Arbeitgeber und Gewerkschaften machen in vielen aktuellen Tarifverhandlungen keine gute Figur. Ob Lokführer, Kitas oder Brief- und Paketzusteller. Überall hakt es. Von verhärteten Fronten ist bereits nach der ersten Gesprächsrunde die Rede, Ultimaten werden zügig gestellt, Streiks von Gewerkschaften nicht mehr als letztes Mittel eingesetzt, sondern fast schon als notwendiges Ritual gesehen. Nun droht Ver.di auch bei den Postzustellern mit unbefristeten Streiks, weil der Arbeitgeber Forderungen angeblich nicht rechtzeitig erfüllt hat. Man fühlt sich als Betroffener an einen Kindergarten erinnert, in dem der trotzige Nachwuchs das Mittagessen verweigert, weil die Erzieherin es zu spät auf den Tisch gestellt hat.

Dass es anders geht, hat in den vergangenen Jahren eine Gewerk­schaft bewiesen, die in den 1970ern und 1980er­n noch für wilde Massenstreiks bekannt war: die IG Metall. Sie setzt zwar auch auf das Druckmittel Warnstreik, dosiert dieses aber so, dass sich der volkswirtschaftliche Schaden in Grenzen hält. Ansonsten konzentriert die IG Metall ihre Kräfte auf eine intelligente und kompromissbereite Verhandlungsführung in den Tarifgesprächen. Sicherlich gehören zu einem Abschluss am Ende immer zwei, also auch die Arbeitgeber. Denn sie haben sich im Streit mit Lokführern, Kita-
Beschäftigten und Postbediensteten ebenfalls keine goldene Diplomatie-Medaille verdient. Es wird Zeit, dass bei Tarifverhandlungen wieder die Vernunft über die Emotion siegt.