Die Datenschutzbeauftragten der Bundesländer sind sich einig, dass sie Monopolisten im Internet verhindern und Geheimdienste stärker überwachen wollen. Streit gibt es um den Einsatz von Bodycams.

Hamburg. Der Datenschutzbeauftragte Hamburgs sitzt für seine Warnung an die Welt des Digitalen vor der Architektur der Analogie, vor den Möbeln alten Welt: der schwere Holztisch, das wuchtige Bücherregal, in dem hinter Glasvitrinen das gebundene „Rechtslexikon“ und die „Hanseatische Gerichts-Zeitung“ stehen, hier im 1912 fertiggestellten Gebäude des Oberlandesgerichts. Johannes Caspar spricht als derzeitiger Vorsitzender der Konferenz der Datenschützer auch für seine Kollegen aus den anderen Bundesländern, die sich zu ihrer Herbsttagung in der Hamburg getroffen haben. Und Caspar mahnt: Würden die Datenschützer in Bund und Ländern nicht besser mit Personal ausgestattet, könne der Schutz der Menschen nicht mehr ausreichend kontrolliert werden. „Datenschutzbehörden stehen öffentlichen und privaten Stellen gegenüber, die oft auf nahezu unerschöpfliche personelle und finanzielle Ressourcen zurückgreifen können“, sagt Caspar.

Die Datenschützer sollen die Geheimdienste und deren Umgang mit gespeicherten Emails oder Telefonaten stärker kontrollieren – besonders seit Bekanntwerden der Sammelwut des US-Geheimdienstes NSA und der Zusammenarbeit auch mit dem deutschen Nachrichtendienst. Die Datensammler von Facebook und Google und anderen wachsen zudem weiter. Das soziale Netzwerk Facebook kaufte unlängst für 19 Milliarden US-Dollar den Konkurrenten WhatsApp. Seit Mai muss der Suchmaschinendienst Google in manchen Fällen Ergebnisse löschen, das entschied der Europäische Gerichtshof. Die Datenschützer sollen auch hier das konsequente Löschen überwachen.

Doch 150 Fälle würden in Hamburg noch unbearbeitet in der Behörde liegen, in denen Bürger gegen Google klagen, weil der Konzern ihre Daten nicht löschen wolle, so Caspar. 14,6 Stellen hätten die Datenschützer in Hamburg, in dem neben Google und Xing noch etwa 160.000 andere datenschutzrelevante Unternehmen ihren Sitz hätten. Es sind starke Fronten, die Caspar aufbaut. Er hätte unlängst vier weitere Mitarbeiter in der Hansestadt gefordert. Die Haushälter lehnten ab.

Und weitere Aufgaben kämen dazu. Beispiel: der gläserne Autofahrer. Angesichts neuer Technik wachse die Begehrlichkeit, auf Daten zum Fahrverhalten, zu Aufenthaltsorten und Bewegungen der Fahrer zuzugreifen, etwa durch Daten, die von den Bremsen oder einem GPS-System übertragen werden. Pkw-Daten seien für Versicherungen interessant, sagte Casper. Sie könnten Autofahrern mit defensivem Fahrstil niedrigere Tarife anbieten. Auch könnten sich Arbeitgeber dafür interessieren, welche konkreten Wege ihre Arbeitnehmer im Dienst fahren. Doch ohne Zustimmung der Autofahrer dürfe hier nichts gespeichert werden, so Caspar.

„Wer schon viele Daten hat, bekommt noch mehr“

Vor allem Hamburg und Hessen debattierten zuletzt über Kameras, mit denen Polizisten Auseinandersetzungen während der Steife filmen können. Während Hessen nach Auskunft des dortigen Chef-Datenschützers in einem Pilot-Projekt „gute Erfahrungen mit der abschreckenden Wirkung“ von „Body-Cams“ auf den Schultern der Beamten macht, ist Hamburgs Beauftragter skeptisch. „Das stört die Unbefangenheit zwischen Bürger und Polizei.“ Zudem befürchte er, dass Aufnahmen von gewalttätigen Bürgern lange gespeichert werden könnten, während Filme über Fehlverhalten der Beamten schnell gelöscht werden könnten. „Wer die Filmdaten verantwortet, muss geklärt werden“, sagt Caspar.

Doch „Body-Cams“ und „Kfz-Daten“ sind Nebenschauplätze in der Debatte über die großen Datenmengen, die Behörden und Unternehmen im Alltag der Bürger sammeln: in sozialen Netzwerken, in Telefonate und Emails. Die rechtlich erlaubten Zugriffe der Sicherheitsbehörden auf Daten wurden zuletzt mit der Antiterrordatei und der Rechtsextremismusdatei erweitert. Derzeit sitzen vier Politiker in der sogenannten G-10-Kommission des Bundestags, die über die einzelnen Maßnahmen zur Überwachung durch die Geheimdienste entscheiden.

Die Datenschützer der Bundesländer fordern nun einen Platz in diesem Gremium. „Hier ist unser Fachwissen gefragt“, sagt Caspar. Zudem kann das Bundesinnenministerium die Aussage der Datenschutzbeauftragten in einem Untersuchungsausschuss wie zur NSA-Affäre derzeit unter bestimmten Voraussetzungen verhindern. Dieses Recht des Ministeriums sei bei der Ausgestaltung einer unabhängigen Bundesbehörde für Datenschutz zu streichen. Auch auf diese Forderung einigten sich die deutschen Datenschützer auf ihrer Konferenz in Hamburg.

Caspar aber spricht vor allem über Google und Facebook. Übernahmen wie zuletzt von WhatsApp durch Facebook wurden von den Kartellbehörden in den USA und der EU gebilligt. Zudem sieht auch das Bundeskartellamt bisher keinen uneinholbaren Marktvorsprung der Internetgiganten. Das würden allein die vergangenen Jahre zeigen, in denen erst Altavista, dann Yahoo und nun Google den Markt für Suchmaschinen im Netz anführten. Datenschützer Caspar sagt: „Wer schon viele Daten hat, bekommt noch mehr.“ An diesem Punkt werde der Datenschutz zu einer Frage des Kartellrechts. Datenmonopolisten wollen die Beauftragten der Länder verhindern. Dafür fordern sie nun eine stärkere Zusammenarbeit der Kartellämter mit den Datenschutzbehörden. „Denn Datenmacht ist auch Marktmacht“, sagt Caspar.