Hamburg. Jährlich ziehen 90.000 Menschen nach Hamburg. Ihre Motive untersucht eine Studie, die zeigt: Vermieter tricksen bei Stadtteil-Angaben.
Hamburg ist eine wunderschöne Stadt, die gute Chancen für einen neuen Job oder die eigenen Ausbildung bietet, in der es aber nicht leicht ist, in der Innenstadt eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das ist der Eindruck von Menschen, die in den vergangenen Monaten an die Elbe gezogen sind.
„95.000 Zuzügler pro Jahr sind eine schöne Bestätigung der hohen Anziehungskraft Hamburg“, sagte Jürgen Marquardt, Privatkundenvorstand der Hamburger Sparkasse (Haspa), am Donnerstag bei der Vorstellung einer repräsentativen Untersuchung von Motiven von Zuzüglern. Zentrale positive Faktoren seien die Wirtschaftsstärke und das positive Bild der Stadt. „Gleichzeitig wird die oftmals schwierige Wohnungssuche für Neu-Hamburger deutlich.“
45 Prozent ziehen wegen der Arbeit nach Hamburg
Die F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH hatte im Auftrag der Haspa 550 repräsentativ ausgewählte Neu-Hamburger schriftlich befragt. Die Studie steht unter dem Titel „In Hamburg angekommen: Wohnungssuche und Wohnungsmarkt aus der Sicht von Heu-Hamburgern“. Dabei ging es um Fragen wie: Wer kommt aus welchen Motiven nach Hamburg?, Wie sieht die Wohnsituation nach dem Umzug konkret aus? Welches Bild haben die Neu-Hamburger von ihrer neuen Heimat?
Den Studienergebnissen zufolge wandern jährlich rund fünf Prozent der Einwohner der Hansestadt zu. 45 Prozent der Befragten seien in die Hansestadt gezogen, weil sie hier einen Arbeitsplatz gefunden hätten. 28 Prozent habe die Attraktivität der Stadt zum Umzug bewogen. Die Aufnahme eines Studiums oder eine Berufsausbildung hätten 16 Prozent als Grund benannt. „Fünf Prozent der Befragten gaben an, ihren Lebensabend in Hamburg verbinden zu wollen“, sagte Bernd Leutner, Geschäftsführer der F+B GmbH.
Einige Stadtteile haben in der Beliebtheit aufgeholt
Die meisten Zuzügler – 83 Prozent – suchten eine Wohnung über das Internet, sagte Leutner weiter. Wichtigste Kriterien seien eine gute Anbindung an das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs und die Nähe zum Arbeits- beziehungsweise zum Ausbildungsplatz. Für 42 Prozent der Neu-Hamburger spielten die Wohnkosten eine wichtige Rolle. Besonders nachgefragt würden – wenig überraschend – zentrale innerstädtische Stadtviertel, wobei Eimsbüttel, Winterhude und Altona dazu zählten.
Urbane Stadtteile wie Hamm oder Barmbek-Süd hätten in den vergangenen Jahren aufgeholt, fügte Leutner hinzu. Auch für Hamburgs Osten sieht der Experte in den kommenden Jahrzehnten gute Chancen. Problematisch sei das Image von Stadtteilen am Rande Hamburgs, wie Bergedorf, Wilhelmsburg oder Harburg. Anbieter von Wohnraum würden daher mit den Ortsangaben hin und wieder großzügig umgehen. „Es gibt ganz viel Harvestehude, was Eppendorf ist und ganz viel Ottensen, was Bahrenfeld ist.“
"Schanzenvierteleffekt" weniger wichtig
Trotzdem gäbe mehr als die Hälfte der Neu-Hamburger an, sie hätte ihre Wohnung in ihrem Wunschstadtteil gefunden, sagte Leutner. 30 Prozent wären dagegen lieber in ein anderes Quartier gezogen. Weniger wichtig sei bei der Wohnungssuche der sogenannten „Schanzenvierteleffekt“, also das Wohnen direkt in einem Szeneviertel. Ruhige Wohnviertel in der Nähe von Szenenvierteln würden eher bevorzugt.
Zudem seien vor allem Singles zunächst an innerstädtischen Stadtteilen interessiert. Später, zumeist nach nach Gründung einer Familie wanderten sie in ruhigere, grünere Außenquartiere ab. Ihre Zufriedenheit mit der Wohnsituation beschrieben 74 Prozent der Neu-Hamburger als gut und sehr gut. 20 Prozent wollten hingegen bald wieder umziehen. Das sei oftmals bei einem Zuzug zu einem Partner der Fall. 40 Prozent suchten eine neue Wohnung, weil es zu eng geworden sei.
Marktsituation besser als ihr Ruf
Nach den Worten von Leutner ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass Zuzügler ihre Ansprüche der Lage auf dem Markt anpassten. Der Experte sprach von einer „Kaskade der Wohnungsnachfrage“. Für viele Menschen sei die Wohnungssuche über einen längeren Zeitraum ein wichtiges Thema. „Wenn sie drei Mal bei einem Wohnungstermin mit 60 Leuten stehen, passen sie ihren Wohnungswunsch an“, sagte Leutner. Der Experte sagte, die objektive Marktsituation sei oftmals besser als ihr Ruf. Die Stadt solle – wie in Hamburgs Osten geplant - „neue urbane Qualitäten schaffen, die andere Standorte entlasten“.
Rund 40 Prozent der Neu-Hamburger stammten aus den umliegenden Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, heißt es in der Studie weiter. Bei den unter 30-Jährigen liege der Anteil sogar bei 60 Prozent. 16 Prozent der Zuzügler kämen aus dem Ausland. Knapp die Hälfte sei Single. Allerdings hätten viele einen Partner, der bereits in Hamburg lebe, sagte Leutner. 36 Prozent der Zuzügler kämen mit einem Partner und 13 Prozent als Familie. Allerdings beschrieben rund 69 Prozent der Befragten die Hansestadt als kinderfreundlich.
Mieten hätten sich eher moderat entwickelt
Als wichtiges Problem werden von vielen Zuzüglern die hohen Wohnkosten benannt, sagte Leutner. Haspa-Vorstand Marquardt verwies allerdings darauf, dass die Mieten über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet sich eher moderat entwickelt hätten. Problematisch sei der deutliche Anstieg der Wohnnebenkosten für Energie oder Heizung in den vergangenen fünf Jahren.
Der Studie zufolge verfügt gut ein Drittel der Zuzügler über ein monatliches Einkommen zwischen 1000 und 2000 Euro. Der Anteil der Unter-30-Jährigen, die über maximal 1000 Euro im Monat verfügten, liegen sogar bei zwei Dritteln.
Jeder fünfte zieht zunächst in Wohngemeinschaft
Zu 60 Prozent seien die Neu-Hamburger Mieter, sagte Leutner. Jeder Fünfte – etwa 20.000 Neu-Hamburger - ziehe (zunächst) in eine Wohngemeinschaft. Das sei eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Wohnungsmarktes. „Der Wohnungsmarkt atmet über die Wohnungsgemeinschaften“, sagte Leutner. Lediglich fünf Prozent der Zuzügler kaufe sich Wohnungseigentum. Besonders nachgefragt seien kleinere Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte.
Leutner würdigte das Wohnungsbauprogramm des Senats in der vergangenen Legislaturperiode. „Mit dem Bau von 6000 Wohnungen haben 20.000 Nachfrager eine Chance auf Wohnraum.“ Angesichts der großen Einkommensunterschiede bei den Zuzüglern sei es notwendig, ausreichend Wohnraum für geringer Verdienende zur Verfügung zu stellen.
Hamburg auch für ältere Menschen attraktiv
Besonders wichtig seien in diesem Zusammenhang sogenannte Sickereffekte, wenn älteren Menschen, die schon lange Zeit in einer große Wohnung lebten, kleinere und mittelpreisige Wohnungen, möglichst in der selben Straße oder im selben Stadtteil, angeboten werden könnten. Dadurch würde größere Wohnungen frei. Von Vorteil sei, dass Senioren heute – anders als früher – eher bereit seien, im Rentenalter noch einmal umzuziehen. „Hamburg sollte aktiver werden, derartige Umzugseffekte zu erzeugen“, sagte Leutner.
Ohnehin spiele die Gruppe der Senioren bei der Betrachtung von Neu-Hamburger eine wachsende Rolle. Vermehrt zögen ältere Menschen, die in Eigenheimen außerhalb von Hamburg wohnten, wegen der guten medizinische Versorgung, guter Einkaufsmöglichkeiten oder kultureller Angebote (zurück) in die Stadt. „Angebote in den Hamburger Außenbezirken sind inzwischen rasch weg“, sagte Leutner. Ein weiterer wichtiger Grund für den Zuzug älterer Menschen bestehe darin, dass viele von ihnen die Zeit ihres Ruhestands mit den Kindern, die bereits in Hamburg lebten, verbringen wollten.