Hamburg. Gewerkschaft Ver.di ruft Mitglieder zu unbefristetem Arbeitskampf auf. In Hamburg startet der Streik in den beiden Briefzentren.
Wer zum Wochenauftakt in Hamburg einen Brief aufgegeben hat, muss damit rechnen, dass die Sendung zunächst in Altona oder Moorburg strandet. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat am Montag bundesweit ihre Mitglieder zu einem unbefristeten Streik bei der Deutschen Postaufgerufen. In der Hansestadt startet die Gewerkschaft den Arbeitskampf in den beiden Briefzentren – nämlich in Altona und Moorburg. Seit dem Nachmittag werden die Schichten aus dem Dienst rausgezogen.
„Alle Briefsendungen aus Hamburg laufen über diesen Flaschenhals“, sagte Thomas Ebeling, Gewerkschaftssekretär für den Bereich Postdienste in Hamburg. Insgesamt sind im Norden 1100 Beschäftigte aus acht Briefzentren in der Region aufgefordert, sich dem Arbeitskampf anzuschließen. Ver.di erwartet dadurch für das Logistik- und Sortiernetz in den nächsten Tagen einen Stillstand. „Früher oder später wird das System zum Stehen kommen, weil wir ja unbefristet streiken“, sagte Ebeling.
Aktuellen Meldungen zufolge, haben sich mehr als 1000 Beschäftigte der Post bisher in Norddeutschland an dem seit Montag laufenden bundesweiten Streik beteiligt. In Schleswig-Holstein seien gut 360 Mitarbeiter dem Streikaufruf gefolgt und damit mindestens 80 Prozent, sagte ein Verdi-Sprecher am Dienstag. Der Streik laufe gut. Im nördlichsten Bundesland wurden zunächst die Briefzentren Kiel, Lübeck und Elmshorn bestreikt.
Demnach ist auch die Beteiligung in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hoch. In der Hansestadt legten etwa 550 von 600 Beschäftigten in den Briefzentren Hamburg-Zentrum und -Süd die Arbeit nieder, wie ein Sprecher sagte. Im Nordosten galt das für 140 von 165 Mitarbeiter in den Briefzentren Schwerin, Rostock und Neubrandenburg. „Der Streik ist auf jeden Fall ein Erfolg“, sagte Landesfachbereichsleiter Lars Uwe Rieck. Er schätzt, dass allein in Hamburg täglich knapp 3,5 Millionen Sendungen liegen bleiben.
Bundesweit 116 Verteilzentren betroffen
Bundesweit sind 116 Verteilzentren vom Ausstand betroffen. Im Norden will die Gewerkschaft auch in Kiel, Elmshorn und Lübeck sowie in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg die Arbeit in den Briefzentren blockieren. Normalerweise werden wöchentlich in den acht Anlagen 40 Millionen Sendungen bearbeitet, mit 20,7 Millionen werden mehr als die Hälfte davon in Hamburg aufgegeben. Wie viele Sendungen in den nächsten Tagen noch bearbeitet werden können, hängt unter anderem von der Streikbereitschaft ab. „Wir rechnen mit einer hohen Beteiligung“, sagte Ebeling: „In den Briefzentren und bei der Zustellung sind wir gut organisiert.“ Rund drei Viertel der Beschäftigten seien Mitglied in der Gewerkschaft. Insgesamt vertritt Ver.di in den drei Nordländern die Interessen von 7200 Briefträgern.
Die Post hält Verzögerungen für möglich, hofft aber durch den Einsatz von Nichtstreikenden und Beamten, die nicht streiken dürfen, viele Sendungen zu sortieren. So sei es auch bei den bisherigen 19 Warnstreiktagen in der Metropolregion seit Mitte März gewesen. Im Schnitt seien fünf bis sieben Prozent, in der Spitze maximal zehn Prozent der Sendungen verspätet zugestellt worden, sagte der Post-Sprecher.
In dem Tarifkonflikt geht es um Bezahlung und Arbeitszeit für rund 140.000 Beschäftigte in Deutschland. Ver.di fordert eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden und 5,5 Prozent mehr Geld. Eigentlicher Stein des Anstoßes sind aber die eingeleiteten Sparmaßnahmen des Konzerns mit dem Aufbau von 49 regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung. In ihnen sollen rund 6000 Paketboten nicht mehr nach dem Haustarif, sondern nach den oft niedrigeren regionalen Tarifverträgen der Logistikbranche bezahlt werden. Die Deutsche Post AG zahlt nach eigenen Angaben Durchschnittslöhne von 17,72 Euro pro Stunde, die Tochter Delivery GmbH liegt im Schnitt bei 13 Euro.
Im Gegenzug für die Rückkehr der Regionalgesellschaften in den Haustarif wollte die Gewerkschaft für 2015 auf eine lineare Lohnerhöhung verzichten. Zudem sollten die Löhne neuer Mitarbeiter langsamer steigen. Ver.di forderte allerdings auch eine Einmalzahlung von 500 Euro und ein Lohnplus von 2,7 Prozent für 2016.
Die Post wies den Vorschlag zurück. Er leiste keinen Beitrag zur Zukunftssicherung für Mitarbeiter und Unternehmen, sagte Personalchefin Melanie Kreis. Zudem bedeute er eine Mehrbelastung von rund 300 Millionen Euro. Das sei „sogar eine spürbare Verschärfung unseres bestehenden Wettbewerbsnachteils“, sagte Kreis. Die Post zahle doppelt so hohe Löhne wie die Wettbewerber. Das verhindere auf mittlere Sicht, dass sie dauerhaft im Wettbewerb mithalten könne.
Ver.di erwartet, dass nach der Paket- auch die Briefzustellung in günstigere Töchter ausgelagert werden soll. „Wir befürchten eine Salamitaktik“, sagte Ebeling. So sind laut Ebeling für ein Gebiet in Mainz bereits Anzeigen geschaltet worden, in denen Briefzusteller sich für eine Tochterfirma bewerben sollen. Der Stundenlohn liege bei 10,78 Euro – und damit einen Euro unter dem Einstiegslohn bei der Deutschen Post AG. Ein Post-Sprecher wies auf Anfrage etwaige Pläne für eine Billigtochter für Briefzusteller zurück.
Wie lange der Streik nun dauert, ist unklar. „Wir bewerten das Arbeitgeberverhalten tagtäglich neu und fangen an, den unbefristeten Arbeitskampf sukzessive nach oben zu fahren“, sagte Ebeling. So könnte in nächsten Schritten die Zustellung von Briefen und Paketen blockiert werden. Insbesondere bei der Auslieferung großer Sendungen gebe es noch einen Rückstau durch die Warnstreiks. Zusteller berichten von Paketstapeln, die noch auf ihre Zustellung warten, so Ebeling: „Im Paketbereich gibt es nach wie vor erhebliche Verzögerungen. Selbst wenn wir jetzt zwei, drei Wochen Ruhe geben würden, bestünde mindestens so lange noch ein Rückstau.“ Ein Post-Sprecher sagte, dies sei ihm nicht bekannt.