Hamburg. „Applaudieren, aber nicht hopp, hopp“: Bei der Premiere der Massenveranstaltung 1986 mussten die Zuschauer noch instruiert werden

„Private Toiletten anbieten und als solche kennzeichnen“, heißt es unter Punkt zehn. Insgesamt 17 Tipps, niedergeschrieben auf zwei DIN A4-Seiten, verbreiteten die Veranstalter an die Anwohner und potenziellen Zuschauer. „Goldene Regeln für Zuschauer an der Strecke“ lautete die Überschrift dieses Werks. Mit diesen Hinweisen sollten die Hamburger auf den ersten großen City-Marathon eingestimmt werden.

Wenn an diesem Sonntag die immer noch faszinierende Massenlaufveranstaltung über die respekteinflößende Strecke von 42,195 Kilometern bereits zum 30. Mal ausgetragen wird, rufen Tipps wie der oben genannte natürlich nur noch ein Schmunzeln hervor. Noch eine Kostprobe: „Mit Gartenschläuchen am Fahrbahnrand Duschmöglichkeiten bieten. Aber nicht die Läufer anspritzen.“

Es war der 25. Mai 1986, als der „Hanse-Marathon“ seine Premiere feierte. Die Aufregung war groß, Erfahrungen mit einem solchen Lauf mit Tausenden von Teilnehmern mitten in einer Metropole gab es in der Bundesrepublik bis dahin nur in Berlin und Frankfurt. In Hamburg musste der Marathon erst noch laufen lernen, wobei er mit mehr als 8000 gemeldeten Teilnehmern und mindestens einer halben Million Zuschauer an der Strecke auf Anhieb ein großer Erfolg war. Doch Aktive wie Zuschauer brauchten offenbar noch Anleitung, um mit der Herausforderung Marathon umzugehen. So stand in den „Goldenen Regeln“: „Applaudieren, aufmunternde Zurufe. Aber nicht: hopp, hopp, hopp.“

Auch ich selbst, damals 25 Jahre jung und schon immer eher Ausdauersportler als Sprintertyp, nahm die Premiere des „Hanse-Marathons“ zum Anlass, mich erstmals der Herausforderung der gut 42 Kilometer zu stellen. Schon ein halbes Jahr vorher meldete ich mich an, für 40 Mark übrigens (heute 56 bis 76 Euro), um Fakten zu schaffen und gar nicht erst auf die Idee eines Rückziehers zu kommen.

Die Stimmung im Pulk der Läufer und bei den Zuschauern war einzigartig

Der Mut wurde belohnt. Die einzigartige Stimmung im Pulk vor dem Start, eine Mischung aus persönlicher Anspannung und gemeinsamer Fröhlichkeit, der Adrenalinschub, als es endlich losging, die Begeisterung an den Straßenrändern und das überwältigende Glücksgefühl im Ziel – dies alles will man nicht nur einmal erleben. „Ich war den Tränen nah“, schrieb ich zwei, drei Stunden später, als ich mich als Reporter mit schmerzenden Waden in die Hamburg-Redaktion der „Welt“ geschleppt hatte.

„Der Muskelkater, die Blasen und die wundgescheuerten Stellen werden bald vergessen sein, doch meine Freude bleibt – und der feste Wille, jetzt ein echter Marathoni zu werden“, schrieb ich in meiner Euphorie weiter – und hielt Wort. Noch im selben Jahr lief ich die Marathons von Berlin und New York sowie danach bis in die 90er-Jahre noch 14 weitere.

Die bei der Premiere erreichte Zeit von 3:21:20 Stunden bedeutete immerhin den 2692. Platz von insgesamt 7486 Startern und 6957 Finishern. 2014 aber, als 12.869 Läufer ins Ziel kamen, hätte diese Zeit sogar für den 1703. Platz gereicht. Ein interessanter Beleg dafür, wie sich die Leistungsstruktur der Marathonis verändert hat. Ein anderes Beispiel: 1986 wurde der letzte Läufer mit 5:31:50 Stunden noch gewertet. Wer langsamer war, wurde vom „Besenwagen“ eingesammelt. 2014 kamen nach Ablauf dieser Zeit hingegen noch 1133 Teilnehmer ins Ziel, der letzte nach 6:53:22 Stunden. Der Trend zu einer gewissen Gemütlichkeit beim Marathon ist klar zu erkennen.

Nur für die Spitze gilt dies gar nicht. Der Premierensieger Karel Lismont aus Belgien wurde für seine 2:12:12 Stunden noch bestaunt, heute, da der Streckenrekord inzwischen bei 2:05:30 Stunden liegt, wäre dies eine Enttäuschung. Eine große Leistung der Marathon-Gründer, allen voran der damalige HLV-Vorsitzende Wolfgang Kucklick und der Sportamtsleiter Heiner Widderich, waren die Auswahl der Strecke, die über Hamburgs bekannteste Straßen führt und seit der ersten Auflage immer nur in Details verändert wurde. Mehr noch: Seit Kurzem sind Start und Ziel wieder dort, wo sie auch beim ersten Mal und viele Jahre danach waren – bei den Messehallen.