere Bundesländer damit machen. Und wir schauen uns an, ob die Befürchtungen der Gewerkschaften eingetreten sind oder nicht.

Die Zahl der Abschiebungen steigt. Ist das die Folge der gestiegenen Flüchtlingszahlen oder eines konsequenteren Vorgehens?

Neumann: Die Entwicklung der Flüchtlingszahlen ist atemberaubend. Das heißt, dass analog dazu auch die Zahl derer steigt, die keinen Asylgrund haben und bei denen wir wegen der knappen Platzkapazitäten auch genauer hinsehen müssen. Deswegen werden wir die Rückführungsabteilung der Ausländerbehörde um 20 Kräfte aufstocken.

Wo setzen Sie die Prioritäten beim Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern?

Neumann: Federführend ist immer das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Bei der Prüfung geht es zunächst um die Herkunftsländer. Dass Menschen, die aus Kriegsgebieten wie Syrien fliehen, einen Anspruch auf Asyl haben, steht außer Frage. Andersherum muss bei Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern, die keine Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland haben, nicht so intensiv geprüft werden. Oft stehen aber auch ganz praktische Gründe einer Ausweisung im Weg.

Welche?

Neumann: Viele Asylbewerber haben keine Pässe, sind krank oder haben kranke Angehörige. In diesen Fällen ist eine Rückführung rechtlich häufig ausgeschlossen. Und wenn beispielsweise der Vater krank ist, dürfen meist auch die Mutter und deren Kinder bleiben.

Die CDU fordert einen deutlich härteren Kurs gegen abgelehnte Asylbewerber.

Neumann: Im Jahr 2014 gab es bundesweit 10.800 Rückführungen, in Hamburg sind rund 1300 Flüchtlinge ausgereist oder abgeschoben worden. Es geht nicht darum, möglichst viele Abschiebungen vorweisen zu können. Wir halten uns an Recht und Gesetz und setzen dies mit Augenmaß wirksam durch.

Wie bewerten Sie die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen?

Neumann: Wir haben dort derzeit rund 4700 Menschen untergebracht, fast 2200 davon sind jedoch deutlich länger dort als die vorgegebenen drei Monate. Aufgrund des großen Zustroms mussten wir unsere Kapazitäten von 270 Plätzen in 2011 auf 5200 in diesem Jahr deutlich erhöhen. Und so wird es weitergehen. Sozialbehörde und Innenbehörde stellen sich gemeinsam dieser Herausforderung. So werden beispielsweise zum 1. Juli drei Einrichtungen mit 900 Bewohnern von der Zentralen Erstaufnahme zu Folgeeinrichtungen der Sozialbehörde.

Wie viele Flüchtlinge der sogenannten Lampedusa-Gruppe haben sich nachträglich für das geregelte Asylverfahren gemeldet?

Neumann: Zu den bereits im Verfahren befindlichen Personen ist bislang niemand neu hinzugekommen. Es gilt der alte Grundsatz: Ins Verfahren kommt nur, wer den Behörden seinen Namen nennt und seine Fluchtgeschichte schildert. Daran wird sich auch nichts ändern.

Ein runder Tisch diskutiert derzeit die punktuelle Freigabe von Cannabis im Schanzenviertel. Ist der repressive Ansatz gegen Drogenhandel gescheitert?

Neumann: Ich bin mir mit der Gesundheitssenatorin einig, dass Cannabis gesundheitlich hoch bedenklich ist. Ein solcher Modellversuch würde die polizeiliche Arbeit und ihre Akzeptanz nicht einfacher machen. Die Tatsache, dass Drogen wie Nikotin und Alkohol legal sind, darf im Umkehrschluss kein Argument für eine wie auch immer geartete Cannabis-Freigabe sein.

Der Justizsenator hat sich dafür ausgesprochen, dass Schwarzfahrer nicht mehr als Straftäter verfolgt werden sollen, um die Ermittler zu entlasten. Was denken Sie?

Neumann: Ein solcher Senatsbeschluss ist mir nicht bekannt.