Hamburg. Viele Täter stammen aus Osteuropa und Nordafrika. Ihre Maschen sind ausgeklügelt, oft arbeiten sie im Team. Worauf jeder achten sollten.
Es ist kurz nach Mitternacht, als Lisa Wenker, 26, mit drei Freunden auf der Reeperbahn in Richtung U-Bahnhof St. Pauli geht. Plötzlich stürmt eine Gruppe fünf junger Männer auf sie zu. „Ziemlich schräg“, findet sie es, als die Männer anfangen, um sie herum zu tanzen und zu singen. Bei der jungen Frau schrillen aber erst die Alarmglocken, als einer der Männer Körperkontakt zu ihrem Freund sucht.
In diesem Moment schlägt der Taschendieb zu und stiehlt dem Freund ein privates und ein dienstliches Smartphone aus den hinteren Hosentaschen. Und so schnell, wie sie gekommen sind, sind die Männer auch schon wieder weg. „Hast du deine Sachen noch?“, fragt Wenker. Ihr Freund stutzt, spurtet hinter den Männern her, kriegt den Dieb am Arm zu fassen. Und hat Glück: Der Täter gibt ihm seine Handys zurück. Doch den Männern gelingt die Flucht.
Taschendiebe schlagen immer häufiger zu, vor allem in den beliebten Ausgehvierteln (siehe Karte). Das scheint auch an der Verbreitung von Smartphones zu liegen, die schnelle Beute versprechen. „Das Phänomen ist keine Hamburgensie, anderswo steigen die Fallzahlen noch deutlich höher“, sagt Normen Großmann, Chef der Hamburger Bundespolizei.
Die Tätergruppen sind ebenso unterschiedlich wie ihre Maschen. „In St. Georg werden Passanten vor allem auf öffentlichen Straßen und Plätzen bestohlen, auf St. Pauli greifen die Täter in Gaststätten häufig in abgelegte Taschen, und in der Innenstadt sind beide Vorgehensweisen zu beobachten“, sagt Morten Struve, Leiter des Polizeikommissariats an der Caffamacherreihe. Erfahrene Zivilfahnder erkennen Verdächtige schon an der Art, wie sie sich in größeren Gruppen bewegen. „Man braucht speziell geschulte Beamte, da auch die Täter feine Sensoren haben“, sagt Normen Großmann.
Hinzu kommt, dass ihre Opfer oft nicht sofort merken, dass sie bestohlen worden sind, und die Tatorte deshalb nicht eindeutig zu bestimmen sind. Mit ihrer Offensive gegen den Taschendiebstahl setzen Landes- und Bundespolizei jetzt auf Nachhaltigkeit. Struve geht davon aus, dass während der Aktion verstärkt die Identität von Tatverdächtigen festgestellt werden kann, damit anschließend die schwerpunktmäßigen Tatgebiete der Taschendiebe besser eingegrenzt werden können.
Es ist die erste groß angelegte Offensive gegen Taschendiebstahl, die beide Polizeiführungen gemeinsam durchführen. Auch abends sollen Ermittler beider Dienstellen gemeinsam im Innendienst arbeiten. „Wir wollen sehr schnell prüfen, ob die ertappten Verdächtigen eventuell Serientäter sind, sagt Struve. Denn häufig handele es sich bei Taschendieben um reisende Tätergruppen. Laut Polizei stammt ein Großteil von ihnen aus Osteuropa, Nordafrika und Südosteuropa. Ein Plus verzeichnet die Bundespolizei zudem bei sogenannten „Schläfertaten“. Dabei werden an den Wochenenden und zu früher Stunde schlafende Fahrgäste bestohlen.
Bei Lisa Wenker und ihren Freunden sind die Taschendiebe gescheitert, weil das Paar geistesgegenwärtig reagiert hat. Mit Vorsicht im Alltag ließe sich ein Großteil der Diebstähle verhindern, sagt Frauke Hannes von der polizeilichen Kriminalprävention der Polizei Hamburg. Das Aufbewahren von Smartphones in der Hosentasche sei schon mal ein „absolutes No-Go“. Die häufigsten Maschen der Täter:
Der Rempel-Trick:
Das Opfer wird im Gedränge angerempelt oder „in die Zange“ genommen. Ein Täter bleibt plötzlich stehen. Während das Opfer auf ihn aufläuft und dadurch abgelenkt wird, entwendet der Komplize die Wertsachen der ahnungslosen Opfer. Bevorzugte Tatorte sind die Züge und Busse im Nah- und Fernverkehr ebenso wie Rolltreppen, Drehtüren, Fahrstühle oder andere Ein- und Ausgangsbereiche.
Der Drängel-Trick:
In stark frequentierten Bussen oder Bahnen rückt der Taschendieb unangenehm dicht an das Opfer heran. Der Dieb drängelt so lange, bis das Opfer ärgerlich seinen Rücken zuwendet und sich ihm die Hand- oder Umhängetasche „griffbereit“ darbietet.
Der Beschmutzer-Trick:
Insbesondere nach Geldabhebungen wird die Oberbekleidung vom Opfer unbemerkt mit einer Flüssigkeit wie Senf oder Ketchup beschmutzt. Der Täter und seine Komplizen zeigen sich „hilfsbereit“. Beim wortreichen Reinigungsversuch verschwindet aber das zuvor abgehobene Geld.
Der Bettel-Trick:
Meist sind es Kinder, die dem Opfer ein Pappschild mit der Bitte um eine Spende vorhalten. Während das Opfer bereitwillig nach Kleingeld in der Geldbörse sucht, zieht der Täter abgedeckt durch das Pappschild die Banknoten aus dem Scheinfach.
Der Stadtplan-Trick:
Der Taschendieb spricht sein potenzielles Opfer an und fragt unter Vorhaltung eines Stadtplans nach dem Weg. Während das Opfer die Karte in die Hand nimmt und sich orientiert, öffnet der Taschendieb unbemerkt die Hand- oder Bauchtasche.
Der Geldwechsel-Trick:
Der Taschendieb bittet das Opfer, eine bestimmte Münze zu wechseln. Sobald das Opfer nach dem passenden Geldstück im Münzfach sucht, lenkt der Taschendieb das Opfer ab, indem er sein Geldstück in das Münzfach wirft. Beim wortreichen Gespräch wechseln die Banknoten ihren Besitzer.
Der Hochhebe-Trick:
In einer Gaststätte oder Bar behauptet der Taschendieb, das Gewicht des Opfers genau schätzen zu können. Während der Taschendieb sein Opfer umklammert und es hochhebt, entwendet der Komplize die Geldbörse.
Der Restaurant-Trick:
In einem Restaurant oder einer Gaststätte setzt sich der Taschendieb an den Nebentisch des Opfers. Während das Opfer seine Speisen einnimmt, entwendet der Taschendieb Wertsachen aus der über der Stuhllehne angehängten Jacke.
Der Supermarkt-Trick:
Im Supermarkt fragen Fremde das Opfer nach einer bestimmten Ware. Während es danach sucht, wird die Tasche am Einkaufswagen ausgeräumt.
Der Blumen-Trick:
Der Blumen- oder auch Nelkenverkäufer-Trick wird meist in Touristengebieten versucht. Dem Opfer wird eine Blume angesteckt. Auf Drängen der Täter holt das Opfer seine Geldbörse hervor. Der Täter zeigt auf Geldstücke im Münzfach. Während das Opfer nach den Münzen schaut, verschwinden abgedeckt durch einen Gegenstand die Geldscheine aus dem Portemonnaie.
Der Taschenträger-Trick:
Taschendiebe spähen Personen z.B. vor Warenhäusern oder auf Bahnhöfen aus. Der Täter bietet seine Hilfe an, indem er die Reisetasche in den Zug trägt. Während der Taschendieb vorauseilt, stiehlt er die mitgeführten Wertgegenstände aus der Tasche.
Der Klopfer-Trick:
Taschendiebe gehen den Bahnsteig bei haltenden Zügen ab. Der Komplize geht parallel in den Zügen und schaut nach geeigneten Opfern. Der Täter draußen klopft beim Opfer an die Scheibe und bittet um eine Auskunft. Die Abgelenktheit nutzt der Komplize und entwendet die abgelegten Wertsachen.
Der Schlitzer-Trick:
Mit einer präparierten Rasierklinge oder einem anderen scharfen Gegenstand schlitzt der Täter die Hosentasche des Opfers auf, in der eine Geldbörse steckt.
So schützen Sie sich:
Die Polizei hat hilfreiche Tipps, wie man sich gegen Taschendiebe und Trickdiebe schützen kann: Nehmen Sie nur so viel Bargeld mit, wie Sie benötigen. Bewahren Sie niemals EC-Karte und persönliche PIN-Nummer zusammen auf! Führen Sie Geld, Papiere, Kreditkarten und andere Wertsachen dicht am Körper. Benutzen Sie dazu verschlossene Innentaschen!
Tragen Sie Hand- und Umhängetaschen verschlossen auf der Körpervorderseite oder klemmen Sie sich diese unter den Arm! Lassen Sie ihr Gepäck und sonstige Wertgegenstände nie unbeaufsichtigt, und legen Sie Handtaschen oder Jacken mit Geldbörsen, wenn notwendig, nur achtsam beiseite!
Seien Sie misstrauisch, wenn Sie angerempelt werden, ihre Kleidung scheinbar unbeabsichtigt beschmutzt wird! Bei Abhebungen an Geldautomaten lassen Sie sich nicht von Dritten ablenken oder in ein Gespräch verwickeln! Größere Bargeldabhebungen sollten nie allein vorgenommen werden. Lassen Sie sich den Betrag in einem Nebenraum der Bank auszahlen!
Lassen Sie ihre Handtasche bei einem Einkauf nicht im Warenkorb liegen. Die Handtasche möglichst körpernah tragen!
Hängen Sie Hand- oder Umhängetaschen in einem Restaurant nicht an Stuhllehnen. Achten Sie bei der Anprobe von Bekleidung auf ihre Sachen und legen Sie diese nie achtlos ab! Gewähren Sie keine Einblicke in ihre Brieftasche, beispielsweise beim Bezahlen an einer Kasse! Tragen Sie Rucksäcke im Gedränge vorne. Keinesfalls gehören Geldbörsen oder Wertsachen wie Mobilfunktelefone in Außentaschen!