Hamburg. Hamburg ist Hauptstadt der Stifter. Sie wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben – und Firmen können so ihre Zukunft sichern.
Michael Otto hat es vorgemacht: Der Unternehmer trennte sich von einem Großteil seines Vermögens und brachte seine Mehrheitsbeteiligung an der Otto Group in eine neue, gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts ein. „Eine Reihe Hamburger Unternehmer befassen sich mit einem solchen Schritt“, sagt Ulrich Möhrle, Partner und Fachanwalt für Steuerrecht der Kanzlei MDS Möhrle. Hamburg gilt als Hauptstadt der Stiftungen. Allein im vergangenen Jahr wurden 34 neu gegründet, viele durch Privatpersonen, die durch die Unterstützung gemeinnütziger Projekte der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten. Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen zu Stiftungen.
Alles Wissenswerte über Stifungen
Eine Stiftung ist einem bestimmten Zweck gewidmet. Das eingebrachte Vermögen wird sicher und gewinnbringend angelegt und dient in der Regel gemeinnützigen Zwecken, die vorher festgelegt und kaum noch geändert werden können. Rund zwei Drittel der Stifter in Deutschland sind Privatpersonen. Aber auch Unternehmen und Vereine betätigen sich als Stifter.
Kann jeder eine Stiftung grünen? Ja. „Jede Stiftung benötigt eine Satzung, ein Stiftungsgeschäft, also den Stiftungszweck, einen Vorstand und natürlich eine Kapitaleinlage“, sagt Marcus Buschka, Vorstand der Haspa Hamburg Stiftung. Diese seit zehn Jahren bestehende Einrichtung übernimmt nahezu kostenfrei die gesamte Administration für Stifter. Die Stiftung muss von der Justizbehörde in Hamburg anerkannt werden, das Finanzamt muss die Gemeinnützigkeit bestätigen. „In der Regel sollte ein Stiftungskapital von mindestens 50.000 Euro eingebracht werden“, sagt Buschka. Gesetzliche Vorgaben dafür gibt es aber nicht. „Aber wer eine Stiftung gründet, trennt sich immer von seinem Vermögen“, sagt Katrin Kowark vom Bundesverband Deutscher Stiftungen. Wer weniger Geld hat, kann bei der Haspa Hamburg Stiftung bereits ab 1000 Euro Bildungsprojekte unterstützen.
„In letzter Zeit gewinnen auch Verbrauchsstiftungen an Bedeutung“, sagt Buschka. Bei dieser Stiftung auf Zeit wird das Kapital neben den Erträgen innerhalb einer bestimmten Zeit verbraucht. Danach hört die Stiftung auf zu existieren.
In Hamburg gibt es 1337 Stiftungen, die über ein Kapital von rund acht Milliarden Euro verfügen. Gemessen an der Einwohnerzahl hat die Hansestadt damit die meisten Stiftungen vor Bremen und Hessen. „In Hamburg leben viele wohlhabende Menschen, die aus Dankbarkeit der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen“, sagt Buschka.
95 Prozent der Stiftungen verfolgen gemeinnützige Zwecke, fördern zum Beispiel Bildungsangebote oder setzen sich für die Erforschung seltener Krankheiten ein. Mit den jährlichen Ausschüttungen der neuen Stiftung von Michael Otto sollen kulturelle, soziale und ökologische Projekte gefördert werden. Die Körber-Stiftung in Hamburg, die jährlich 17 Millionen Euro für ihre Arbeit zur Verfügung hat, fördert den Dialog mit Asien, den Umgang mit Geschichte und die Musikvermittlung. Außerdem setzt sich die Stiftung für die Förderung naturwissenschaftlicher Fächer ein und will Ältere in der Gesellschaft stärker fördern. Mit 1,3 Milliarden Euro ist die Joachim Herz Stiftung, die in Kürze ihr neues Quartier in Langenhorn einweiht, eine der größten in Hamburg. Im Mittelpunkt der Stiftung steht die Bildung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Viele Unternehmen sind schon in Besitz von Stiftungen. Dafür gibt es prominente Beispiele. Alleinige Aktionärin des Maschinenbauers Körber AG ist die Körber-Stiftung. Auch Bertelsmann, ThyssenKrupp oder Bosch gehören Stiftungen. „Eine solche Stiftungskonstruktion ist eine Möglichkeit, das Unternehmen auf Dauer zu sichern, wenn es keine geeigneten Nachfolger gibt“, sagt Möhrle.
„Stiftungsunternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine stärkere Mitarbeiterorientierung haben“, sagt Reinhard Berndt, Partner der Hamburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Die Firmen sind langfristig orientiert und nicht so stark vom Kapitalmarkt abhängig. Die Stiftungen begnügen sich in der Regel mit niedrigen Ausschüttungen, was die Finanzierung langfristiger Investitionen erleichtert. Zwei Drittel der Deutschen glauben, dass Stiftungsunternehmern die besseren Arbeitgeber sind.
Eine Firma muss nicht in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht werden. „Wenn es darum geht, dass die Anteile nicht auf viele Familienmitglieder übertragen werden sollen, kann eine Familienstiftung sinnvoll sein“, sagt Berndt. „Die nicht gemeinnützige Stiftung kann dann Erträge an die Familienmitglieder ausschütten, sodass sie weiterhin vom Unternehmen profitieren“, sagt Möhrle. Diese Ausschüttungen sind natürlich steuerpflichtig.
Bei einer gemeinnützigen Stiftung fallen keine Steuern an. Aber bei einer Familienstiftung, die nicht gemeinnützig ist, gilt das Erbschaftsteuerrecht. „Zwar ist es im Moment noch möglich, das Firmenvermögen unter Einhaltung bestimmter Kriterien wie Sicherung der Arbeitsplätze steuerfrei zu übertragen“, sagt Berndt. Doch die Bundesregierung plant eine Änderung des Erbschaftssteuerrechts für Firmen. „Schon jetzt wird bei einer solchen Stiftung nach 30 Jahren erneut Ersatzerbschaftsteuer fällig“, sagt Möhrle. „Es gibt keinen Grund eine Familienstiftung nur wegen der Erbschaftssteuer einzurichten.“ Für den Stifter einer gemeinnützigen Stiftung gibt es die Möglichkeit, Einkommensteuer zu sparen. „Das gestiftete Vermögen wird wie eine Spende gewertet und ist steuerlich absetzbar – allerdings nur bis zu einer Millionen Euro“, ergänzt Berndt.
Gemeinnützige Stiftungen unterliegen einem strengen Regelwerk. „Das kann eine gewisse Unflexibilität bei der Unternehmensführung, etwa in Krisenzeiten, mit sich bringen“, sagt Möhrle. Eine Satzungsänderung sei sehr schwierig. „Nach dem Ableben des Stifters ist das fast unmöglich.“
Die Aufsicht über die Stiftungen ist Ländersache. In Hamburg obliegt sie der Justizbehörde. Gemeinnützige Stiftungen müssen alle drei Jahre gegenüber dem Finanzamt ihre Gemeinnützigkeit nachweisen, indem sie Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben ablegen.