Neuengamme. Im Mittelpunkt des Besuchs der Opfer der NS-Gewalt aus 20 europäischen Staaten, Israel und den USA steht ein Schülerprojekt.

Die Chance zu einem direkten Austausch zwischen jungen Menschen und Zeitzeugen der nationalsozialistischen Gewalttaten wird 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer seltener. Deswegen steht die persönliche Begegnung im Zentrum der Veranstaltungen zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Neuengamme am 4. Mai 1945. Der Senat hat 60 überlebende ehemalige Häftlinge des KZ und seiner Außenlager mit ihren Angehörigen eingeladen. „Es ist für Hamburg eine große Ehre, dass die Überlebenden den Weg zurück an einen Ort antreten, mit dem sie unermessliches Leid verbinden“, sagte Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos).

Im Mittelpunkt des mehrtägigen Besuchs der Opfer der NS-Gewalt aus 20 europäischen Staaten, Israel und den USA steht ein Schülerprojekt. Rund 600 zwischen 16- und 17-jährige Schüler nehmen an zehn Zeitzeugengesprächen in der Gedenkstätte Neuengamme teil. Zehn Mädchen und ein Junge werden einen besonders direkten Zugang zu den ehemaligen Häftlingen haben und sie während ihres Aufenthalts begleiten. Dazu zählt auch ein Besuch in Neustadt (Holstein).

Am 3. Mai 1945 wurden die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ mit KZ-Überlebenden an Bord in der Lübecker Bucht vor Neustadt bombardiert und sanken. 6600 Häftlinge starben. Die Schüler werden dabei sein, wenn die 60 Überlebenden per Schiff zur Unglücksstelle fahren. Sie dokumentieren ihre Gespräche und Erlebnisse mit Fotos, Videos und Texten. Mit ihrem speziellen Blick und ihren aktuellen Erfahrungen sollen die Schüler die zentrale Gedenkfeier am 4. Mai mitgestalten.

Diese Menschen starben in Neuengamme

Paul Zinke gehörte zum Widerstandskreis
Weiße Rose
Paul Zinke gehörte zum Widerstandskreis Weiße Rose © Archiv Gedenkstätte Neuengamme
Helene Heyckendorf starb mit 70 anderen im April 1945 im KZ  Neuengamme
Helene Heyckendorf starb mit 70 anderen im April 1945 im KZ Neuengamme © Archiv Gedenkstätte Neuengamme
Annemarie Ladewig: Ihr Vater war in
der Gruppe Kampf dem Faschismus
Annemarie Ladewig: Ihr Vater war in der Gruppe Kampf dem Faschismus © Archiv Gedenkstätte Neuengamme
Erika Etter starb in Neuengamme, ihr Mann Werner in Brandenburg
Erika Etter starb in Neuengamme, ihr Mann Werner in Brandenburg © Archiv Gedenkstätte Neuengamme
Hanne Mertens war Schauspielerin am Thalia Theater
Hanne Mertens war Schauspielerin am Thalia Theater © ANg
Kurt Ledien gehörte ebenfalls zu den
letzten Opfern in Neuengamme
Kurt Ledien gehörte ebenfalls zu den letzten Opfern in Neuengamme © Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Margarethe Mrosek war 43, als sie starb
Margarethe Mrosek war 43, als sie starb © KZ Gedenkstätte Neuengamme
Der Eingang zum Schutzhaftlager des Konzentrationslagers Neuengamme
Der Eingang zum Schutzhaftlager des Konzentrationslagers Neuengamme © picture-alliance
Häftlinge aus dem Konzentrationslager Neuengamme heben den Stichkanal vom Klinkerwerk des Lagers zur Dove-Elbe
aus
(Foto der SS, etwa von 1941/42). Rund 50.000 überlebten das Lager nicht
Häftlinge aus dem Konzentrationslager Neuengamme heben den Stichkanal vom Klinkerwerk des Lagers zur Dove-Elbe aus (Foto der SS, etwa von 1941/42). Rund 50.000 überlebten das Lager nicht © picture-alliance
Die SS-Wachmannschaft
des Konzentrationslagers bei der Weihnachtsfeier 1943. Sie musste auch viele Häftlinge bewachen, die
außerhalb des Lagers Zwangsarbeit leisteten
Die SS-Wachmannschaft des Konzentrationslagers bei der Weihnachtsfeier 1943. Sie musste auch viele Häftlinge bewachen, die außerhalb des Lagers Zwangsarbeit leisteten © ullstein bild
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Das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme bildet den Rahmen für die Feier am 4. Mai, bei der Janusz Kahl, der Vizepräsident der Amicale Internationale der ehemaligen Häftlinge, sowie Bürgermeister Olaf Scholz und der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Ole Schröder, sprechen und einen Kranz am Internationalen Mahnmal niederlegen werden.

Bereits am 2. Mai gibt es ein öffentliches Zeitzeugengespräch im Hotel Baseler Hof an der Esplanade (Neustadt): Der 102 Jahre alte Marko Max Feingold und Haim Liss (83) aus Israel werden von 19 Uhr an über ihre Leidenszeit in Neuengamme berichten.

Alle knapp 600 bekannten Überlebenden des KZ sind im Vorfeld angeschrieben worden. „Es gab als Reaktion zum Teil berührende Briefe. Viele wären gern gekommen, können die Reise aber aufgrund ihres Alters nicht mehr auf sich nehmen“, sagte Gedenkstätten-Direktor Detlef Garbe.

Im KZ Neuengamme und den mehr als 85 Außenlagern waren mehr als 100.000 Menschen inhaftiert, mindestens 42.900 haben das Grauen nicht überlebt.