Hamburg . Bis zu einer Stunde müssen Kunden anstehen, wenn sie ihre Pakete in der Filiale abholen. Der Ärger ist groß. Streikfolge oder Dauerzustand?

Der gelbe Zettel im Briefkasten verhieß nichts Gutes. Über das Internet hatte Erich Schulz (Name geändert) einen Graufilter für seine Kamera bestellt. Am Tag der Lieferung war er allerdings nicht zu Hause. In dem Mietshaus herrscht eine enge Gemeinschaft, der DHL-Bote hätte das kleine Päckchen bei Nachbarn abgeben können. Er aber brachte es in die Postfiliale am Heussweg in Eimsbüttel. Die öffnet werktags um 9 Uhr, und so stand Erich Schulz gestern kurz nach 9 Uhr in einer Warteschlange – zusammen mit 30 weiteren Menschen. Am Ende dauerte es gut eine Stunde, bis er sein Päckchen in den Händen hielt.

Erlebnisse wie diese sind kein Einzelfall, ähnliche Szenen spielen sich regelmäßig in und vor vielen Postfilialen und DHL-Paketshops in ganz Hamburg ab. Am Langenhorner Markt etwa macht sich sonnabends kurz vor Ende der Öffnungszeit Unruhe breit: Die Wartenden versuchen, in die Filiale zu schlüpfen, bevor der Postmitarbeiter das Rollo herunterlässt. Am Alten Wall wird die Schlange der Wartenden um die Mittagszeit gut 15 Meter lang. Wer nur eine Briefmarke braucht, mag seine Mittagspause dafür nicht opfern. Die Postfiliale am Beselerplatz in Othmarschen ist bei einigen Kunden geradezu berüchtigt. Mindestens 20 Minuten Wartezeit müsse man dort einplanen, klagen sie.

Auch in der Postfiliale im Tibarg Center in Niendorf bilden sich regelmäßig lange Schlangen. Als die Filiale wegen des Streiks kürzlich von Mittwochabend bis Montag früh dauerhaft geschlossen blieb, verkürzte sich für einige Kunden die siebentägige Aufbewahrungsfrist – sie standen zum Teil draußen vor dem Eingang an.

Post hält Warteschlangen für eine Folge der Warnstreiks

„Es ist nicht auszuschließen, dass es an bestimmten Tagen in einzelnen Filialen zu Wartezeiten kommt“, sagt Martin Grundler, Sprecher der Deutschen Post in Hamburg. „Wir versuchen, die personelle Besetzung nach dem Kundenaufkommen auszurichten, aber wir können nicht endlos Personal vorhalten.“

Aus Sicht der Post sind die langen Schlangen allerdings kein generelles Problem. „Wir haben es hier mit Streikfolgen zu tun. Die Kollegen arbeiten mit Hochdruck daran, den Rückstand aufzuholen“, sagt Grundler. Zurzeit wird allerdings nicht gestreikt. Im Tarifkonflikt um kürzere Arbeitszeiten und mehr Gehalt bei der Deutschen Post hatte die Gewerkschaft Ver.di bis einschließlich Dienstag zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen.

Für die Kunden, die am Donnerstagabend vor der großen Postfiliale an der Kaltenkirchener Straße in Altona anstehen, ist der Hinweis auf Streikfolgen kein Trost. Gayaneh Mehrabi, 31, aus Altona erzählt: „Ich kenne das hier nicht anders. Sonnabends komme ich extra nicht vorbei, dann ist es noch schlimmer.“ Das bestätigt Thomas Peters, 56, aus Altona: „Sonnabends ist regelmäßig die Hölle los. Ich habe schon 45 Minuten anstehen müssen. Die Filiale ist personell zu schwach besetzt.“

An der Kaltenkirchener Straße wird um 18 Uhr die Tür geschlossen. Wer zu diesem Zeitpunkt draußen steht, darf sich in die Filiale drängeln. Wer eine Minute später kommt, wird nicht mehr hereingelassen. Insbesondere berufstätige Kunden ärgert das. Die Postangestellten allerdings möchten irgendwann Feierabend machen.

Der Ärger über lange Wartezeiten nährt Verschwörungstheorien

Doch warum müssen überhaupt so viele Menschen ihre Pakete selbst abholen? In der Warteschlange in Altona wie auch in zahlreichen Internetforen ist der Ärger vieler Kunden über die DHL, den Paketdienstleister der Deutschen Post, groß. Der Tenor: Obwohl sie zu Hause waren, finden die Betroffenen eine Benachrichtigung an der Haustür: Der Bote habe sie nicht angetroffen. Manchmal entdecken sie den Zettel sogar erst zwei Tage später im Briefkasten. Das nährt den Verdacht, der Bote sei gar nicht erst bei ihnen vorbeigefahren.

Ebenso kann die Abgabe bei Nachbarn zu großem Aufwand führen. Dann nämlich, wenn der vermeintliche Nachbar etliche Straßen weiter wohnt. Auch die Sendungsverfolgung ist nicht immer hilfreich. Mancher Kunde muss bei der Recherche feststellen, dass er das Paket angeblich persönlich entgegengenommen haben soll. Mit Glück findet er es im Carport hinter dem Haus oder bekommt es von einem aufmerksamen Nachbarn ausgehändigt.

„Wenn der Zusteller gar nicht erst ins Haus hineinkommt, kann er die Benachrichtigungskarte auch nicht in den Briefkasten werfen. Das kann zu Missverständnissen führen“, vermutet Post-Sprecher Grundler. Auch Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg gibt zu bedenken: „Die Vorwürfe sind zum Teil schwer nachweisbar. Die Leute erinnern sich manchmal nicht mehr, ob nicht doch für einen Moment der laute Staubsauger an war.“

Verbraucherschützerin Rehberg rät genervten Kunden, sich nicht nur beim Paketdienst selbst, sondern gegebenenfalls auch beim jeweiligen Onlinehändler zu beschweren. „Wenn ein Paketdienst ständig Ärger macht, kann der Händler über eine Alternative nachdenken.“