Hamburg. Briefe und Pakete bleiben liegen– unter anderem in Eppendorf und Altona. Protest bei der Hauptversammlung des Konzerns.
Verspätete Briefe und fehlende Pakete: Angesichts des festgefahrenen Tarifkonflikts zwischen der Gewerkschaft Ver.di und der Deutschen Post müssen sich Hamburger Kunden noch bis einschließlich Sonnabend auf weitere Warnstreiks einstellen. „Wir werden die Arbeitsniederlegungen bei den Brief- und Paketzustellern weiter fortsetzen und vor den nächsten Verhandlungen Anfang der kommenden Woche noch eine Schippe drauflegen“, kündigte Thomas Ebeling, Gewerkschaftssekretär für den Bereich Postdienste an. Dies gelte sowohl für die Hansestadt als auch für Nachbarländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Am Mittwoch traten nach Gewerkschaftsangaben in Hamburg erneut etwa 350 Brief- und Paketzusteller in den Ausstand. Bestreikt wurden unter anderem die Stadtteile Bergedorf, Uhlenhorst, Eppendorf, Billstedt, Allermöhe, Altona und Barmbek-Süd. Dazu kamen Arbeitsniederlegungen im Hamburger Call-Center sowie bei der umstrittenen Tochtergesellschaft DHL Home Delivery. Insgesamt waren in der Hansestadt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern 920 von 6200 Beschäftigten zum Warnstreik aufgerufen.
Zahlreiche norddeutsche Mitarbeiter reisten zusammen mit Tausenden weiteren Kollegen zur großen Kundgebung nach Frankfurt, wo die Aktionäre der Deutschen Post zur jährlichen Hauptversammlung zusammenkamen. Der Vorstand wolle die Gewinne auf dem Rücken der Belegschaft maximieren und verspreche den Aktionären höhere Dividenden, während die Beschäftigten weniger Lohn bekommen sollten, kritisierte Ver.di-Chef Frank Bsirske vor der Versammlungshalle. Der Konzern setze Leiharbeiter und Beamte als Streikbrecher ein und spalte damit die Belegschaft. „Diese Botschaft nehmen wir nicht hin“, rief Bsirske. „Noch ist Zeit zur Umkehr.“
Deutsche-Post-Chef Frank Appel machte gegenüber den Aktionären allerdings deutlich, dass er nicht gewillt ist, in dem Konflikt um eine neue Konzern- und Gehaltsstruktur nachzugeben. „Unsere Personalkosten sind auf Dauer nicht wettbewerbsfähig“, sagte er. „Unsere langjährige Tarifstruktur geht noch auf Behördenzeiten zurück.“ Dies ändere die Post mit dem Aufbau neuer Gesellschaften, mit denen der Konzern aber „ganz sicher keine Billigjobs“ schaffe. Er sei optimistisch, dass in den „anspruchsvollen Tarifgesprächen“ mit Ver.di am Ende doch noch eine tragfähige Lösung gefunden werden könne.
Die Konzernführung versucht, die hohen Kosten bei der Zustellung im Inland zu senken, indem Zusteller für weniger Gehalt in 49 eigens gegründeten regionalen Paketzustellungsgesellschaften eingestellt werden. Dieses Vorgehen sorgt bei der Gewerkschaft seit Monaten für Empörung. Sie wirft der Post Vertragsbruch und Flucht aus dem Haustarifvertrag vor. Darüber hinaus verlangt die Gewerkschaft für die rund 140.000 Beschäftigten eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden mit vollem Lohnausgleich sowie 5,5 Prozent mehr Geld.
Für zusätzliche Aufregung sorgten am Mittwoch Berichte über polnische Aushilfszusteller bei der Post. Die Gewerkschaft stuft dies als „skandalös“ ein und wirft dem Unternehmen vor, den Arbeitskampf im eigenen Land durch ausländische Kräfte zu unterwandern.
Ein Post-Sprecher bestätigte, dass das Unternehmen neben Mitarbeitern mit Wohnsitz in Deutschland in einzelnen Bereichen von Berlin aktuell auch Kollegen der Post-Tochter DHL Paket aus dem benachbarten Polen einsetze. Dies seien erfahrene Zusteller und keine externen, sondern Post-Mitarbeiter. Sie erhielten für die Zeit des Einsatzes den selben Tariflohn wie ihre deutschen Kollegen, betonte der Sprecher. Grund für den Einsatz seien das hohe Paketaufkommen in den vergangenen Tagen speziell für die Region Berlin und die letzten Nachwirkungen der vergangenen Streiks.
In Neumünster kommen polnische Aushilfskräfte zum Einsatz
Nach den Worten des Hamburger Gewerkschaftssekretärs Ebeling kommen rund 30 polnische Aushilfskräfte auch im DHL-Paketzentrum in Neumünster zum Einsatz. Für das Paketzentrum in Allermöhe sei eine Fremdvergabe von Arbeiten ebenfalls angedroht worden, sollten die Ausstände weiter anhalten.
Wirtschaftlich steht die Deutsche Post derzeit nicht schlecht da. Konzernchef Appel bekräftigte auf der Hauptversammlung die Gewinnprognosen des Konzerns für 2015 und 2016. Im laufenden Jahr soll danach der operative Gewinn (Ebit) bei 3,05 bis 3,2 Milliarden Euro liegen, 2016 soll er dann deutlich auf 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro steigen. Dieses Ziel zu erreichen wird laut Appel aber nicht ganz einfach, da die Weltwirtschaft derzeit nur langsam wächst und der Konzern zahlreiche große Konkurrenten hat. Den Aktionären schlug der Vorstandschef eine leichte Erhöhung der Dividende auf 85 Cent pro Anteilsschein vor.