Hamburg. 5100 Arbeitsplätze fallen in Deutschland weg. Hamburg wird wohl kaum betroffen sein – trotz aktueller Probleme in der Windkraftsparte.

Die Mitarbeiter von Siemens dürften sich allmählich fühlen wie in dem Kultfilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das Werk beschreibt das Leben eines Mannes, der in einer Zeitschleife festsitzt, immer wieder passiert dasselbe, es scheint kein Entrinnen zu geben. Bei Siemens haben die Vorstandschefs in den vergangenen Jahren zwar recht häufig gewechselt, allesamt griffen sie aber zu dem gleichen vermeintlichen Erfolgsrezept: Ein Sparprogramm folgte dem nächsten, die Firmengeschichte der vergangenen Jahre liest sich wie eine Dauerschleife aus Spartenverkäufen und der Streichung von Arbeitsplätzen.

Die Handysparte wurde aufgegeben, die Kommunikationsabteilung „Com“ zusammengestrichen, der Automobilzulieferer VDO abgegeben, der Bereich Fujitsu Siemens Computers aufgelöst, Tausende Stellen in der IT-Beratung gestrichen. Zuletzt trennte sich das Technologieunternehmen von der Osram-Lichtsparte, gab die Kernkraftaktivitäten auf und kündigte ein umfangreiches Sparprogramm an, durch das bis 2016 eine Milliarde Euro eingespart werden soll.

Die Situation am Standort Hamburg

Dieses Programm ist heute noch nicht einmal umgesetzt. Und jetzt sollen zusätzlich noch einmal 4500 Stellen wegfallen, kündigte Siemens-Chef Joe Kaeser am Donnerstag bei der Vorlage der Quartalszahlen an. Von dem Abbau entfällt auf Deutschland mit 2200 Jobs fast die Hälfte.

Insgesamt streicht der Konzern durch die beiden zuletzt angestoßenen Sparmaßnahmen weltweit 13.000 Arbeitsplätze, davon in Deutschland 5100. In Hamburg, wo gut 2000 Männer und Frauen bei dem Industrieunternehmen arbeiten, dürften sich die Auswirkungen stark in Grenzen halten. „Wir werden keinen gravierenden Personalabbau haben“, sagte Thomas Ahme, stellvertretender Betriebsratschef von Siemens in der Hansestadt, dem Abendblatt. Zudem seien in der AG betriebsbedingte Kündigungen ohnehin derzeit ausgeschlossen.

In dem Wachstumsmarkt der Windenergie, für den der Standort Hamburg mit rund 800 Beschäftigten eine große Rolle spielt, sind bei Siemens sogar noch Dutzende Stellen frei. Zuletzt gab es allerdings sogar hier Probleme. Das Geschäft mit Windkraft und erneuerbaren Energien sei auch im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2014/15 (zum 30. September) nicht aus den roten Zahlen gekommen, räumte Kaeser ein.

IG Metall fordert langfristige Lösungsansätze

Die großen Herausforderungen liegen aber in anderen Geschäftsfeldern: Beispielsweise kann Siemens hierzulande keine Gasturbinen mehr verkaufen. Der Konzern begründet dies mit der Energiewende in Deutschland. Wahr ist aber auch, dass Siemens den Trend zu kleinen Gaskraftwerken verpasst und zu lange auf Großturbinen gesetzt hat. Die Märkte für das Gas-Geschäft hätten sich zum Beispiel in den Mittleren Osten, die USA und nach Korea verlagert, sagte Kaeser; dem müsse man „Rechnung tragen“.

Die Folge ist, dass Siemens hierzulande 1600 Stellen in Gasturbinenwerken streichen dürfte, vor allem in Mülheim an der Ruhr und Berlin. Die restlichen 800 Stellen, die hierzulande neu gestrichen werden sollen, betreffen andere heimische Standorte der Kraftwerkssparte wie Nürnberg, Erlangen oder Erfurt sowie weitere renditeschwache Aktivitäten. Ganze Werke sollen aber nicht aufgegeben werden.

Die Neuordnung sei damit „in der Hauptsache abgeschlossen“, erklärte Kaeser. Die IG Metall reagierte auf die Pläne verärgert. „Das Management dreht bei akuten oder strukturellen Problemen reflexartig an der Schraube der Personalkosten“, erklärte die Gewerkschaft. Stattdessen müssten langfristig tragfähige und innovative Lösungsansätze entwickelt werden. Die Gewerkschaft will, falls nötig, massiven Widerstand gegen die Pläne leisten. Sie pocht auf die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung.

Umsatz stagnierte im zweiten Quartal

Mit den Stellenstreichungen will Kaeser den Konzern, der schon länger Wettbewerbern wie dem US-Erzrivalen General Electric hinterherhinkt, profitabler machen. Dazu will er sich auf die Felder Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung konzentrieren. Zuletzt beschäftigte der Technologiekonzern, der von Kraftwerken, Zügen und Industrieanlagen bis hin zum Ultraschallgerät ein breites Portfolio bietet, weltweit insgesamt 342.000 Menschen, davon 114.000 in Deutschland. Der 2013 angetretene Kaeser strich zuletzt auch zwei Organisationsebenen, für die bis dato Tausende Menschen arbeiteten.

Vom Umsatz, der im zweiten Quartal mit 18,4 Milliarden Euro stagnierte, blieben nur noch neun Prozent als operativer Gewinn übrig – eigentlich wollen die Münchner zehn bis elf Prozent einfahren. Kaeser sieht das Unternehmen aber auf Kurs, die für 2015 gesteckten Ziele zu erreichen – „wenn auch das Umfeld nicht leichter geworden ist“.

Unter dem Strich verdreifachte sich der Überschuss des Konzerns zwar auf 3,9 Milliarden Euro – das lag aber vor allem daran, dass Siemens Teile seines Tafelsilbers abgab. Mehr als drei Milliarden Euro sammelte das Unternehmen zum Beispiel dadurch ein, dass es die Hauselektrosparte BSH an Bosch abgab und sein Hörgerätegeschäft verkaufte. Und täglich grüßt das Murmeltier . . .