Hamburg . Kinder und Jugendliche lieben sie, viele Eltern sehen Computerspiele kritisch. Orientierung bieten soll die neue Computerspielschule Hamburg

„Ich mache mir Sorgen wegen der Computerspiele“, schreibt eine Mutter auf einer Ratgeberseite für Eltern im Internet. Sie bemühe sich sehr, den ihrer Kinder in Grenzen zu halten, könne den Nachwuchs aber nicht immer kontrollieren. „Smartphone, iPad oder Computer, irgendwo kommen meine Kinder früher oder später zu einem Spiel.“ Drohe den Kleinen ein Schaden? Oder sei sie zu ängstlich?

Mit ihrer Sorge dürfte die Frau nicht allein stehen. Wie aktuelle Studien zeigen, wird bei Computerspielen immer noch ein ungleich höheres „“ angenommen als etwa bei Büchern, die ein sehr gutes Image haben. Gleichwohl ist bei vielen Eltern inzwischen angekommen, dass Computerspielen auch viele positive Wirkungen zugeschrieben werden.

Aufklärung leisten und Orientierung bieten soll die Computerspielschule Hamburg, die am Freitag um 16 Uhr in der Bücherhalle Holstenstraße eröffnet wird (Norderreihe 5-7). Betreut von Medienpädagogen können sich dort Jugendliche ab 13 Jahren und Eltern mit verschiedenen Spielegenres und Nutzungsformen beschäftigen; Eltern können sich zudem über den Jugendmedienschutz informieren. Für die Jugendlichen sind außerdem mehrtägige Ferienworkshops geplant.

Unterstützt wird das Pilotrojekt von einem breiten Bündnis: Neben der Initiative Creative Gaming, die jedes Jahr das populäre Festival „Play“ in Hamburg ausrichtet, engagieren sich mit der Uni Hamburg, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der Bundeszentrale für politische Bildung wichtige Bildungseinrichtungen. Das Bundesforschungsministerium fördert die Computerspielschule Hamburg in den nächsten drei Jahren mit 32.000 Euro.

Pädagogische Angebote fehlen

Computerspiele sind mittlerweile ein Massenphänomen, populär bei Jung und Alt, bei beiden Geschlechtern, Singles und Familien. Tausende Bürger führen ein zweites Leben in Online-Rollenspielen; Lehrer erproben Computerspiele im Unterricht; Hochschulen bilden Spieleprogrammierer aus; Wirtschaft und Militär verwenden Simulationsspiele zur Ausbildung.

Das Spieleangebot wird immer vielfältiger, sodass sich auch Menschen angesprochen fühlen, die früher kein Interesse an Computerspielen hatten. Doch neben viel gelobten Spielen wie „Minecraft“, „Portal“ und solchen, die jedes Jahr beim Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet werden, gibt es auch Spiele, die Gewalt und Krieg verherrlichen, die Frauen oder Ethnien herabsetzen, wie Experten kritisieren. Das treibt nicht nur Eltern um, sondern auch Pädagogen und Wissenschaftler.

Für viele Kinder und Jugendliche zählten Computerspiele zur liebsten Freizeitbeschäftigung, sagt Rudolf Kammerl, Professor für Medienpädagogik an der Universität Hamburg. „Es gibt aber bisher zu wenige pädagogische Angebote, die das Spielen begleiten.“ In der Computerschule Hamburg sollen Jugendliche lernen, „gute“ von „schlechten“ Spielen zu unterscheiden und Kostenfallen zu erkennen.

„Das Problem sind ja nicht Computerspiele an sich, sondern jugendgefährdende Spiele“, sagt Kammerl. Eltern könnten sich in der Computerspielschule über kindgerechte Spiele informieren und diese auch selbst spielen, um besser zu verstehen, was ihren Nachwuchs daran so fasziniert.

Gemeinsamkeiten von Computerspielen und Büchern

Prof. Ulrike Verch, Leiterin des Departments Information an der HAW, hält das Projekt auch mit Blick auf die Entwicklung von Bibliotheken für wichtig. Seit Langem könne man in den Bücherhallen auch Computerspiele ausleihen. „Deshalb sollten wir in Bibliotheken nicht nur eine Leseförderung anbieten, sondern auch den richtigen Umgang mit Computerspielen unterstützen“, sagt Verch.

Aus Sicht von Jan Krienke, einem der Initiatoren der Computerspielschule, haben Bücher und digitale Spiele einiges gemeinsam: „Sie ermöglichen das Eintauchen in fiktive Welten, die Beschäftigung mit Rollenbildern, die Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten aus der eigenen Lebensrealität“, sagt der Medienpädagoge. „Hier knüpft die Computerspielschule an, indem sie Räume schafft, in denen Helden und Heldinnen aus Büchern in Spielfiguren transformiert, virtuelle Welten aus Buchstaben und Zeichen in digitale Umgebungen übersetzt und Erzählungen aus Romanen in Computerspielen nacherzählt werden können.“

Die Computerspielschule soll nach dem 5. Juni immer freitags von 14 bis 18 Uhr geöffnet sein und bis 2017 in drei weiteren Bücherhallen Station machen. wwww.computerspielschule-hamburg.de

Tipp für Eltern: Seit 2003 sind Altersfreigaben für Computerspiele gesetzlich vorgeschrieben. Auf der Internetseite der Unterhaltungssoftware Selbstkon­trolle (www.usk.de) können Eltern nach Altersfreigaben für einzelne Titel suchen (unter „Titelsuche“).