Othmarschen . Die Vorbereitungen für den Abschlussball laufen auf Hochtouren. Chic und teuer muss er sein. Das Parkett wird zum Laufsteg.
Alexa, Charlotte und Lukas vom Gymnasium Hochrad wissen schon jetzt, was sie auf ihrem Abiturball im Juli tragen werden: Alexa Sievers, 17, hat sich für ein rapsgelbes Abendkleid entschieden. Lukas Schmuck, 18, trägt einen schwarzen Anzug – selbstverständlich mit weißem Hemd und Krawatte. Und Charlotte Gloe, 18, hat ein königsblaues Abendkleid gekauft. „250 Euro habe ich für mein Outfit ausgegeben. Weil es ein Ball ist, finde ich das angemessen.“ Schließlich, fügt Alexa hinzu, gibt es den Abiball nur einmal im Leben.
Was in den 60er-Jahren noch verpönt war, ist heute hip: Mit einem stilvollen und meist teuren Abiball nehmen die Gymnasiasten Abschied von der Schulbank. War die Hochschulreife in den 70er-Jahren vor allem Anlass für alkoholisierten Kollektivrausch, dreht sich heute schon Wochen vorher alles um die Wahl der perfekten Kleidung. Während in den Vereinigten Staaten glanzvolle Abiturbälle mit gestylten Absolventen längst zum guten Ton gehören, wird jetzt auch das Hamburger Parkett immer mehr zum Laufsteg für teure Mode.
„Schüler wollen nach dem Vorbild des amerikanischen ,Proms‘ ihren Abiball immer exklusiver feiern“, sagt der Eventplaner Marbon Hein. Es reiche nicht einfach, wie früher in der Turnhalle Musik laut aufzudrehen. Statt dessen würden sogar 5-Sterne-Hotels und exklusive Restaurants gebucht. 2014 mietete das Gymnasium Oberalster gleich drei Festsäle im Hotel Atlantic, und die jungen Damen schmückten sich am liebsten mit einem Designerkleid. Auch beim Abiturjahrgang 2015 sitzt das Geld in der bürgerlichen Mittelschicht relativ locker. „Abiturientinnen geben bei uns im Schnitt 300 Euro für ihr Kleid aus“, sagt Magdalene Polkow, 30, stellvertretende Leiterin der Damenabteilung im Alsterhaus. In diesem Jahr seien knielange Cocktailkleider in leuchtkräftigen Farben wie Neonpink gefragt. Wer es farblich lieber dezent möchte, greift auf Schnittformen zurück, die bevorzugt Haut zeigen. „Und auch die Herren putzen sich mit Anzug, Krawatte oder Fliege heraus“, sagt Polkow.
Nach Ansicht von Jürgen Frisch, Professor für Modedesign an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist die jeweilige Abiballmode nicht von der sonst üblichen Mode zu trennen. „Seit den Generationen Golf, Praktikum und Facebook ist ein deutlicher Trend zu konformistischen Kleidungsstilen festzustellen“, sagt er.
Abiturbälle werden heute mit Glanz und Glamour gefeiert
Gegenwärtig werde unter dem Begriff „Norncore“ ein Stil gewählt, der Normalität propagiert und Individualismus ablehnt. Für „Norncorner“ würde als Pflichtgarderobe gelten, was für Individualisten ein „No Go“ ist: das Cocktailkleid für die junge Dame und ein dunkler Anzug mit unifarbenem Hemd und diagonal gestreifter Seidenkrawatte für den Herrn.
Wer wie Frisch vor 30 Jahren sein Abitur abgelegt hat, entschied sich zum Beispiel für das Kellner-Outfit mit schwarzem Gastronomie-Baumwollköperbolero, schwarzer Satinbundfaltenhose und sehr schmalen, schwarzen kalbsledernen Derbys zu einem weißen Hemd nebst dunkler Ansteckfliege.
Heute geben nicht mehr Servicekräfte die Abiballkleidung vor, sondern die Promis. Mit Glanz und Glamour werden deshalb viele Hamburger Abiturbälle gefeiert, was die Kosten rasant nach oben treibt. Schon vor fünf Jahren beklagte der heutige SPD-Schulsenator Ties Rabe, dass die „Abiturfeiern immer ausschweifender und teurer“ würden. Eintrittspreise von mehr als 70 Euro für die Abifeier, also 210 Euro für die Kleinstfamilie, seien mittlerweile keine Seltenheit mehr. Inzwischen hat sich sogar eine eigene Branche rund um das Abiturfest etabliert: Fotografen, Modespezialisten und Eventplaner. Ein Hamburger Geschäft wirbt damit, die neuesten Abendkleider direkt in Hollywood gekauft zu haben und verspricht: „Du wirst keine Schülerin mehr sein, und dein Outfit soll das an diesem Abend unbedingt unterstreichen.“
Die Abiturienten vom Gymnasium Hochrad haben bereits ein Organisationskomitee gegründet und einen Eventmanager engagiert. Der Eintritt wird 75 Euro pro Person betragen, Essen inklusive. Sechs Abiturientinnen haben rechtzeitig herausgefunden, dass alle das gleiche Kleid gekauft hatten. Ein absolutes „No Go“. Wie Alexa erzählt, wurde prompt eine Facebook-Gruppe gegründet. „Dort schreibt jedes Mädchen, was sie anzieht, damit es zu keinen Dopplungen kommt.“