Hamburg. Für ein verbindliches Olympia-Referendum muss Bürgerschaft die Verfassung ändern. Im zuständigen Ausschuss plädierten Sachverständige für „Lex Olympia“.
Für ein verbindliches Olympia-Referendum in Hamburg halten Experten eine Verfassungsänderung für unausweichlich. Uneinigkeit herrschte am Mittwoch im Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft jedoch in der Ausgestaltung des zu ergänzenden Artikels 50. Konkret ging es bei der Anhörung mehrerer Sachverständiger etwa um die Frage, ob und wie Referenden auch bei anderen Themen zulässig und erwünscht sein sollen oder ob es eine Mindestbeteiligung - sogenannte Quoren - geben muss. Hamburgs Senat will die Bevölkerung im Oktober oder November verbindlich entscheiden lassen, ob es in der Hansestadt 2024 Olympische Spiele geben soll. Die rot-grüne Koalition hat dafür bereits einen Vorschlag für eine Verfassungsänderung vorgelegt.
Der frühere Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Hans Meyer, plädierte mit Blick auf Referenden eindringlich zur Zurückhaltung bei den Anwendungsmöglichkeiten: „Die Verantwortung der Regierung wird verlagert auf das Volk.“ Einmal, etwa bei Olympia, möge das angehen. Doch bei mehrfacher und dauerhafter Anwendung von Referenden könnte die gegenseitige Kontrolle der Verfassungsorgane tangiert werden. Schließlich könnte dann jede Regierung im Falle des Scheiterns eines von ihr selbst zur Abstimmung gestellten Projekts sagen, sie könne nichts dafür. Das Volk habe es schließlich so gewollt. „Ich kann nicht sagen, dass es verfassungswidrig ist. Aber es ist in meinen Augen töricht, so zu handeln“, warnte Meyer.
Der Politologe Prof. Theo Schiller von der Universität Marburg sagte, es sei aller Ehren wert, die Bürger an der Olympia-Entscheidung beteiligen zu wollen. Bei einer Verfassungsänderung müsse jedoch mehr bedacht werden. „Hier habe ich doch einige grundlegende Bedenken anzumelden.“ Hamburg wäre das erste Bundesland, das seiner Regierung über das Parlament erlauben würde, direkt das Volk entscheiden zu lassen. Nach Schillers Ansicht führt das auch dazu, dass parteipolitische Ziele in den Vordergrund rücken würden.
Dem Vorschlag für eine Verfassungsänderung zufolge soll die Bürgerschaft auf Antrag des Senats mit Zwei-Drittel-Mehrheit etwa Gesetzentwürfe dem Volk zur Entscheidung vorlegen können. Bereits laufende Volksbegehren sollen dann als Gegenvorschläge ebenfalls den Bürgern zur Abstimmung gestellt werden. Einmal vom Volk getroffene Entscheidungen sollen dann innerhalb der laufenden Legislaturperiode, mindestens aber drei Jahre, nicht durch eine neue Volksinitiative geändert werden können - was gerade für Olympia relevant wäre.
Ein Referendum im Oktober oder November läge zeitlich deutlich hinter der offiziellen Kandidatur Hamburgs beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC), die schon Mitte September in Lausanne (Schweiz) vorliegen muss. Auf der anderen Seite läge die Volksabstimmung noch deutlich vor einer endgültigen Entscheidung des IOC über den Ausrichtungsort 2024 im Sommer 2017. Neben Hamburg haben Paris, Boston und Rom ihre Kandidatur für das größte Sportspektakel der Welt angekündigt. Interesse sollen auch Doha, Budapest, Istanbul, Baku und eine Stadt in Australien haben.
Jüngste Meinungsumfragen sehen eine wachsende Begeisterung der Hamburger für Olympische Spiele. Aber auch die Gegner des Sportgroßereignisses, etwa (N)Olympia-Hamburg, machen inzwischen mobil. Das Referendum soll nun dazu dienen, den Willen des Volkes abzubilden und auch umzusetzen. Für eine Verfassungsänderung ist im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, die SPD und Grüne etwa zusammen mit den Linken erreichen könnten. Die Linken sind zwar gegen Olympia, aber für ein bindendes Referendum. Die CDU hält bislang eine Volksbefragung für ausreichend, die FDP will Referenden auf „Jahrhundertentscheidungen“ beschränken. (dpa)