Hamburg. Das Interesse an Berufen wie Speditionskaufmann ist bei den Jugendlichen gering. Arbeitsagentur gründet neues Beratungsteam AzubiPlus.

Werbeplakate an der Feuerwache am Berliner Tor machen auf einen neuen Beruf aufmerksam. In Anlehnung an die Notrufnummer heißt es da: 112 Prozent für den Notfallsanitäter. 24 Schulabgänger beginnen Anfang August mit der neuen dreijährigen Ausbildung bei der Hamburger Feuerwehr. „Alle Ausbildungsplätze sind schon besetzt, aber im Februar und August 2016 gibt es neue Chancen“, sagt Stephan Wenderoth, stellvertretender Amtsleiter der Feuerwehr Hamburg. Das Interesse war groß, es gab 450 Bewerbungen. Der Beruf Notfallsanitäter ersetzt die bisherigen Rettungssanitäter und Rettungsassistent.

Die beiden Rettungssanitäter Steffie Waldow und Benni Nijland werden den neuen Berufsstandard mit einer Zusatzqualifikation erreichen. „Ziel ist, dass die Notfallsanitäter auch ärztliche Aufgaben übernehmen können“, sagt Wenderoth.

Die Handelskammer lädt zum Azubi-Speeddating am 4. Juni ein

Die Arbeitsagentur Hamburg hatte die Feuerwache als Veranstaltungsort gewählt, um eine Zwischenbilanz für den Ausbildungsmarkt zu ziehen. In rund vier Monaten beginnt ein neues Ausbildungsjahr. „Wir verzeichnen wieder ein Plus bei den Ausbildungsplätzen“, sagt Sönke Fock, Vorsitzender der Agentur für Arbeit. In den vergangenen Jahren gab es eine abnehmende Tendenz bei den Lehrstellen. Dieser Trend ist jetzt offenbar gestoppt. „Seit Oktober 2014 sind uns 8602 Ausbildungsstellen gemeldet worden“, sagt Fock. Das sind neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Von den rund 8600 gemeldeten Lehrstellen sind 5300 noch unbesetzt, denen aber nur 4500 Ausbildungssuchende gegenüberstehen. Während das Angebot an Lehrstellen steigt, hat die Zahl der Suchenden in diesem Jahr leicht abgenommen. „Hamburg entwickelt sich damit mehr zum Bewerbermarkt, denn das Angebot an Lehrstellen übertrifft die registrierte Nachfrage deutlich“, sagt Fock. In der Hansestadt werden über 300 unterschiedliche Ausbildungsberufe angeboten.

Doch nach wie vor gibt es bei der Ausbildung große Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit. „Zahlreiche Bewerber fokussieren sich auf wenige Ausbildungsangebote, und gleichzeitig bleibt eine hohe Anzahl von Lehrstellen in Hamburg praktisch unangetastet“, sagt Fock. Einige Beispiele: Für den Speditionskaufmann gibt es noch 184 freie Lehrstellen, aber nur 53 unversorgte Bewerber, die daran Interesse haben. Auch der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik mit noch 125 freien Ausbildungsplätzen stößt bisher mit nur 46 Interessenten auf geringe Nachfrage. Dem stehen Berufe gegenüber, bei denen die Bewerberzahlen die noch freien Lehrstellen deutlich übersteigen: So wollen knapp 300 Jugendliche Medizinische Fachangestellte werden, aber es gibt nur 80 freie Lehrstellen dafür. Gefragt ist ebenfalls der Sport- und Fitnesskaufmann. 88 Bewerbern stehen 18 freie Plätze gegenüber.

Dieser Entwicklung will die Arbeitsagentur mit einem neuen Beratungskonzept entgegenwirken: Die Mitarbeiter des AzubiPlus-Teams sollen Jugendliche beraten, die noch nicht ihren Wunschausbildungsplatz gefunden haben – und ihnen Alternativen aufzeigen.

Auch im Handwerk bekommt nur gut jeder Zweite eine Ausbildung im Wunschberuf; Tendenz: sinkend. Aber rund 40 Prozent meinen eine gute Alternative gefunden zu haben, wie aus einer Umfrage der Handwerkskammer hervorgeht. 650 freie Lehrstellen gibt es derzeit noch im Handwerk, darunter auch rund 100 freie Lehrstellen als Kfz-Mechatroniker, dem beliebtesten Ausbildungsberuf der Jungen. „Die Erfahrung zeigt, dass der große Ansturm erst im Sommer nach dem Schulabschluss einsetzt“, sagt Oliver Thieß von der Handwerkskammer. Zahlen zu den schon abgeschlossenen Lehrverträgen will er noch nicht nennen. „Wir liegen auf dem Niveau des Vorjahres“, sagt Thieß. 2014 konnte das Handwerk 2,2 Prozent mehr Lehrverträge abschließen und sich damit vom Bundestrend abkoppeln. Die Zahl der Ausbildungsanfänger ging um 1,5 Prozent zurück.

Im Bereich der Handelskammer wurden bereits 3304 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 2,1 Prozent. 1070 Stellen sind noch unbesetzt. „Das betrifft fast alle Branchen; auch sehr gefragte Berufe sind darunter“, sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer. So gibt es noch 53 Ausbildungsplätze für Mediengestalter oder 64 Lehrstellen für Fachinformatiker. Über 100 freie Ausbildungsplätze zeigt die Lehrstellenbörse beim Kaufmann für Büromanagement. „Es lohnt sich, bereits jetzt auf die Suche zu gehen“, sagt Mohaupt. Wer noch keine genauen Vorstellungen über seinen Beruf hat, kann zum zweiten Azubi-Speeddating am 4. Juni in die Kammer kommen. Durch kurze Gespräche mit Ausbildungsbetrieben können sich Bewerber hier einen schnellen Überblick verschaffen.