Hamburg. Die neue Regelung zur Paternoster-Nutzung sorgt im Internet für Spott. “Nanny Nahles“ solle sich lieber um richtige Probleme kümmern.

Die neue Regelung zur Benutzung von Paternostern sorgt in Hamburg für Wirbel: Franziska Grunwaldt, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, bezeichnete das neue Gesetz als "einfach nur peinlich."

"Auch wenn Frau Nahles es nicht glauben mag, sind die Menschen durchaus in der Lage auf sich selbst aufzupassen. Was kommt als nächstes? Die Helmpflicht fürs Treppensteigen? Das ist sozialdemokratischer Regulierungswahn in Perfektion", so Grunwaldt. "Nanny Nahles" solle sich lieber um die tatsächlichen Probleme der Arbeitgeber und Arbeitnehmer kümmern.“

Nach dem neuen Gesetz aus dem Ressort von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dürfen Paternoster ab Juni nur noch von Beschäftigten benutzt werden, die vom Arbeitgeber zuvor eingewiesen wurden. Besucher müssten künftig also die Treppe oder einen regulären Aufzug nehmen, da sie nur schwerlich eingewiesen werden können. Knapp 40 Exemplare dieser mit einer schweren Kette verbundenen, nach vorne hin offenen Kabinen sind in der Hansestadt aber noch in Betrieb, die meisten in altehrwürdigen Kontorhäusern, Bürogebäuden und Behörden. Einige sind nur für Mitarbeiter gedacht, andere öffentlich und kostenlos für Besucher begehbar – zumindest bisher.

Auch im Netz erntet die Neuregelung Spott und Häme. Bei Twitter wurden etwa "wagemutige" Fahrten mit dem Paternoster gepostet:

Karin Prien aus der CDU-Bürgerschaftsfraktion forderte mit einem Augenzwinkern gleich eine Volksinitiative:

Erhöhte Unfallgefahr?

„In der Vergangenheit ist es immer wieder zu schweren Unfällen und Todesfällen gekommen“, sagt eine Sprecherin des Arbeitsministeriums. Unter anderem war in Oberhausen ein kleiner Junge in einen Paternosterschacht gedrückt worden. In Frankfurt klemmte sich eine Frau die Beine ein, in Mainz ein Mann seinen Kopf. Dem Amt für Arbeitsschutz in Hamburg sind keine Unfälle mit Paternostern in der Hansestadt aus den vergangenen Jahrzehnten bekannt, obwohl es beim Ein- und Ausstieg schon einer gewissen Vorsicht bedürfe, sagt Sprecher Rico Schmidt.

Doch für die Hamburger Finanzbehörde wird die Regelung zum Problem. Dort gibt es Paternoster, die für Besucher unentbehrlich sind. „Wir haben nur einen modernen Aufzug, und der eignet sich nicht für den Durchgangsverkehr“, sagt Pressesprecher Daniel Stricker.

Da der Paternoster wie das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz stehe, seien Umbauten, die den Gebrauch sicherer machen könnten, ohnehin verboten. „Notfalls hängen wir ein Schild auf, auf dem wir die Besucher darauf hinweisen“, sagt Stricker.

80 Prozent fahren lieber Paternoster als Aufzug

Wie das Bezirksamt Eimsbüttel. Seit einigen Monaten steht vor den Paternostern im Erdgeschoss der denkmalgeschützten Grindelhochhäuser ein Schild mit dem Hinweis, dass nur „eingewiesene Personen“ berechtigt seien, mit dem Umlaufaufzug zu fahren. Zwar gibt es auch einen regulären Lift, laut Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke würden aber rund 80 Prozent der Besucher lieber den Paternoster benutzen.

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© Michael Rauhe | Michael Rauhe

„Ich halte das für Quatsch. Wer sich nicht in den Paternoster traut, soll einfach den Fahrstuhl nehmen“, sagt Olga Xeniko aus Schnelsen, die sich einen Wohnberechtigungsschein holen wollte. Es gibt aber auch andere Stimmen: „Ich finde Paternoster ein bisschen gruselig. Mein Vater hat mir immer erzählt, die Dinger klappen nach dem obersten Stockwerk zusammen. Gerade für ältere Menschen könnte die Benutzung auch gefährlich sein“, sagt Tanja Krys aus Eimsbüttel. Für alle, die noch nie Paternoster gefahren sind, sei gesagt: An den Wendepunkten wird die Kabine nicht um 180 Grad gedreht.

Sevecke versucht nun, eine „kommunale Ausnahmeregelung“ zu erwirken, nach der auch Besuchern die Benutzung gestattet werden kann. Diese Novelle soll das Bundeskabinett im Herbst passieren. Bis dahin bleibt das Schild stehen. Ob kontrolliert wird, wer den Paternoster nutzt? Laut Sevecke sei dafür nicht das Bezirksamt als Mieter des Gebäudes zuständig, sondern der Eigentümer.

Wer kontrolliert? In Frankfurt hatte man schon eine Idee

So wie John Gerrit Edye, Gesellschafter der Reederei Sloman, die im Slowmanhaus am Steinhöft ihren Sitz hat. Einer von ursprünglich zwei Paternostern sei noch in Betrieb, dieser werde auch regelmäßig genutzt. Doch die neue Verordnung könnte dafür sorgen, dass die Firma künftig nur noch den modernen Lift am Laufen hält. „Wir haben nicht das Personal dafür, zu kon­trollieren, dass Kuriere oder andere Besucher den Paternoster nicht mehr benutzen. Deshalb überlegen wir, auch den zweiten in unserem Haus stillzulegen“, sagt Edye.

Sonst müssten Paternoster-Pförtner dafür Sorge tragen, dass kein Unbefugter auf die Idee kommt, die urigen Aufzüge zu benutzen. Die Goethe-Universität in Frankfurt war da Vorreiter und hatte den „Paternoster-Führerschein“ bereits vor Jahren eingeführt.

Die Hochschulleitung hatte angewiesen, dass der Aufzug nur noch von Angestellten und Studenten mit Berechtigungsschein benutzt werden durfte. Diese mussten ein Formular mit Verhaltens- und Ausnahmeregeln lesen und abstempeln lassen und dieses vor der Benutzung dem Paternoster-Wächter vorzeigen. Pfiffige Studenten reagierten mit Humor: Sie forderten einen Führerschein für stolperfreies Benutzen des Treppenhauses – da hob die Uni die Regelung nach nur drei Monaten wieder auf ...